SCORPIONS - ROCK BELIEVER


Label:UNIVERSAL / VERTIGO
Jahr:2022
Running Time:44:36
Kategorie: Neuerscheinung
 

Mit neuen Alben meiner ewigen Top Drei habe ich es nicht einfach: Motörhead gibt es nicht mehr, Kiss gibt es noch, sie wollen aber kein Album mehr machen. Bleiben noch die Scorpions, die es fünfzig Jahre nach ihrem Debüt „Lonesome Crow“ aus dem Jahr 1972 noch einmal wissen wollen. Im Vorfeld ließen sie bereits verlauten, dass sie sich an der Scorpions-DNA der Siebziger und Achtziger orientieren und es noch einmal ordentlich krachen lassen wollen. Eines vorweg: Dies klappt hier nur bedingt. Zwar sind die Steilvorlagen durchaus erkennbar: „Knock ´Em Dead“ erinnert stark an „Don´t Believe Her“ (1990), das etwas Reggae-mäßige „Shining Of Your Soul“ an „Is There Anybody There?“ (1979), das auf einer simplen Basslinie pumpende „Seventh Sun“ etwas an „China White“ (1982). Auch die Tatsache, dass sich die einzige (und gänzlich unkitschige!) Ballade „When You Know (Where You Come From)“ am Ende des Albums befindet, geht von der Struktur her in Richtung „Blackout“-Album, auch wenn diese Steilvorlagen hier alle nicht qualitativ erreicht werden. Dennoch möchte ich hier nicht alles schlecht reden, denn das gesamte Album hält ein gewisses Level und funktioniert gut am Stück ohne Lückenfüller.

Der Opener „Gas In The Tank“, das treibende „Roots In My Boots“ oder die Vorab-Single „Peacemaker“ treten ordentlich Arsch. Und ein paar Überraschungen gibt es auch: So gibt es zu Beginn von „Roots In My Boots“ eine Snare-Figur, die den Scorpions fast einen Hauch Progressivität verleiht, „When I Lay My Bones To Rest“ hat ein fast schon punkiges Motörhead-Flair, und die „Huhu“-Backings am Schluss von „Call Of The Wild“ erinnern vermutlich nicht zufällig an „Sympathy For The Devil“ von den Rolling Stones. So gut das Album für ein Radio-Rock-Album auch durchläuft: So richtig hängen bleiben tut es nicht. Es fehlen einfach die hymnischen Stadion-Mitgröler von damals. Die Refrains nehmen häufig den aufgebauten Druck wieder raus. Der einzige Refrain, der sich wirklich im Gehirn festfrisst, ist der des Titeltracks. Da ist der Text allerdings schon sehr plump („Schrei für mich Schreihals. Ich bin ein Rock-Gläubiger, so wie  Du!“ Natürlich waren die Scorpions noch nie für lyrische Ergüsse bekannt, aber was soll das eigentlich heißen?). Und Neuzugang Mikkey Dee (ex-Motörhead, ex-King Diamond, ex-Dom Dokken) trommelt meist simpel, songorientiert und für seine Verhältnisse unauffällig.

Positiv erwähnen muss man dagegen besonders zwei Dinge: Der immer frisch und unverbraucht klingende Gesang von Klaus Meine kommt stets mit kraftvoller Kopfstimme. Die dreiundsiebzig Jahre hört man ihm zu keinem Zeitpunkt an. Der andere positive Aspekt ist die tolle Produktion. Das Album klingt sauber und druckvoll, die Gitarren braten ordentlich, klingen dabei aber erdig und haben eine gewisse Rotzigkeit, die erschreckend gut zum Gesamtbild der ansonsten immer glattpoliert klingenden Band passt. Der Erstauflage liegt noch eine neunzehnminütige Fünf-Track-Bonus-CD bei, deren Songs nahtlos an die erste CD anknüpfen und nicht nur wie lückenfüllende B-Seiten klingen. Neben drei treibenden Songs und einem Midtempo-Rocker, befindet sich am Schluss die Abschluss-Ballade der ersten CD, „When You Know (Where You Come From)“, als schöne Akustik-Version. Was bleibt also unterm Strich zu sagen? Die Scorpions legen ein gutes, solides und Spaß machendes Werk ab, das einen schönen Abschluss ihrer Diskographie darstellen würde. Es ist ein bisschen wie 2010 bei „Sting In The Tail“: Zu meckern gibt es zwar nicht allzu viel, zu einem unsterblichen Klassiker wird „Rock Believer" jedoch nicht avancieren.

     

Note: 7.5 von 10 Punkten
Autor: Daniel Müller


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