CREMATORY - UNBROKEN


Label:NAPALM
Jahr:2020
Running Time:67:08
Kategorie: Neuerscheinung
 

Ich werde von meinen True Metal-Freunden immer dafür belächelt, dass ich bekennender Crematory-Fan bin und sogar den Großteil ihrer Alben nach der Jahrtausendwende geil finde. Nach ihren Aussagen zum letzten Album „Oblivion“ vor zwei Jahren („Kauft unsere verfickten CDs, ihr Penner! Sonst lösen wir uns noch auf!“ Ihr erinnert euch sicher!) haben sich die Gothic Metal-Urgesteine jedenfalls viele Feinde gemacht. In den Punkt habe ich Crematory aber sogar Recht gegeben! Die Fans sollen die CDs und LPs kaufen, wenn sie eine Band mögen. Als Band und Fan sollte man einen richtigen Tonträger in der Sammlung stehen haben. Für tausend Klicks bei Spotify bekommt eine Band nämlich gerademal einen bekackten Cent! Davon kann natürlich keine Band leben! Von überzogener Vermarktung allerdings auch nicht! Dem 2018 erschienenen Album „Oblivion“ lag ein Zehn-Euro-Gutschein für den Band-Shop vor. An sich eine sympathische Idee, aber nicht, wenn der Mindestbestellwert fünfzig Euro beträgt und alle ihre Alben, ohne Ausnahme, dort fünfzehn Euro kosten (auch die alten)! Auch die Tatsache, dass man für die aktuelle Tour ein V.I.P.-Ticket für neunundneunzig Euro kaufen kann, um die Band vorher zu treffen, aber trotzdem schon ein normales Ticket für dreißig Euro haben muss, ist meine persönliche Kritik an ihrer Geschäftsführung, denn bis jetzt konnte ich Crematory vor jedem ihrer Konzerte problemlos im Foyer der Locations treffen und mit ihnen Bier trinken und Fotos machen, ohne etwas dafür zu bezahlen!

Crematory sind für ihr hohes Selbstbewusstsein und ihr prolliges Auftreten bekannt und für mich dadurch eine Art „Manowar des Gothic Metal“ geworden. Das macht so lange nichts, wie die Band auch ordentlich liefert. Und das ist genau der Knackpunkt! Wir sind nun beim aktuellen Longplayer „Unbroken“ angekommen, dem nunmehr fünfzehnten Album der Band. In schön regelmäßigen Abständen veröffentlichen sie – trotz Besetzungswechseln – alle zwei Jahre ein neues Album. Der Fleiß ist an sich löblich, aber auch hier sollte endlich wieder die Devise „Klasse statt Masse“ eintreten! Denn seit dem viel zu EBM-lastigen „Antiserum“ (2014) und dem daraus resultierenden Abgang des langjährigen Gitarristen und Clean-Sängers Matze werde ich mit der Band nicht mehr so richtig warm. Er wurde gleich von zwei Gitarristen ersetzt, und „Zwei Gitarristen bedeuten mehr Metal!“, war die Aussage der Band. Ich habe aber das Gefühl, dass Crematory in der Gothic-Szene mittlerweile viel beliebter sind als im Metal-Bereich. Anders ist die musikalische Weiterentwicklung eigentlich nicht zu erklären. Es gibt groovige, moderne Songs im Rammstein-Gewand, viele EBM-mäßige, aber auch verträumte und kitschige Keyboards, ein paar elektronische Effekte und eine viel zu glatte Produktion. Das Schlagzeug klingt künstlich und steril und über weite Strecken programmiert. Der Growlgesang von Felix Stass klingt mittlerweile gequält und längst nicht mehr so kraftvoll wie früher. Der cleane Gesang von Neuzugang Conny Andreszka, der in allen bisherigen Reviews sehr gut wegkam, zündet bei mir persönlich überhaupt nicht, nervt auf Dauer und kommt niemals an seine beiden Vorgänger Matze und Tosse heran.

Auch das stümperhafte Englisch fällt sofort negativ ins Gewicht („All our dreams becomes reality“ im Opener „Unbroken“ oder auch „Recognize sign of the times – awaits me“ in „Awaits Me“; Das hätte jeder Fünftklässler besser hinbekommen. Unfassbar, dass ihnen nach fast dreißig Jahren immer noch passiert!). Aber das Album hat auch ein paar positive Aspekte. Den Höhepunkt bildet das pumpende „A Piece Of Time", bei dem die Growls geil rüber kommen und wo es - neben „Abduction", das mit seinem flotten, tanzbaren Rhythmus ebenfalls sehr gut gefällt - gar keinen cleanen Gesang gibt. Dieser Song hätte tatsächlich noch auf einem der ihrer Metal-Alben in den Neunzigern stammen können. Die beiden tanzbaren Nummern „The Kingdom“, „The Downfall“, das pumpende „My Dreams Have Died“ mit tollem Wechselgesang zwischen Clean und Growls und „As Darkness Calls" erinnern aber zum Glück noch an frühe Glanzzeiten. Auch die obligatorische Abschlussballade „Like The Tides" kann überzeugen. Ansonsten versinkt man aber leider in der musikalischen Bedeutungslosigkeit, weil einfach nicht viel hängen bleibt. Die CD ist mit fünfzehn Tracks viel zu überladen. Da nützt auch die Box, die es exklusiv bei Napalm Records und bei EMP gibt, mit der Bonus-CD nichts, die unter anderem den Titelsong „Unbroken“ mit Equilibrium-Gastsänger Robse und die schöne White Lion-Ballade „When The Children Cry“, einen Ring und einen Aufnäher enthält. Auch verstehe ich das Hervorheben des Ehepaars Jüllich nicht so ganz. So sollen Schlagzeuger Markus die letzten beiden Alben „Monument“ (2016) und „Oblivion“ (2018) und seine Frau, Keyboarderin Katrin, auf „Unbroken“ Musik und Texte im Alleingang geschrieben haben. Na ja… Crematory liegen Anno 2020 leider völlig unter ihren Erwartungen und polarisieren auch weiterhin. Ich bin als Fan der Post-Millennium-Ära jedenfalls enttäuscht von dem neuen Album. Viele Metalheads werden das sicherlich auch so sehen…

Note: 6.5 von 10 Punkten
Autor: Daniel Müller


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