Zum dritten Mal fand das Unholy Metal Mayhem Tagesfestival im Helvete in Oberhausen statt. Wie immer gab es massenweise Old School Death- und Black Metal. Acht Bands aus dem finstersten Underground haben den Weg hierher gefunden. Neben deutschen Bands, die gerade für Furore sorgten, wie zum Beispiel Sulphur Aeon oder Evoked, konnte man auch den kauzigen Headliner Root aus Tschechien dazu gewinnen, die nur für dieses eine Konzert mal eben kurz ihre Heimat verlassen haben. Nach acht solchen Bands ist man zwar total im Arsch, aber Bock gemacht hat es auf jeden Fall!
Den Anfang machten um schon um 16:30 Uhr die Westfalen von Evoked, einem Nebenprojekt von Obsessör-Leuten, deren bisher einziges Demo „Return Of The Dead“ in zwei verschiedenen Tape-Versionen (jeweils mit schwarzem bzw. weißem Cover) erschienen ist. Auf Tape nur zu zweit, live jedoch zu dritt, gaben sie ordentlich Vollgas. Treibender Death Metal der alten Schule im Stil von Asphyx (vor allem gesanglich!), alten Morbid Angel und Dismember verband gekonnt US-, Schweden- und Holland Death Metal zu einem diabolischen Gebräu, das auf ganzer Linie überzeugte. Der Sound war für eine erste Band richtig gut. Der Bass klang so gemein, dass man keine zweite Gitarre vermisste. Sie spielten insgesamt neun Songs. Vom Demo her kannte man nur vier. Auch die Zugabe „Gruesome Obsession“ kannte man nicht, war aber auch egal! Der Opener am heutigen Tag trat schon mal gehörig Arsch! Das konnte ja noch was werden...
Danach folgten Cryptic Brood aus Wolfsburg, von denen ich, genau wie von Evoked, auch schon ein Review für CROSSFIRE geschrieben habe. Ein Demo und eine Split-CD mit Graveyard Ghoul gab es bislang. Und alle sieben dort enthaltenen Songs wurden auch heute gespielt. Sie spielten Doom-/Death Metal, der völlig bewusst an Autopsy angelehnt war. Ich musste dabei natürlich auch ganz oft an “Mental Funeral” denken. Die Musik war zumeist schleppend und stellenweise bewusst holprig gehalten. Obwohl sich alle drei Mitglieder der Band den Gesang teilten, übernahm Schlagzeuger Steffen Brandes alle Ansagen und bedankte sich auch gleich bei zwei anwesenden Bands dafür, dass sie ihm Becken für den Auftritt geliehen haben, weil er seine zu Hause vergessen hatte. Totaler Kult! Das sympathische Trio ballerte jedenfalls schön traditionell munter drauflos, zeigte Spielfreude und kam im Publikum gut an. Ihre Musik war richtig krank, aber eben auch schön old school, wie man es von einem Unholy Metal Mayhem auch erwartet.
Als dritte Band waren die Holländer Lucifericon an der Reihe, deren Bassist und Sänger Rob Reijnders Mitte der Neunziger bei den Black Metallern Tartaros spielte, deren einziges Album “Darkened Destiny” ich tatsächlich erst zufällig eine Woche vor diesem Gig entdeckt habe. Umbaupause und Soundcheck haben sehr lange gedauert. Die letzten Becken wurden sogar erst während des bereits laufenden Intros angeschraubt. Dafür gab es dann aber auch die musikalische Vollbedienung. Während Tartaros typisch norwegisch klingenden Darkthrone-Black Metal gespielt hatten, ging es hier technischer und Death metallastiger zur Sache. Irgendwo zwischen Morbid Angel und Possessed angesiedelt, klangen sie böse und leicht chaotisch, obwohl ihnen jeder Zeit anzumerken war, dass sie tolle Musiker sind, die ihr Handwerk verstanden. Sie beschränkten sich aber glücklicherweise auf das Wesentliche, ohne an Spirit einzubüßen. Die Soundprobleme blieben zwar (zumindest auf der Bühne, denn zwischen den Songs wurde immer mal wieder Monitorsound diskutiert), aber unterm Strich konnte ich mich sehr für die Musik der Holländer begeistern, die neben den vier Songs ihrer bislang einzigen EP “The Occult Waters” auch noch ein paar Songs mit dabei hatten, die man nicht kannte.
