Also, bewusst begleitet mich Rod Stewart nun schon genauso lange wie der Hard Rock und der Heavy Metal, nämlich seit Anfang 1991, wo Rod Stewart „Rhythm Of My Heart“ vom damaligen Album „Vagabond Heart“ ausgekoppelt hatte. Das waren auch meine ersten Begegnungen mit MTV, wo neben Rod, Roxette, R.E.M. oder U2 auch schon Videos von härteren Songs von Metallica, Guns N´Roses oder Nirvana gespielt wurden. Live gesehen hatte ich Rod – der für mich übrigens der beste Non Metal-Sänger überhaupt ist - bislang aber noch nie. Die Setlist in Mönchengladbach letztes Jahr soll ja sehr mau gewesen sein. Dennoch wollte ich es mir nicht nehmen lassen, den Meister wenigstens ein Mal in meiner direkten Nachbarstadt zu sehen.
Und heute ist alles anders als sonst, wenn ich in die Westfalenhalle gegangen bin. Ich kenne niemanden. Alle sind älter als ich. Obwohl viele Leute da sind, muss ich mich an keiner Schlange anstellen, sondern kann einfach, ohne abgetastet zu werden, reingehen. Die T-Shirt-Preise am Merchandise-Stand belaufen sich auf 35 bis 40 €. Das habe ich an selber Stelle von Bands wie Black Sabbath oder Kiss deutlich teurer erlebt. Ich bin positiv überrascht! Merkwürdig ist auch, dass der Innenraum der Halle erstmals komplett bestuhlt ist. Auf der US Tour waren Cheap Trick als Support dabei, die ich auch mal gerne gesehen hätte. Aber erstmals in der Westfalenhalle steht heute tatsächlich nur ein einziger Act auf der Bühne. Das Bühnenbild ist gut durchchoreografiert. Die Band (zwei Gitarristen, ein Bassist, ein Schlagzeuger, ein Percusssionist, ein Pianist und ein Saxofonist) sind einheitlich mit weißen Sakkos, schwarzen Hosen und schwarzen Schuhen bekleidet. Die sechs Background-Sängerinnen tragen in der ersten Hälfte des Sets rote und in der zweiten Hälfte goldene Glitzerkleider. Manchmal tauschen sie die Rollen, tanzen wie Cheerleaderinnen, spielen Violine, Harfe, eine umgehängte Bassdrum oder ein Tambourin. Der Musiker oder die Musikerin mit einem Solo kommt nach vorne (sei es der Gitarrist, der Saxofonist oder eine der Damen) und wird so gekonnt in Szene gesetzt. Rod Stewart macht nicht auf Egomanen, der alles an sich zieht. Die Show beginnt mit Popsongs aus den Achtzigern: „Infatuation“. „Some Guys Have All The Luck“ (beide von „Camouflage“, 1984) und „Tonight I´m Yours“ (Titeltrack von 1981) machen den Anfang, bevor es mit „You Wear It Well“ erstmals einen Song aus den frühen Siebzigern gibt. Dem folgt – zu meinem großen Entzücken - das Faces-Stück „Ooh La La“ (Nachfolge-Band der Small Faces und Rods Band, bevor er 1975 Solo durch die Decke ging!). Ebenfalls begeistert bin ich vom direkt folgenden Muddy Waters-Cover „Rolln´ And Tumblin´“ (ja, ich höre fachfremd auch ein bisschen Black Blues!). Bei „The First Cut Is The Deepest“ singt erstmals das gesamte Publikum mit, was für einen Gänsehautmoment sorgt. Danach gibt es viele Klassiker, die wirklich jeder aus dem Radio kennt: „Tonight´s The Night“, „Forever Young“, „Young Turks“, „Maggie May“... Was will man mehr?
