Es gehört eine Menge Mut und Überzeugung dazu, ohne aktuelles Album auf eine Tour zu gehen. Gewissermaßen trifft dies sogar in Herford auf alle drei Bands zu. Die schwedischen Black Death Metal-Ikonen Sacramentum haben ihr letztes Album im Jahr 1999 veröffentlicht, die deutschen Thulcandra ihr letztes Album im Jahr 2023 und die Niederländer Nephylim ihr letztes Album im Jahre 2020. Kommentar von Nisse Karlen dazu beim Bier mit den Fans: „We do whatever we want to do!“
Nephylim eröffnen im Kulturwerk Herford mit melodischem Death Metal. Kriegsbemalung und Spielfreude zeichnen die Holländer aus. Das beweisen sie nicht nur auf der Bühne, sondern auch dadurch, dass sie ihre CDs seit ziemlich genau zehn Jahren als Eigenproduktionen veröffentlichen. Für dieses Jahr ist das neue Album angekündigt, von dem es in Herford einen Vorgeschmack zu hören gibt. Wer von dem Stil nicht genug bekommt, ist mit der Mucke dieser Jungs garantiert gut bedient. Entsprechend machen sich schon gut zwei Dutzend Metaller direkt vor der Bühne mit den Holländern warm. Sänger Tijn Bosters mischt sich im Verlauf des Konzertes immer wieder unter das Publikum und brüllt vor der Bühne in sein Mikro. Bekannt oder unbekannt? Scheißegal! Die begeisterten Reaktionen der Fans sind mehr als bloßer Anstand!
Setlist: Inner Paradigma, Eye Of The Storm, Withered, The Bitter Inheritance, Fractured Existance
Etwas überraschend bauen dann die Schweden von Sacramentum ihr Set auf. An diesem Abend nicht als Headliner zu spielen, erweist sich mitten in der Woche als gute strategische Entscheidung. Es sind ohnehin am Abend kaum mehr als 100 oder 120 Leute da. Und dieses Maximum an Publikum sind Sacramentum und eben davor Nephylim gegönnt. Neue Songs gibt es von den Schweden um Nisse Karlen leider nicht zu hören. Aber der alte Scheiß hat definitiv genug Potenzial, vor der Bühne im harten Kern fanatische Reaktionen auszulösen. Der Sänger dirigiert das Konzert und die Fans im wahrsten Sinne des Wortes wie ein Dirigent, schwitzt wie ein Schwein und besudelt sich mit Blut, brav behördengerecht aus einer zuvor abgefüllten Flasche. Gitarristen und Bassist fällt ersichtlich schwer, aus sich heraus zu kommen. Oder es ist einfach die Absprache in der Band, dass die Aktivität als Rampensau dem Sänger vorbehalten bleibt. Richtig geil für alle Fans, dass alle Schweden nach dem Konzert sich auch unter das Publikum mischen und für ein paar Autogramme und Fotos zur Verfügung stehen. Bei einer Flasche Bier macht Nisse den Fans klar: „Das neue Album kommt.“ Wir sind gespannt!
Setlist: Intro (Abyss Of Time), Dreamdeath, Burning Lust, Portal Of Blood, Fog's Kiss, Far Away From The Sun, When Night Surround Me, Blood Shall Be Spilled, The Coming Of Chaos, Awaken Chaos
Die Rolle als Headliner übernehmen Thulcandra. Die Deutschen kämpfen immer noch mit dem Ruf, das Erbe von Dissection fortzuführen. So lautet zumindest die öffentliche Meinung, und meiner Meinung nach ist das einfach so, dass das die beste Referenz ist. Warum auch nicht? Sie haben trotzdem einen eigenes, individuelles Image aufgebaut und eine solide Fanbasis. Nach einem ersten Aufwärmen kündigt Gitarrist und Sänger Steffen Kummerer an, es werde Songs von allen fünf Studioalben an diesem Abend geben. Und das gibt es auch, und zwar voll auf die Zwölf! In Sachen Bewegung auf der Bühne und Kommunikation mit den Fans sind die Jungs die absoluten Meister des Abends. Es ist ihnen offensichtlich scheißegal, dass sich im Saal des Kulturwerks mittlerweile keine 100 Leute mehr ein finden. Das Publikum ist halt leider nicht mehr 16 Jahre alt, und der ein oder andere sagt schon, dass er vor allem wegen Sacramentum da ist und morgen arbeiten müsse. Richtig geil ist an dem Abend die Zugabe von Thulcandra. Das Konzert ist definitiv zu Ende, viele Zuhörer gehen schon raus, und Schlagzeuger Alessandro Delastik, der Bruder von Gitarrist Mariano, will als Letzter die Bühne verlassen, als ein Dutzend Fans vehement dazu auffordert, noch eine Zugabe zu spielen. Der Drummer zuckt mit den Achseln, setzt sich wieder hinter die Schießbude und schaut fragend in den Backstage-Bereich. Wieder Achselzucken. Wieder fragende Blicke. Gröhlende Fans. Mit mehreren Kopfbewegungen bedeutet er seinen Jungs nun, sie sollen zurückkommen. Und das tun sie auch und feuern vor einem ausrastenden Mini-Publikum die letzte Granate raus.
Setlist: Intro (In The Realm Of Thousand Deaths), Deliverance In Sins And Death, Funeral Pyre, As I Walk Through The Gateway, Fallen Angel's Dominion, Intro (In Bleak Misery)/A Shining Abyss, Aeon Of Darkness, Frozen Kingdom, In Vain, Hail The Abyss, Spirit Of The Night, Outro
22 € Eintritt, günstige Getränke und drei Bands in heimischer Atmosphäre. Wie in den alten Zeiten! Ein gelungener, kurzweiliger Abend!