Etwas aus dem Rahmen fielen Cemetery Fog, von denen ich ebenfalls schon ein Review für CROSSFIRE geschrieben habe. Der blonde Frontmann J. Filppu, der neben dem Gesang auch die Gitarre übernahm, war optisch schon mal sehr auffällig. Er trug ein Blut verschmiertes, zerrissenes Hemd, was mich an den Zombie-Gitarristen von Death SS erinnerte. Musikalisch war das Ganze schon recht abgefahren. Klang der Opener noch voll nach Mystifier, gab es später eher dünnen Melodic Black-/Death mit einigen Doom-Passagen und völlig krankem Gesang. Mal klangen sie wie Catamenia, mal wie Dead End, Celestial Season, Paradise Lost oder auch My Dying Bride, aber nie abgekupfert. Alles in allem waren sie sehr eigenständig und kaum in eine bestimmte Schublade zu stecken. Ich hatte keine großen Erwartungen, aber ich musste zugeben, dass die Finnen die kranke Atmosphäre ihrer Tonträger tatsächlich gekonnt auf der Bühne umsetzen konnten.
Skelethal aus Frankreich habe ich auch schon für CROSSFIRE besprochen und sogar erst im Januar in Holland live gesehen. Somit wusste ich auch, was auf mich zukommen würde. Das Duo ist live zu viert, mit Unterstützung der hübschen brünetten Gitarristin Hélène Leroy, die ihre Sache richtig gut machte. Im direkten Vergleich zum Holland-Gig muss ich sagen, dass mir Skelethal heute sogar noch besser gefielen, was nicht nur an der Spielfreude, sondern vor allem auch am sehr guten Sound lag. Musikalisch verriet schon das Bandlogo, dass man hier Entombed und Nihilist huldigte. Aber auch die Bühnenpräsenz war der Wahnsinn. Sie liefen, bangten und waren ständig in Bewegung. Und sogar Drummer Jon Whiplash übernahm einige Gesangsparts und überzeugte damit auf ganzer Linie. Bei Skelethal war echt die Hölle los. Die noch jungen Musiker vermittelten tatsächlich den alten Spirit, den diese Art Musik benötigte, als wären sie in den Achtzigern schon voll dabei gewesen. Hut ab!
Nocturnal Witch aus Thüringen sind im Moment in aller Munde. Ihr kürzlich erschienenes Debüt “Summoning Hell” wurde gehörig abgefeiert. Ich war etwas überrascht, dass sie als kleiner Geheimtipp so viele Leute ziehen würden, denn jetzt war das Helvete schon richtig gut gefüllt und die Menge ging voll ab! Irgendwie klangen sie sehr griechisch. Wenn sie schnell waren, erinnerten sie etwas an Rotting Christ. Wenn sie Bathory-mäßig rumpelten, klangen sie wie Zemial. Das konnte kein Zufall sein, denn schließlich gab es ja sogar eine Zemial-Song, der “Nocturnal Witch” hieß. Die Jungs hatten richtig Bock und posten ordentlich. Es wurde fleißig gebangt. Der Spirit der bewusst alt klingenden Musik war immer allgegenwärtig. Zum Schluss überraschten sie aber mit einer Coverversion des uralten Sepultura-Songs “Antichrist”, zwar nicht textlich, aber musikalisch, denn Sepultura hätte ich nicht als passenden Vergleich für Nocturnal Witch herangezogen. Danach kam ein Gastsänger mit Kapuze auf die Bühne, um zusätzlichen Gesang beizusteuern. Der letzte Song klang wie ein bisschen nach Celtic Frost, war aber definitiv kein Coversong. Die Thüringer wurden jedenfalls voll abgefeiert, legten allerdings auch einen mitreißenden Gig hin.