„I´d Rather Go Blind“ widmet Rod Stewart der 2022 verstorbenen Fleetwood Mac-Sängerin Christine McVie, wobei er emotional auf die Knie geht. Das völlig überflüssige „Lady Marmelade“, welches Rod Stewart meines Wissens niemals aufgenommen und veröffentlicht hat, nutzt der Meister, um sich umzuziehen und ich, um eine drigende Pinkelpause einzulegen. Bei dem Song rücken dann die Background-Sängerinnen in den Fokus. Gut, Black Sabbath oder Kiss hätten hier vermutlich mit einem Schlagzeug-Solo überbrückt. Aber wie gesagt: Heute ist eben alles anders. Es folgen mit „Baby Jane“ und dem fanatisch vom Publikum mitgesungenen „I Don´t Want To Talk About It“ zwei weitere Highlights. Auf „If You Don´t Know Me By Now“ hätte ich wieder getrost verzichten können. „Proud Mary“ ist sicherlich auch nicht essentiell für seine Setlist, aber immerhin mag Ich Creedence Clearwater Revival ja auch, und der Song geht auch gut ab. Bei dem Disco-Hit „Do Ya Think I´m Sexy“ gibt sich Rod überraschend Fan-nah, begibt sich in den leeren Fotograben und macht Shakehands und ein paar Selfies mit ein paar Fans in den ersten Reihen, die sich dafür extra von ihren Sitzen nach vorne begeben. Und zum Schluss wird sogar nochmal richtig gerockt! Das zweite Faces-Stück am heutigen Abend, „Stay With Me“, und das treibende „Hot Legs“ von 1977 sorgen vor allem bei mir persönlich nochmal für viel Bewegung, und so manche Sitznachbarn wundern sich, glaube ich, über die harte Ausrichtung, bevor der Vorhang erstmals fällt. Dieser öffnet sich noch einmal, und Rod Stewart gibt – mit einer Seemannsmütze bekleidet – die Ballade „Sailing“ zum besten. Kurios ist das Ende der Show! Der Vorhang fällt nämlich schon während des letzten Refrains. Man sieht die Band gar nicht mehr, bis der Song zu Ende ist, und sie verabschiedet sich auch nicht. Der Vorhang bleibt zu, das Licht dahinter geht aus, und das in der Halle an. Sehr merkwürdig. Keine Ahnung, ob das wirklich so geplant war... Unterm Strich kann ich aber sagen, dass es toll war! Rod Stewart ist mit seinen 80 Jahren noch gut bei Stimme und super in Bewegung. Auch das habe ich von so mancher Hard ´n´ Heavy-Größe in dieser Halle (die auch noch ein paar Jahre jünger sind!) deutlich schlechter gesehen! Im Verhalten seinen Musikern und Tänzerinnen gegenüber hatte man immer das Gefühl, dass Rod sie nicht gemietet hat, sondern mit ihnen befreundet ist.
Setlist: Infatuation, Tonight I´m Yours (Don´t Hurt Me), Having A Party (Sam Cooke-Cover), Some Guys Have All The Luck (The Persuaders-Cover), You Wear It Well, Ooh L La (Faces-Cover), Rollin´ And Tumblin´ (Muddy Waters-Cover), The First Cut Is The Deepest (Cat Stevens-Cover), Tonight´s The Night (Gonna Be Alright), Forever Young, Young Turks, Maggie May, I´d Rather Go Blind (Etta James-Cover), Lady Marmalade (The Eleventh Hour-Cover), Baby Jane, I Don´t Want To Talk About It (Crazy Horse-Cover), If You Don´t Know Me By Now (Harold Melvin & The Blue Notes-Cover), Proud Mary (Creedence Clearwater Revival-Cover), Do Ya Think I´m Sexy?, Stay With Me (Faces-Cover), Hot Legs, Sailing
Und auch nach dem Konzert ist draußen alles anders als sonst. Hier werden keine günstigen Bootleg-Shirts auf dem Weg zur U-Bahn verkauft, sondern es treten mehrere Musiker für ein bisschen Kleingeld auf. Am Bierstand treffe ich noch Schreiberkollege Dave Ivanov, der sich ebenfalls vom Konzert begeistert zeigt! Das letzte Mal (so wie es eigentlich angekündigt war), ist Rod Stewart aber heute noch nicht auf Tour. Es gibt noch ein paar Zusatzdaten für November, unter anderem in Köln. Für mich ist das Thema aber mit diesen schönen Erinnerungen abgehakt!