TONZONEN FESTIVAL

Moers, Bollwerk 107, 17.05.2025

Tonzonen Festival - Vorwort - live - 2025Heute bin ich mal fachfremd unterwegs und über einen Kollegen auf die Gästeliste gekommen. Das Tonzonen Festival ist eine Space Rock-Veranstaltung. Ein Genre, was ich zwar eigentlich mag, ber tatsächlich keine Ahnung von habe und wirklich nur Hawkwind bewusst kenne. Von den Bands heute kenne ich niemanden; nicht einmal vom Namen her. Im Publikum treffe ich auch nur auf ein einziges bekanntes Gesicht. Ich hatte Moers weder als Konzert-Hochburg auf dem Schirm noch wusste ich, dass Space Rock so viel Anklang findet. Aber tatsächlich ist das Bollwerk heute mit vierhundert Nasen – alle ausschließlich älteren Semesters – restlos ausverkauft! Zwischen Parkplatz und Halle ist das Gelände wie ein Biergarten aufgemacht, was bei dem heißen Wetter natürlich perfekt ist!

Schubmodul - live - 2025Als wir die Halle betreten, fällt der sofort angenehme Sound auf, der sehr klar und nicht zu laut ist. Alle Bands bekommen eine Psychedelic Lasershow auf die Leinwand projiziert, sodass Bühne, Kleidung und Menschen – sowohl auf als auch vor der Bühne – quietschbunt gebatikt aussehen, haha! Der Opener Schubmodul, der aus Bochum kommt, spielt bereits. Das Trio ist mit zwei Mikrofonen ausgestattet, von denen sie aber nur eines für Ansagen benutzen. Die Band spielt rein instrumental, und das sogar ziemlich gut! Irgendwo zwischen verträumtem Psychedelic Rock und stampfendem Stoner Metal, zudem recht gut gespielt, ist ihre Musik angesiedelt, hat einen coolen Flow und begeistert direkt die schon gut gefüllte Halle. Niemanden singen zu sehen und kaum Ansagen zu hören, hat das Feeling einer Jam Session, sorgt aber auch für eine sehr entspannte Atmosphäre.

Vibravoid - live - 2025Jede Band wird heute von einem Moderator vorgestellt und angesagt. Alle Umbaupausen sind relativ lang. Daraufhin folgt noch der Soundcheck. Und keine der Combos heute spielt unter einer Stunde. Wir müssen also viel Zeit mitbringen. Als zweite Band betreten Vibravoid aus Düsseldorf die Bühne. Der Gitarrist und Sänger sieht aus wie mein alter Physiklehrer, inklusive altmodischem Haarschnitt. Dass das so ist, weiß er auch selbst. „Wenigstens haben wir die Haare schön“, begrüßt er das Publikum. Die Band spielt auffällig basslastig, obwohl sie keinen Tieftöner, sondern nur eine Orgel haben. Man fängt zähflüssig mit dem psychedelischen Beatles-Cover „Tomorrow Never Knows“ an, was ich sehr unglücklich gewählt finde, denn ich habe eben noch bestimmt fünfzehn verschiedene CDs der Band am Merchandise-Stand gesehen. Danach wird es aber besser. Neben mir sagt jemand, dass ihn die Musik an The Sisters Of Mercy erinnert, was sein Nebenmann vehement dementiert. Tatsächlich habe ich aber auch zwischendurch an New Wave gedacht. Richtig geil ist aber das letzte Stück, das Psychedelic Rock in Reinkultur bietet: ein endlos langes Instrumental mit verträumten Gitarrenmelodien und ganz viel Hippie-Flair, das bestimmt eine halbe Stunde dauert. Davon hätte ich gerne mehr gehört. Das Publikum feiert die Band aber ab!

Wedge - live - 2025Als nächstes sind Wedge aus Berlin dran, die für mich das Highlight des Abends sind. Die drei Jungs hauen ganz schön rein und rocken wie Sau. Ihre Wurzeln liegen klar in den Siebzigern. Auf ein bestimmtes Genre legen sie sich aber nicht fest. Blickfang ist der Bassist, der ständig zwischen einer Bassgitarre und einem Synthesizer hin- und her wechselt. Manche Gitarren erinnern an Black Sabbath, das eine oder andere Gitarren-Keyboard-Duell auch von der Machart her an Deep Purple oder Uriah Heep, mit denen man ansonsten aber nichts gemeinsam hat. Dafür schwingt aber eine gehörige Portion Proto Punk mit. Häufig denke ich hier an MC5 oder die New York Dolls. Eine Prise Hawkwind ist aber auch nicht von der Hand zu weisen. Die Band bewegt sich viel und geht richtig ab. Von der Reaktion der Fans in der Menge zeigen sie sich begeistert. „Wir haben auch schon vor zehn Leuten gespielt. Kennt Ihr das Sprichwort, ´Mit einer Hand kann man nicht klatschen?´ Ihr seid natürlich entschuldigt, wenn ihr ein Bier in der Hand habt!“. Neben Songs von allen drei Alben gibt es als Zugabe am Schluss noch einen brandneuen Song, der 2026 auf dem nächsten Album erscheinen soll. Nach ziemlich genau einer Stunde ist das energiegeladene Set beendet. Und Wedge haben heute mindestens einen Fan mehr dazu gewonnen, denn ich habe mir Anschluss alle drei CDs bei ihnen gekauft. Sehr geil!

