Alle drei Jahre kommt Blaze Bayley ins Piano nach Dortmund. 2019 war ich noch nicht dabei, dafür aber 2022 und heute Abend. Beide Male war die Hütte voll. Zweihundert Nasen haben sich im gemütlichen Club mit Biergarten im Hinterhof eingefunden; darunter natürlich viele bekannte Gesichter. Das Wetter spielt heute auch mit. Blaze gibt, bevor der Support Act anfängt, ein Meet & Greet, macht Fotos mit seinen Fans und signiert fleißig Poster und Tonträger. Nach der Show tut er dies dieses Mal nicht. Das war vor drei Jahren noch anders. Aber was soll´s? Fan-Nähe gibt es heute von beiden Bands bei sehr entspannter Atmosphäre.
Heute sind mal nicht Absolva im Vorprogramm (die Backing-Band von Blaze), sondern eine andere Band aus England, die mir bislang gänzlich unbekannt ist. Pryma heißen sie, haben eine Promo-CD mit neun Tracks und zwei verschiedene Shirt-Motive dabei und spielen modernen Metal mit viel Druck. So richtig einordnen lässt sich die Musik nicht. Groove Metal ist es nur bedingt, Nu Metal oder Metalcore aber im Grunde auch nicht. Ihre Musik ist aber sehr zeitgemäß und stampft wie Sau. Normalerweise mag ich moderne Musik ja nicht so sehr, aber wenn der Sound fett ist (und das ist er heute Abend), dann ballert es ordentlich. Hinzu kommt cooles, aktives Stage Acting der Musiker. Alle posen und headbangen als gäbe es kein Morgen. Man merkt, dass Pryma heute richtig Bock haben, vor so vielen Leuten zu spielen. Im Mittelpunkt steht Frontfrau Gaby George, die sich ebenfalls viel bewegt, und in der Lage ist, das Publikum zum Mitmachen zu animieren und super bei Stimme ist. Sie singt melodisch und kraftvoll, beherrscht aber auch so manche Growls für etwas Abwechslung. Beim letzten Song „Freaky Fright Night“ bekommt sie sogar richtig hohe Töne hin, ohne schief zu liegen. Sehr geil! Das Publikum ist angeheizt, und nach der Show hole ich mir aus Sympathiegründen auch noch eine signierte CD und ein gemeinsames Foto ab.
Setlist: Intro / My Cold Shadow, Suicide Storm, Dead To Me, 1:23:45, Mask, Freaky Fright Night
Nach einer kurzen Umbaupause betritt dann Blaze Bayley die Bühne, der mittlerweile ein Vierteljahrhundert Solokarriere feiert. Jawohl, sein 2000 erschienenes Debüt wird schon 25 Jahre alt. Zu diesem Anlass gibt es eine spezielle Setlist, bei der das komplette Album am Stück durchgespielt wird. Allerdings sind „The Brave“ und „The Hunger“ in der Reihenfolge vertauscht. Die Vorahnung, dass das Debüt durchgezockt wird, erahne ich erst nach dem dritten Song, denn ist wusste es vorher nicht. Am Anfang steht die Band noch etwas steif auf der Bühne. Lediglich der Frontmann selbst hantiert viel und ist ständig mit Gestiken in Bewegung. Dafür finde ich, dass Blaze heute viel besser bei Stimme ist als letztes Mal. Der erste Song späteren Datums ist „Samurai“ vom 2008 erschienenen Album „The Man Who Would Not Die“. Der Schlagzeuger, der das Langeisen damals eingetrommelt hatte, Larry Paterson, sitzt heute übrigens ersatzweise hinter den Kesseln, weil der eigentliche Drummer, Martin McNee, gerade wegen Rückenproblemen im Krankenhaus verbringt. Aber er macht seine Sache gut. Nach zwei Dritteln gibt es ein Geburtstagsständchen für einen gewissen Wolfgang im Publikum. Blaze erzählt, dass er gestern Geburtstag hatte und fragt das Publikum, ob heute jemand hier Geburtstag hat. Ohne Scheiß: Wäre ich es gewesen, hätte ich, glaube ich, geheult. Das ganze Publikum singt mit, und Wolfgang ist sichtlich gerührt. Danach gibt es eine kurze Akustikeinlage mit zwei Songs. Bassist Luke Appelton schnallt sich hierfür eine Akustikgitarre um. Die anderen Mitglieder beiden haben Pause. Erster von zwei Songs ohne Stromgitarren ist „2 A.M.“ vom „The X-Factor“-Album“; ein Song, den Iron Maiden selbst nie live gespielt haben. Sehr geil! Danach folgt noch „Soundtrack Of My Life“, der Titeltrack der 2013 erschienen, gleichnamigen Compilation. Das letzte Drittel besteht natürlich aus Iron Maiden-Stücken, wobei „Virus“, eine exklusive Single aus dem Jahr 1997, den Anfang macht.
