Ohne Umschweife und sofort, also komplett ohne Intro oder sonstige Einführungen, starten All Seeing Eyes in ein grandioses Doppelalbum. Gitarre und Keyboards bilden im ausgewogenen Machtverhältnis Fundamente für große Melodiebögen, die grob im progressiven Bereich des Power Metal beheimatet sind. Freunde von punchigem AOR oder melodischem Hardrock werden hier auch fündig. Für Platten dieser Machart greifen die Protagonisten aus Bedfordshire selten auf Piano und orchestrale Arrangements wie im Titelstück zurück, sondern sehen schon zu, dass vorranging nach vorn treibend gerockt wird. Natürlich muss auf so einem Album auch eine Ballade her, hat man sich gedacht. Dazu holte man sich Sängerin Danae Saree für das Duett in "Just A Memory" dazu. Wesentlich stärker sind All Seeing Eyes jedoch, wenn die Gitarren metallisch werden, wie im Uptemporocker "Secrets Beneath The Surface", oder im obergeilen Stampfer "Break The Chains", die im Mix leider beide etwas zu brutal ausgefadet wurden. Sonst beherrscht das Trio auch die hohe Kunst, dass das Riff während eines Solos weiter rockt, was einfach die Gliedmaßen mehr zucken lässt, als bei gezuckerten Keyboardteppichen.

Hinter All Seeing Eyes steht Sänger und Gitarrist Ben Colton von Neverworld, der zusammen mit Basser und Drumprogrammierer Kenny Fraser und Keyboarder James Thuckway dieses Trio bildet. Alle Drei spielten schon mal zusammen in einer Band namens Sentinel. So einige Gastmusiker holte sich das Trio mit ins Boot, von denen der spannendste Beitrag in "The Cube" zu hören ist, nämlich eine Crimson Glory Gitarre, gespielt von Ben Jackson. All Seeing Eyes fahren kräftig auf, mit einem tieferstimmigen Sänger, der wirklich singt und schreit, und nicht trällert, schwuchtelt oder sonst unter abgeklemmten Gliedmaßen in der Hose zu leiden scheint. Sie sind ergreifender als Angra, bodenständiger als Avantasia, rougher als Phenomena und metallischer als Ayreon. Wenn auch die vier  genannten Projekte die bekannteren Songs haben, sind All Seeing Eyes, die sich für dieses Album ziemlich ins Zeug gelegt haben, absolut ernst zu nehmen, und dabei ist es auch völlig egal, wenn dafür am Cover gespart wurde.

Note: 8 von 10 Punkten
Autor: Joxe Schaefer

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