Das Billing des heutigen Konzerttages ließ keine anderen Entscheidungen zu; es war das Turock in Essen aufzusuchen. Attic und Evil Invaders erspielten sich in der Vergangenheit einiges an Selbstvertrauen und gewannen viele Fans dazu. Space Chaser aus Berlin waren in diesen Breiten bislang weniger unterwegs, genießen aber dennoch den Ruf einer erstklassigen Thrashband. Da durfte man auf ihre Livepräsenz gespannt sein. Und Alpha Tiger waren zuletzt 2012 sehr aktiv. Man durfte gespannt sein, wie der neu ausgerichtete Sound ihres topaktuellen Albums "Identity" live ankommen wird.
Nach Einlass prangte bereits ein riesiges Backdrop von Space Chaser auf der Bühne, und die Berliner waren beim Soundcheck. Die im Vorfeld mitangekündigten Witches Steel aus dem Pott mussten leider vom Billing gestrichen werden, damit der knappe Zeitplan von vier Bands eingehalten werden konnte. Die Hauptstadtthrasher machten gut Druck, und konnten dabei auf einen Sound zurückgreifen, der ganz sicher nicht mit zu wenigen Bässen ausgestattet war. Ein sehr agiles Acting war bei den fünf Dauerbangern auf den Brettern zu beobachten, ihr Shouter Siegfried dabei auch gerne mit Bierflasche bewaffnet. Auf "Watch The Skies" und "Interstellar Overlords" folgte das Anthrax Cover "Caught In A Mosh", das sie auf ihre eigene Art knüppelten. Dabei zeigte sich die Vielseitigkeit ihres Shouters Siegfried, nämlich die rotzige Thrashstimme, als auch die cleane Stimme, wie sie Joey Belladonna im Original bringt. Die ersten Reihen traten für diesen Song Pogotänze an, und nach 35 Minuten wurde ein Gig beendet, der alle Anwesenden im Turock überzeugt hat.
Das Intro mit Glockenschlag läutete im wahrsten Sinne des Wortes den Auftritt der zweiten Band des Abends ein. Das waren Evil Invaders, mal wieder. Bei ihren häufigen Performances war noch keine mittelmäßige oder gar durchwachsene dabei, denn sie agierten bislang immer auf höchstem Niveau. Diesmal gingen sie mit neuem Bassisten an den Start, der auch auf dem neuen Album "Pulse Of Pleasure" zu hören ist. Max Mayhem heißt der Mann, und der war auch gleich der Aktivposten der Belgier, die ohnehin schon nicht gerade als statisch und steif bekannt sind. Denn Speed All Over war angesagt, und das nicht nur auf die Ohren, sondern auch mit Action und Doppelposings bei reichlich Nebel, der von Windmaschinen verweht wurde. Neben alten Krachern wie das bewährte Exciter Cover "Violence And Force" gabs mit "Stairway To Insanity" auch gleich einen Song vom neuen Album vorne weg, während ihr Anthem "Evil Invaders" ihren Auftritt nach über einer halben Stunde beendete. Evil Invaders sind live auch weiterhin eine Macht und halten mit Ranger die Speed Metal Flagge hoch!
Nach diesen zackigen Speed- und Thrash Performances war es nun an der Zeit für mehr Dunkelheit. Attic sind bekannt dafür allerhand Requisiten aufzubauen, und das taten sie auch diesmal, und zwar mit mehr Gedöns als sonst. Heaven And Hell hatten einen Gartenzaun auf der Bühne, und Attic bringen nun Treppengeländer. Nicht ganz unpassend, wenn man als Bandnamen einen Hausteil trägt, und man musste zugeben, dass alles vom Kerzenständer bis zum Altar aufgeräumter wirkte. Losgelegt mit "Satans Bride", befestigte Shouter Meister Cagliostro umgedreht ein Kruzifix auf dem Altar, und sagte mit "Sanctimonium" ein neues Stück an. Nach "Join The Coven" schrie Meister Cagliostro "The Invocation" an, während die rituellen Räuchereien vom Altar auf der Bühne inzwischen das gesamte Turock eingenebelt hatten, und auch bei den Fans für Nasenrümpfen sorgten. "Evil Inheritance" und "The Headless Rider" beschlossen einen vierzigminütigen Gig, der schon etwas Abwechslung bot.
Alpha Tiger waren zuletzt 2012 noch sehr stark an der Livefront vertreten. Auf dem German Swordbrothers, dem Rock Hard Festival, oder als Support von W.A.S.P., danach wurde es zunächst etwas ruhiger um die sächsischen Energiebündel. Zum neuen und innovativen Album von Alpha Tiger mag es vielleicht geteilte Meinungen geben, nicht jedoch über ihre Livepräsenz. Wenn die Sachsen loslegen, ist klar Metal angesagt. Shouter Stephan Dietrich, heute sichtlich nervös, ob Alpha Tigers Abschied der alten Zeiten bei allen ankommen würde, bedankte sich nach "Long Way Of Redemption" für einen vollen Club, und das, wo die Band nach seinen Angaben mit dem Sound experimentierte, und dabei bislang wohl nicht nur auf Gegenliebe stieß. Ein Songtitel wie "Revolution In Progress" ist Programm, denn vereinzelt waren schon Synthies aus dem Back zu vernehmen. Mit dem Titelstück des neuen Albums "Identity" wollte man gemäß
Stephan zeigen, worum es jetzt eigentlich geht. Und mit seiner L.A. Guns Kutte, was Jens Peters vom Rock Hard ziemlich cool fand, konnte Stephan doch sehr punkten. Offensichtlich ist ihre Optik nicht mit der Zeit gegangen. Wegen des Zeitmangels an diesem Abend entschuldigte er sich, dass Witches Steel gestrichen werden mussten, und ging in "We Won't Take It Anymore" über. Im Laufe des Gigs hatten die Höhen seiner Stimme zu leiden, die nicht mehr exakt kamen. Dennoch feierten die ersten Reihen jeden Song ab, und riefen in einer sich leerenden Halle nach Zugabe, die auch kam, nämlich ein Medley aus Songs des ersten Albums "Man Or Machine".