Danach folgt überraschenderweise „Wrathchild“ aus der Paul Di´ Anno-Ära. Und obwohl Blaze live immer sehr lange Ansagen macht und viele Anekdoten erzählt, gibt es heute keine Geschichte über den im letzten Jahr verstorbenen Frontmann zu hören. Eigentlich schade. Hätte ich tatsächlich erwartet! Standesgemäß gibt es am Ende noch „Man On The Edge“ und „Futureal“ zu hören. Bei „Man On The Edge“ kommen auch Pryma noch einmal geschlossen auf die Bühne, spielen Luftgitarre und animieren das Publikum. Apropos Animieren des Publikums: Vor dem letzten Refrain von „Futureal“ ist Blaze so beschäftigt damit, seine Fans anzuheizen, dass er glatt seinen Einsatz verpasst, zum Mikrofonständer zurückrennt und erst später anfängt. Er kann sich ein Lachen nicht verkneifen, seine Band und viele Leute in den ersten Reihen auch nicht. Es muss nicht alles professionell und perfekt sein. Blaze ist bodenständig und zeigt dies auch. Zum Schluss gibt es eine unendlich lange Jam Session, die mit dem UFO-Klassiker „Doctor, Doctor“ beginnt und endet. Dazwischen werden unter anderem noch „Holy Diver“ von Dio und „Money“ von Pink Floyd angestimmt. Eigentlich geht es im Mittelteil aber nur darum, seine Band vorzustellen und einen bestimmten Instrumentalteil dem jeweiligen Bandmitglied zu widmen. Das Band ist nach dem Akustikset endlich warm gespielt und dudelt sich in einen wahren Rausch. Wie so oft erzählt Blaze Bayley immer viel zwischen den Songs. Heute wiederholt er sich allerdings auch häufig. Meistens geht es darum, dass er am Boden war und jetzt unabhängig ist, weil er seinen Traum auf der Bühne lebt und uns – und seine Fans im Allgemeinen – aufmuntert, immer an sich selbst zu glauben und sich nicht unterkriegen zu lassen. Sicherlich hätte er, anstatt so viele Reden zu schwingen, noch zwei-drei weitere Songs spielen können. Ich bin allerdings auch mit seinem Material nicht so vertraut, dass ich jetzt sagen könnte, was gefehlt hätte (außer die Uptempo-Nummer „Robot“ von 2008 vielleicht, die er vor drei Jahren hier gespielt hatte. Nach knapp zwei Stunden ist der schweißtreibende Gig zu Ende, und alle gehen glücklich nach Hause.
Setlist: 10 Seconds, Ghost In The Machine, Evolution, Silicon Messiah, Born As A Stranger, The Brave, The Hunger, Identity, Reach For The Horizon, The Launch, Stare At The Sun, Samurai, 2 A.M. (Acoustic), Soundtrack Of My Life (Acoustic), Virus, Wrathchild, Man On The Edge, Futureal, Doctor Doctor Medley (Including Band Introduction)