RAGE, CUSTARD, RED GIN

Lünen, Lükaz, 27.12.2014

30 Jahre Rage! Wer hätte das gedacht? Noch weniger hätte man wohl gedacht, dass die Tour nicht sonderlich erfolgreich sein würde. So sollen zum Teil nur 80 zahlende Gäste auf dem einen oder anderen Konzert gewesen sein. Und dann ein einziges Zusatzkonzert, ausgerechnet im kleinen, etwas abgelegenen Lünen? Ob das gut geht? Es ging gut, denn die Show war ausverkauft. Das Jubiläumsjahr ist für Rage also noch einmal versöhnlich ausgegangen.

red ginAls erste Band gingen jedoch zunächst Red Gin aus Leverkusen auf die Bühne. Für sie war es das zweite Konzert im Lükaz, nachdem sie schon einmal Paul Di´Anno hier supportet hatte. Sie spielten eine Mischung aus Hard Rock, Southern Rock und einem Hauch Glam Rock, ohne jedoch dabei peinlich zu wirken. Die Riffs kamen schön knackig daher, die Band poste recht ordentlich und auch die Stimme von Frontröhre Sandra verlieh dem Ganzen ihre Rotzigkeit. Dass heute jemand am Bass aushalf, der sonst nicht dabei ist, fiel gar nicht auf. Red Gin hatten richtig Spaß auf der Bühne und konnten das auch gut auf das anwesende Publikum übertragen. Guter Gig!

 

custardCustard gibt es schon ewig, seit 1987, um genau zu sein. Und ich habe sie schon mehrfach in verschiedenen Besetzungen live gesehen. Aber was heute abging, war schon gewaltig. Auch wenn sie genau wie Headliner Rage aus Herne kommen, hatte man den Eindruck, sie hätten hier ein Heimspiel. Die Halle war brechend voll und das Publikum brüllte alle Texte lauthals mit. Vor allem die letzten beiden Songs wurden mit ihren Singsang-Mittelparts derart in die Länge gezogen, dass man den Eindruck hatte, sie würden das halbe Set einnehmen. Aber das machte nichts, denn sie wurden von der Meute richtig abgefeiert! Einziger Kritikpunkt ist, dass sie dadurch keine Zeit mehr hatten, einen letzten Song zu spielen, den sie noch angesagt hatten. Aber auch das war eigentlich egal, denn als beim letzten Song „I Know You“ einige namentlich erwähnte Personen aufgefordert wurden, mit auf die Bühne zu kommen, gab es hier kein Halten mehr. Die Bühne war überfüllt von headbangenden Leuten, die richtig viel Spaß hatten. Custard veranstalteten eine riesen Party. Genau wie zuvor bei Red Gin, haben auch Custard einen Aushilfsmusiker dabei gehabt, der Gitarristin Anna Olejnieczack gebührend ersetzte. Das hat mal richtig Bock gemacht!

 

rageDann betraten um 22.15 Uhr Rage die Bühne und gaben zwei Stunden lang Vollgas. Von der Urbesetzung ist natürlich nur noch Bassist und Sänger Peter „Peavy“ Wagner übrig, aber auch Gitarrist Victor Smolski, der seit 1999 dabei ist, ist bei Rage nicht mehr weg zu denken. Ich hatte ja geglaubt, dass sie für eine 30-Jahre-Jubiläumsshow etwas mehr im Archiv wühlen würden, aber das überlässt Peavy anscheinend Refuge, die er mit den Ex-Ragern Manni Schmidt und Chris Efthimiadis kürzlich ins Leben gerufen hat. Es gab nur wenige alte Songs. Hauptsächlich hat man sich auf die Smolski-Ära fokussiert. Sie begannen, wie eigentlich immer, mit „Carved In Stone“, gefolgt vom „Black In Mind“-Klassiker „Sent By The Devil“; übrigens mein Lieblingsalbum von Rage. Danach gab es den „Soundchaser“-Doppelschlag „War Of Worlds“ und „Great Old Ones“, bevor es mit „Enough Is Enough“ und dem sehr selten gespielten „The Missing Link“ auch mal zwei ältere Nummern gab. Bei „Down“ ging Schlagzeuger André Hilgers bei seinem alltäglichen Sport ein Crashbecken flöten und machte dem Songtitel alle Ehre. Nach dem etwas an Dream Theater erinnernden, progressiven Instrumental „Unity“, gab es mit „Don´t Fear The Winter“ dann den ältesten Song des Abends. „Invisible Horizons“, das Gitarrensolo und „Cleansed By Fire“ wurden gestrichen. Es folgten „Drop Dead!“, das orchestrale „Empty Hollow“, „Refuge“ vom „The Missing Link“-Album und die Mitsing-Hymne „Higher Than The Sky“, bei der das Lükaz tobte. Der Mitsingpart wurde endlos in die Länge gezogen. Peavy kündigte an, dass die Band das Publikum dabei verwirren wollte und sie spielten „Another Brick In The Wall“, „Eye Of The Tiger" und "Holy Diver“ drüber, während das Publikum weiter den Refrain von „Higher Than The Sky“ sang. Genial! Apropos Coversongs: Hier haben Rage noch einige Tracks vor der ersten Zugabe angespielt: zunächst nur die Anfänge von "Princess Of The Dawn", „Walk“, „Run To The Hills",  „Painkiller“ und "We´re Not Gonna Take It", danach immerhin eine Strophe und einen Refrain von „Highway To Hell“. Ja, Rage hatten richtig Spaß! Peavy fragte Victor sogar, warum sie noch nie zuvor im Lükaz gespielt haben, weil die Stimmung echt Bombe war! Sogar eine kleine Gruppe Holländer haben sich nach Lünen verirrt, um Rage zu huldigen. Danach gab es noch „Set The World On Fire“, das nicht auf der Setlist stehende „Black In Mind“ und „Soundchaser“ als Raushauer. Nach geschlagenen zwei Stunden war dann Schluss. André Hilgers stellte sich mal wieder ganz prollig auf seine Bassdrums und stützte seine Arme auf seinem Drumrack ab, während ich Victor Smolski mit seinem Sologefrickel diesmal nicht so prollig fand. Rage haben an diesem Abend aber auf jeden Fall eindrucksvoll bewiesen, dass sie auch nach der Jahrtausendwende tolle Alben gemacht haben. Und es ist mal wieder aufgefallen, dass Rage für eine Power Metal-Band, noch dazu nur zu dritt, echt ganz schön viel Krach machen!

Setlist Rage:
Carved In Stone
Sent By The Devil
War Of Worlds
Great Old Ones
Enogh Is Enough
The Missing Link
Down
Unity
Don´t Fear The Winter
Drop Dead
Empty Hollow
Refuge
Higher Than The Sky
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Set This World On Fire
Black In Mind
Soundchaser



Autor: Daniel Müller - Pics: Joxe Schaefer