OST+FRONT - FREUNDSCHAFT

Label: | OUT OF LINE |
Jahr: | 2014 |
Running Time: | 35:13 |
Kategorie: |
Neuerscheinung |
Ost + Front wurden 2008 von Patrick "Pat" Lange gegründet, der bis dato bei Corvus Corax, Tanzwut und Schelmisch gespielt hatte. 2011 nahm der bislang nur als Gitarrist tätige Pat das Synonym "Hermann Ostfront" und damit auch die Gesangparts an. Das Sextett ist genremäßig der Neuen Deutschen Härte (NDH) und damit dem Industrial zuzuordnen, dessen bekanntester Vertreter und wohl neben Oomph! auch Vorreiter die Berliner Rammstein darstellen. Ergo liegen hier natürlich stilistische Parallelen in vielfältigster Weise vor. Stellt man Ost + Front und andere Vertreter des Genre aber nur als Kopie der Band mit dem rollenden "R" dar, so macht man sich es meines Erachtens viel zu leicht. Darüber hinaus entgeht den Kritikern bei Ost + Front ein wahres Potpourri an krachenden, schwarzmetallischen, brachialen Gitarrenwänden, gemixt mit treibendem Elektroniksound, fetten Grooves und höchst provozierenden, ehrlichen Texten voll schwärzestem Sarkasmus, in denen sich Hermann so richtig auskotzt und so aus der sozialistischen Prägung seiner Jugend befreit. Los geht es mit "Freundschaft", dem Titeltrack ihrer LP "Olympia von 2014. Elektronische Raffinessen und schon wird einem das äußerst provokative "...Arbeit, Arbeit, 1,2, 3, ..klage nicht, ...Arbeit macht frei..." im fetten, kräftigen metallischen Soundgewand entgegen geknallt. Hermann spricht hier vom Arbeiter- und Bauernkombinat in der ehemaligen DDR und kombiniert dies mit einer sehr grotesken Mitteilung in der Boulevardpresse, wonach angeblich in China abgetriebene Föten und Totgeburten zu Potenzpillen verarbeitet werden. "Wanderlust" ist ein komplett neuer Track. Mit einfachen aber sehr eingängigen Riffs und Refrains geht es in diesem Song keineswegs um Fleischeslust, wie einige Kritiker darstellen, sondern Ost + Front rechnen hier mit dem Pauschaltourismus und hier insbesondere dem Sextourismus in den asiatischen Ländern ab. "Tschernobyl" wurde zu Anfang der Bandzeit als Demo nur auf Myspace hochgeladen. Hier erscheint es nun endlich auf CD. Und wieder eine tiefschwarze, vor Sarkasmus und Zynismus triefende Hymne über den am 26. April 1986 erfolgten Gau in dem ukrainischen Kraftwerk, entstanden durch schwerwiegende Verstöße der Mitarbeiter am Reaktor 4 bei der Simulation eines Stromausfalls. Ost + Front beschreiben den Ausflug zum Kraftwerk als entspannende Reise zu einem Ort, wo nur die Sonne strahlt und das Leben tobt. Super gemacht sind die computertechnisch verzerrten Piepsstimmen degenerierter Kinder. Einen solchen Song hätte es schon viel eher gebraucht, so der Reaktorunfall doch viel zu schnell in Vergessenheit geriet und erst nach Fukushima in 2011 das Thema erneut an Brisanz gewann, da nun klar war, das selbiges auch in den sogenannten hoch technisierten Ländern passieren kann.
Neben den drei Songs wurden auf die EP noch fünf höchst kreative Neubearbeitungen / Remixes von anderen Album-Hits von Lord Of The Ost ("Sonne, Mond & Todesstern"), Heimaterde ("Feuer und Eis"), Forgotten Sunrise ("Anders"), Tanzwut ("Perfekt") und Heldmaschine ("Liebeslied") drauf gepackt, die allesamt mit wummernder Elektronik, donnernden Drums, einfachen Refrains und dunkelschwarzen, metallischen Gitarren-Stakkatos zu überzeugen wissen. Toll die flüsternden Stimmen bei "Anders", das fast an die Neue Deutsche Welle erinnernde "Perfekt" und die supertollen Backings mit weiblicher Unterstützung bei "Liebeslied". Nachdem ich mal meine Berührungsängste aufgrund des gegebenenfalls missverständlichen Bandnamens abgelegt hatte, haben mich die Berliner Ost + Front vollkommen überzeugt. Klar haben sie in vielen Teilen was von Rammstein, Heldmaschine, Megaherz oder auch Eisbrecher. Ich sag dazu nur "Konkurrenz belebt das Geschäft" und textlich stehen Ost + Front außen vor. Endlich man ne Combo, die den Mumm hat, den erzkommunistischen Strukturen mal so richtig einen vor den Latz zu knallen.
Note: Keine Wertung
Autor: Andreas Gey