The Spacelords - live - 2025Nach einer weiteren Umbaupause, Soundcheck und Moderation sind The Spacelords an der Reihe, die mit Abstand die älteste Band heute sind; zumindest von der Optik. Drei gesetzte Herren mit Vollbart, alle sichtlich ergraut, spielen – wie der Bandname schon verrät – Space Rock, in der Tradition von Hawkwind und ganz frühen UFO-Sachen, allerdings – wie bei Schubmodul am Anfang - wieder nur instrumental. Sie kommen aus Reutlingen, was man auch am lustigen Dialekt des Bassisten hört, der alle Ansagen übernimmt Die Musik ist psychedelisch und verträumt, pendelt häufig zwischen ruhigen und stampfenden Midtempo-Passagen. Die Riffs werden ständig wiederholt und sind recht monoton. Alle Songs ähneln sich auch sehr. Aber dennoch schaffen sie es scheinbar spielend, das Publikum in Trance zu versetzen. Ich habe oft das Gefühl, dass der Schlagzeuger ebenso in die Musik eintaucht und dabei alles um sich herum vergisst, denn häufig schauen ihn seine beiden Nebenleute lange fragend an, als ob sie auf einen Übergang zum nächsten Taktwechsel warten. Ich kann mich aber natürlich auch täuschen. Bei zehn regulären Alben, die es von The Spacelords gibt, wäre mir das für das heimische Wohnzimmer auf Dauer etwas zu eintönig. Live finde ich den Flow, den sie vermitteln, aber richtig gut!

Speck - live - 2025Bei Speck ist alles anders als bei den anderen bisherigen Bands. Sie sind die einzige Band heute, die nicht aus Deutschland kommt (sondern aus Wien), die nicht zu dritt, sondern zu viert sind, und die als einzige Band eine Frau dabei haben (nämlich am Bass). Außerdem sind sie mit Abstand die lauteste Band des Abends. Ich habe außerdem während ihres Sets das Gefühl, dass sie eigentlich aus der Metalszene kommen. Alle haben lange Haare. Und Headbangen tun sie auch. Der Schlagzeuger lässt sich irgendwann sogar zu Doublebass und Blastbeats hinreißen. Was für ein Abriss! Sie beginnen verträumt und spielen sich immer mehr in Rage. Ich tauche ebenso in die Musik ein. Nach einer Dreiviertelstunde nehme ich erstmals tosenden Beifall wahr. Haben die in dieser Zeit echt nur ein einziges Stück gespielt? Unfassbar! Es folgt noch eins (vielleicht auch zwei zusammenhängend gespielt; da bin ich mir echt nicht sicher). Nach siebzig Minuten Intensität und Schweiß ist aber auch dieser Auftritt beendet. Es ist bereits 0:30 Uhr. Jetzt noch eine Stunde Rückfahrt mit dem Auto nach Hause.

Tja, was soll ich sagen? Mein erstes Konzert in diesem Genre wurde ein wahres Highlight! Alle fünf Bands waren musikalisch und spielerisch super drauf. Und obwohl alle – grob gesehen – dem Space Rock zuzuordnen sind, klangen sie alle völlig unterschiedlich und einzigartig! Soll ich damit jetzt auch noch anfangen? In dieser Szene gibt es viel zu entdecken. Und in der Halle konnte man sich opulent eindecken, denn das Label Tonzonen Records, das dieses Event veranstaltet hat, und alle fünf Bands hatten Stände mit Tonträgern in großer Auswahl und größtenteils auf Vinyl für Liebhaber, von denen es im Publikum sehr viele gab! Mal sehen, vielleicht fahre ich ja nächstes Jahr auch wieder hin. Es lohnt sich definitiv, auch wenn man eher fachfremd unterwegs ist! Vielen Dank an Oliver Wilkening von Amsterdam Records für die Akkreditierung plus 1 und an Volker Fröhmer vom Rockblog.Bluesspot für das zur Verfügung stellen der Live-Bilder!   



Autor: Daniel Müller - Pics: Volker Fröhmer