MY OWN GHOST - LIFE ON STANDBY

Label: | SECRET ENTERTAINMENT |
Jahr: | 2017 |
Running Time: | 37:46 |
Kategorie: |
Neuerscheinung |
Luxemburg war musikalisch für mich bisher ein weißer Fleck auf der Landkarte. Doch das hat sich in den letzten Tagen geändert. Gleich von zwei Bands aus dem Großherzogtum sind Info-Materialien auf meinem Schreibtisch gelandet. Und von My Own Ghost erscheint im April bei dem kleinen finnischen Label Secret Entertainment das zweite Studio-Album “Life On Standby”. Gegründet wurde das Quintett im Jahre 2013. Ein Jahr später erschien das Debütwerk “Love Kills”, ebenfalls beim gleichen Label. Neben Konzerten in Luxemburg und Großbritannien supporteten sie Delain und die japanischen Heavy Metal Pioniere Loudness. Das machte mich natürlich neugierig auf “Life On Standby”. Der Titelsong erzählt die Geschichte von Menschen, an denen das Leben einfach nur vorbeizieht. Sie können das Leben nicht in vollen Zügen genießen.
Das dazu gedrehte Video zeigt in teilweise verstörenden Bildern einen Mann, dem seine Frau gestorben ist und der nun jede Beziehung zur Realität verloren hat. Passend dazu startet der Song mit dissonanten Industrial-Klängen. Die Gitarren-Riffs stürzen sich düster auf den Zuhörer. Dagegen ist “Everytime I Break” musikalisch schon wesentlich positiver ausgerichtet. Hier wird gnadenlos vorwärts gerockt. Aber auch die Pop-Schlagseite ist stark ausgeprägt (“Alive”, “10 Weeks Of Summer”). Bei einigen Tracks klingt das Quintett verdammt nach den deutschen Senkrechtstartern Beyond The Black. Aber die Tunes und vor allem der Gesang von Julie Rodesch sind wesentlich facettenreicher.
Zu Beginn und zum Ende von “No Air” gibt es eine gespenstisch klingende Version des Traditionals “What Shall We Do With A Drunken Sailor”, dazwischen ist jedoch Rock/Pop vom Feinsten zu hören. Hervorragende Gitarrenarbeit unterlegt von Streichern liefern den Rahmen für Julie´s einzigartige, kraftvolle aber zugleich auch warm klingende Stimme. Bei “When Love Is Not Enough” knallen noch mal die Riffs aus den Kopfhörern – ein Beitrag zum Mittanzen und Headbangen. Mit “Hope” klingt das Album dann balladesk aus. Von Synthesizern unterlegt klingt die Stimme von Julie teilweise zerbrechlich. Ich habe My Own Ghost vorhin mit Beyond The Black verglichen. Eigentlich tue ich den Luxemburgern damit unrecht. Die Songs sind wesentlich abwechslungsreicher.
Und mit Julie Rodesch haben sie eine herausragende Sängerin, deren Voice sich wohltuend vom Mainstream abhebt. Meistens singt sie in mittlerer Stimmlage, hat aber keine Probleme, sich in die höchsten Tonhöhen zu bewegen. Stilsicher bewegen sich die Musiker auf dem schmalen Grat zwischen Anspruch und Kitsch. Ich kenne eigentlich nur eine Band, der diese Gratwanderung auf ähnlich hohem Niveau gelingt, Amaranthe aus Schweden. Hier haben Produzent Hiili Hiilesma (HIM, Apoclayptica, Amorphis) und Svante Forsbäck (Rammstein, Sunrise Avenue, Bullet For My Valentine) beim Mastern ganze Arbeit geleistet. Herausgekommen ist ein überdurchschnittlich gutes Rock-Album, das den Hörer über die gesamte Spielzeit fesselt.
Note: 8 von 10 Punkten
Autor: Rainer Kerber