SAXON, DORO, GIRLSCHOOL

Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle, 06.03.2025

saxon indexIn jüngster Vergangenheit entwickeln die Veranstalter immer neue, fruchtende Ideen, um die Konzertsäle und Arenen voll zu bekommen. Es werden interessante Packages geschnürt und ebenso bekannten Supports und Special Guests hinzugenommen. So auch auf der aktuellen Saxon-Tour. Wurde beim letzten Mal noch die viel zu kleine Essigfabrik gebucht, musste nun doch wieder eine größere Location her. Da die legendäre Mitsubishi-Halle (für viele noch immer die Philipshalle) je nach Bühnenaufbau und Bestuhlung ein Fassungsvermögen von bis zu 7500 Besuchern hat, wurde dem Kartenkäufer durch zusätzliche Acts die Sache schmackhaft gemacht, um die Auslastung entsprechend sicherzustellen. Durchgehender Support Act bei allen Stationen waren Girlschool und bei einigen Dates Grand Slam, die Band die Phil Lynnot nach dem Aus von Thin Lizzy 1984 gründete. In Düsseldorf lag es nahe, keine Geringere als die Queen of Metal, unsere Doro, mit ins Boot zu nehmen. So entstand ein geballtes Line-Up, welches jedoch - abgesehen von den Damen der Mädchenschule - schon ein paar Mal hier zu Gast war. Denn auch in den letzten Jahrzehnten waren Doro und Saxon zu anderen Gelegenheiten in der Düsseldorfer Kulthalle gemeinsam am Start, die am heutigen Abend geschätzt zu achtzig Prozent gut gefüllt war.

girlschool live2025Los ging es mit der 1978 gegründeten Rocklegende Girlschool. Ich hatte die Band zum ersten Mal Ende 1984 im längst abgerissenen Pink Palace in Essen gesehen. Damals war für eine kurze Phase die Shouterin Jackie Bodimead dabei, welche bis heute meine absolute Lieblingssängerin ist. Danach übernahm wieder Bandleaderin und Gitarristin Kim McAuliffe den Gesang, welche auch nach wie vor diese Rolle noch innehat. Auch wenn sie nie an die Sangesleistungen von Jackie Bodimead heranreichen konnte, macht sie neben der Rhythmusgitarre auch am Mikrofon einen unverändert amtlichen Job. Am Schlagzeug ist normalerweise mit Denise Dufort ein weiteres Gründungsmitglied dabei. Sie war jedoch an diesem Abend aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Schießbude und wurde von Mark Benquechea der Formation Alcatrazz vertreten. Die seit dem Millennium an der Leadgitarre agierende Jackie Chambers gehört mittlerweile zum Inventar. Neu dabei ist seit letztem Jahr Tieftönerin Olivia Airey. Den Opener machte „Demolition Boys“ und wurde gefolgt von einem weiteren Klassiker „C'mon Let´s Go“. Wenn die Damen auch in die Jahre gekommen sind, merkt man ihnen ihre ungebremste Spielfreude an, die sich im Nu auf die Meute überträgt. So feiert das Düsseldorfer Publikum die vier Damen gebührend ab. Zwischendurch kamen bei „Are You Ready“ an der Gitarre Joe Stump (Alcatrazz) und an den Backing Vocals Doros Gitarrist Bill Hudson (der sich über den gesamten Song mit seinem Handy selbst filmte) sowie noch ein mir unbekannter Vertreter auf die Bühne. Die Beteiligten hatten offenbar ihren Spaß dran. Ich fand die Vorstellung fragwürdig und dilettantisch. Joe Stumps Gitarre hatte einen Sound wie ein Rasierapparat, und auch das Gegröle der anderen beiden war nur schwer zu ertragen. Danach ging´s aber wieder zu viert weiter, und die Engländerinnen rockten die Halle, als gäbe es kein Morgen; besonders als Girlschool ihrem alten Freund Lemmy mit dessen Motörhead-Titel „Bomber“ Tribut zollten.  In dem gut ein Dutzend Songs umfassenden Repertoire durften natürlich auch Highlights ihres Schaffens wie „Screaming Blue Murder“ oder „Emergency“ nicht fehlen, bevor man dann der nächsten Grand Dame des Abends den Staffelstab übergab.