Dann wurde spontan der Headliner getauscht. Sulphur Aeon begannen erst um Mitternacht, Root wurden vorgezogen. Root, eine der ältesten Black Metal-Bands Tschechiens überhaupt, sind schon auf Platte verdammt kauzig. Live setzten sie sogar noch mal eine Schüppe drauf. Die Umbaupause war ziemlich lang. Sänger Jirí “Bigboss” Valter, Begründer der tschechischen Abteilung der Church Of Satan und bereits 63 Jahre alt, kam gebeugt mit einem Gehstock auf die Bühne, die er während der gesamten Performance nicht ablegte. Mit wirrem Muster auf die Glatze gemalt, stand er fast regungslos da, riss die Augen weit auf und sah richtig besessen aus. Seine Bewegungen waren spärlich. Seine Texte hatte er alle auf einem schwarzen Notenständer vor sich. Doch gesanglich war er top! Wer die Platten kennt, weiß dass Root eher rumpelig zu Werke gehen. Doch live war die Band spielerisch sehr tight. Zusammenspiel und Posing ließen keine Wünsche offen. Und der Herr Bigboss, der sich Backstage als sehr lustiger Kauz erwies, wirkte zwar seltsam, aber doch sympathisch. Neben einigen Gassenhauern wie “The Temple In The Underworld”, “The Festival Of Destruction”, den unveröffentlichten Samplertrack “Hrbitov” vom legendären “Death Metal Session”-Sampler von 1991, gab es auch viele neue Songs. Erst beim vorletzen Song “Písen Pro Satana”, dass 2000 von Nargaroth gecovert und dessen Riff Burzum für ihren Song “War” verwendet hatten (was Varg Vikernes auch in Interviews zugab!), legte Bigboss Valter seinen Notenständer an die Seite. Obwohl er ihn mit dem englischen Titel “Song For Satan” ansagte, sang er ihn dennoch in der tschechischen Landessprache. Zum Schluss gab es noch den Singletrack “666”, der sich, genau wie schon “Písen Pro Satana”, auf dem Debüt “Zjevení (The Revelation)” befand, das 1990 erschien. Mitten im Set lachten die Root-Mitglieder belustigt über das violett beleuchtete Pentagramm an der Wand gegenüber der Bühne. Ansonsten wirkten sie immer ernst, aber auch immer authentisch. Kauzig, aber unterhaltsam!
Als Headliner gingen um Mitternacht also die Ruhrpottler Sulphur Aeon auf die Bühne. Die Veröffentlichung ihres neuen, zweiten Albums “Gateway To The Antisphere” war bis zu diesem Gig leider noch nicht abgesegnet, obwohl es bereits in trockenen Tüchern war. Es gab zur Hälfte alte und neue Songs, die alle recht lang, sehr technisch und absolut brutal waren! Was die Band hier auffuhr, war schon beeindruckend! Sowohl Doublebass als auch Snare ratterten in einem durch. Die Gitarren sägten wie Sau, aber nie stumpf, und der Gesang von Frontmann M. ist das ultimative Böse. Atmosphärische Intros erschufen nur sehr kurze Ruhepausen, bevor das Geballer weiterging. Dabei klangen Sulphur Aeon jedoch alles andere als primitiv; im Gegenteil: Es fiel jeder Zeit auf, dass die Gitarrenarbeit sehr komplex war. Aber die Songstrukturen waren immer eingängig und nachvollziehbar. Der Sound war fett und erdrückend. Eine Wand! Die Krone setzte der Gesang auf, der sowohl Death- und Black Metal in Reinkultur war, immer kräftig Bums hatte und auch mal besessene Schreie beinhaltete, die völlig krank waren. Dazu gab es eine Menge Bewegung auf der Bühne. Denn obwohl die Musik merklich anspruchsvoll war, gab es eine Menge Spielfreude und Headbangen, ohne dass es die Musiker aus der Fassung gebracht hatte. Unglaublich! Die Platten sind schon geil, aber Sulphur Aeon verstanden es blendend, den Druck und die Atmosphäre ihrer Musik auch perfekt auf der Bühne umzusetzen. Stramme Leistung!