doro live2025Nach dem Umbau ertönte das Intro von Doro und die die Truppe der Metalqueen heizte mit dem beliebten Opener „I Rule The Ruins“ dem Mob ein.  Zum Beginn der ersten Strophe erst entert wie gewohnt die Sechzigjährige Powerfrau umjubelt, topfit die Bretter und hatte ihre Anhänger, zu denen ich bekanntlich auch gehöre, von der ersten Sekunde an im Griff. Wenn man schon in der Heimatstadt gastiert, dann auch richtig, und dafür hat Doro ein fettes Best-Of-Set, gespickt mit einigen Titeln neueren Datums geschnürt, wobei ich mich schon über die ein oder andere Überraschung gefreut hätte. Mit Krachern wie „Time For Justice“, „Burning The Witches“, „Raise Your Fist In The Air“, „True As Steel“, „Earthshaker Rock“, „Hellbound“ der Ballade „Für Immer“ kann man gar nichts verkehrt machen. Und so oft ich Doro auch schon live gesehen und die Tracks gehört habe, wird es nie langweilig. Leider musste aber wieder das schon doof genudelte Judas Priest-Cover „Breaking The Law“ herhalten. Doro hat einen unendlichen Fundus an eigenen tollen Tunes. Warum sie diesen abgenutzten Klassiker immer wieder zum Besten gibt, entzieht sich meinem Verständnis. Doros Band ist seit langem eine feste Einheit. Drummer Johnny Dee, Basser Stefan Herkenhoff sowie die beiden Flitzefinger Bas Maas sowie Bill Hudson sind ein eingespieltes Team und punkten ungebrochen mit Spiel- und Bewegungsfreude. Wobei Hudson nochmal in einer ganz anderen Liga spielt.

saxon live2025 1Es sollte danach dem Headliner Saxon schwerfallen, hier noch etwas draufzusetzen. Seit dem Bühnenabschied von seinem Spannemann Paul Quinn ist Biff Byford das letzte verbliebene Gründungsmitglied und hält somit die Fahne der Sachsen hoch. Aber auch Basser Tim „Nibbs“ Carter ist mittlerweile satte siebenunddreißig Jahre im Gefolge, so kann man ihn auch schon fast als Urmitglied durchgehen lassen. Nigel Glockler ist zwar kein Gründungsmitglied, aber dafür der dienstlängste Drummer bisher. Für den ausgeschiedenen Paul Quinn konnte Brian Tatler (Diamond Head), auch ein Urgestein der New Wave Of British Heavy Metal, gewonnen werden. Quinn ist aber, soviel ich weiß, nach wie vor bei Studioaktivitäten eingebunden. Aber heute sind die Engländer live am Start. Dafür hatten sich Saxon eine beachtliche Setlist zusammengestellt. Neben einer geballten Zusammenstellung neuerer und älterer Titel gab es das komplette „Wheels Of Steel“-Album um die Ohren. Dem nicht genug bekamen die Fans im Anschluss nochmal vier Kracher als Zugaben. Los ging‘s auf der imposanten mit etlichen Marshall-Stacks versehenen Bühne mit Intro „The Prophecy" und „Hell, Fire and Damnation” vom gleichnamigen neuen Album bevor mit „Dogs Of War” ein Tune aus den Neunzigern gespielt wurde, den ich persönlich sehr mag. Es reihten sich weitere Highlights wie zum Beispiel „And the Bands Played On”, „Dallas 1 PM”, „Solid Ball Of Rock”, „Strong Arm Of The Law” oder das ebenfalls aktuelle „1066” ein. Dann stand die Live-Darbietung des kompletten „Wheels of Steel” Album von 1980 auf dem Programm, mit welchem die Briten seinerzeit den Durchbruch schafften. „Motorcycle Man”, „Stand Up And Be Counted” und „747 (Strangers In The Night)” wurden wohlwollend aufgesaugt. saxon live2025 2Der Titeltrack des Werkes „Wheels Of Steel” wird schließlich abgefeiert ohne Ende. Biff und seine Jungs boten hier ein Metal-Spektakel, dass seines Gleichen suchen muss. Tausende Fäuste wurden in die Luft gestreckt. Getreu dem Album-Ablauf folgen die Songs „Freeway Mad“, „See The Light Shining“, „Street Fighting Gang“, „Suzie Hold On“ sowie „Machine Gun“, bevor die sich Saxon zum ersten Mal verabschiedeten und man die Fans lautstark nach Zugaben rufen ließ. Die Sachsen ließen sich nicht lange bitten und lieferten mit den folgenden „Crusader“ (ich war auf einmal wieder siebzehn), „Heavy Metal Thunder“ eine Headbanger-Packung sondergleichen, von der sich so manche Genre-Kollegen mal eine fette Scheibe abschneiden können. Bei „Denim And Leather“ gesellten sich dann noch Doro sowie die Damen von Girlschool dazu und setzten dem Ganzen die Krone auf. „Princess Of The Night“ schloss die perfekte Setlist schließlich ab. Ein unvergesslicher Metal-Abend der Sonderklasse ging zu Ende, der noch lange von sich reden machen wird. Für alle drei Truppen gilt, dass sie uns noch möglichst lange erhalten bleiben mögen!



Autor: Stephan Georg - Pics: Stephan Georg