Nach dem Review zum neuen Album von Van Canto war ich gespannt, wie Inga, Philip (Sly) und Kollegen diese Scheibe, erstmalig ohne jegliche Coverversionen und als eine Art vertontes Musical konzipiert, live rüber bringen. Offensichtlich dachten viele so, denn die kleinere Turbinenhalle ist heute wirklich proppevoll. Das mag auch sicher an den beiden Supports liegen. Mit den Grailknights aus Hannover und den super sympathischen Jungs von Freedom Call konnte man gleich zwei Acts gewinnen, die mit Sicherheit richtig gute Anheizer abgegeben.
Den Start machen heute die Gralsritter, sprich Grailknights. Wer wie ich den Fünfer bislang noch nicht kannte, dem sei gesagt, dass die Konzerte einen stark theatralisch geprägten Stil leben, in dem es darum geht, den Gral von dem bösen Dr. Skull zu erobern und dies mit Hilfe des Publikums, dem Battlechoir. Die Protagonisten treten dabei als Superhelden verkleidet in für die einzelnen Mitglieder farbtypischen Flatterkostümen auf, was in Verbindung mit der Bierstute "Zapf Beauty" für eine höchst belustigte Stimmung sorgt. Unabhängig davon liefern die Jungs richtig klasse ab, die stilistisch klar dem melodischen Powermetal zuzuordnen sind, wenn auch mit ein paar thrashigen Zügen. Ob Sovereign Storm und Earl Quake an den Gitarren, Count Cranium am Bass oder dem Übersupermann Sir Optimus Prime am Mikro, allesamt Poser vor dem Herrn. Zwar weiß man bei Songs wie dem Opener "Dead Or Alive" von der aktuellen EP oder dem metallischen "Morning Dew" oder auch höchst plakativen Titeln wie "Nameless Grave" oder "Rise Of The Black Night" nicht so wirklich, ob man eher bangen, die Fäuste in die Luft schwingen oder doch eher lachen / schmunzeln soll. Aber was solls. Spaß macht es allemal und das ist ja das Wichtigste oder wie soll man sonst einen Titel namens "Superhero Medley" verstehen? Bei "Grailquest Gladiators" gelangt der Gral unter viel Beifall und Getöse natürlich zu den rechtmäßigen Rittern zurück.
Freedom Call aus Nürnberg sind wahre Sympathieträger, gehören mit zehn Veröffentlichungen seit 1999 zu der recht fleißigen Gattung ihrer Art und haben mit ihren hymnischen und sehr keyboardlastigen Songs im Party Power Metal einen beim Publikum höchst ankommenden Stil gefunden. Kurz vor der Show treffe ich noch den Basser Ilker Ersin, der mir bei einem Bier mal eben die heutige Setlist niederschreibt und sie dann auch noch mit einem Lachen signierte mit dem Hinweis "guter Trick". Eigentlich ist es schnurzpieps, was die Jungs da auf der Bühne abzocken. Die Mannen um Fronter und Shouter Chris Bay sind eigentlich immer geil, weil sie einfach die perfekte Liveband voller Energie abgeben und echte Stimmungsmacher sind. Egal ob der Opener "Union Of The Strong", der hymnische Bandsong "Freedom Call", das tragende "Farewell", das mehr rockig-knackige "Power & Glory oder das riffige "Warriors" mit geilem Chorus, alles tolle Nummern und super performt mit einem Chris Bay in absoluter Partystimmung. Richtig viele Fans machen auch ordentlich mit, wenn auch noch nicht alle. Offensichtlich hat sich ein Großteil des Publikums bei den vorherigen Grailknights schon völlig verausgabt. Es mag auch sein, dass die Klientel weniger metallisch daher kommt als zunächst gedacht und doch eher in die Kategorie Weichspüler oder eher normale Mucke gehört, die Van Canto ja auch bedienen. Chris meint vor "Warriors" dazu nur "Wir haben nicht viel Zeit, tut einfach so als wärt ihr richtig gut drauf". Und irgendwie zeigt dieser Spruch dann doch richtig Wirkung, denn beim klasse "Land Of Light" kommt die "Tubse" wieder richtig ans Kochen. Herr Bay konstatiert: "Da sieht man mal, wie das hier richtig abgehen kann, wenn ihr nur wollt". Dem ist aus meiner Sicht dann auch nichts mehr hinzuzufügen.
Folgerichtig zum neuen Output "Voices Of Fire" schreitet bei Van Canto zunächst der Fantasieautor Christoph Hardebusch auf die Bühne, lässt sich linksseitig im Stuhl nieder und liest den Prolog aus "Feuerstimmen". Dann knallt unser singender Fünfer mit "Clashings On Armour Plates", dem ersten Song vom neuen Longplayer, so richtig los. Typischer Symphonic Metal im Stil von beispielsweise Rhapsody wird einem da um die Ohren geblasen und die Halle ist ruckzuck aus dem Häuschen. Genau sechs Songs vom neuen Album, allesamt super melodisch und eingängig, werden hintereinander abgeliefert. Eine tolle Leadstimme von Inga bei "All My Life" und so richtig schön zum Mitsingen und mit ganz viel "Whoohoo" dann "Firevows" (Join The Journey)". Dabei auch "Battleday's Dawn" mit der Vorstellung des Autoren und des brasilianischen Grafikers. Ganz ehrliche Meinung? Ich kenn die Songs bereits vom Review zur neuen Langrille und finde sie live um Längen geiler als die bekannten Coverklamotten, auch wenn das nachfolgende Nightwish-Cover "Wishmaster" und das Manowar-Cover "Kings Of Metal" immer klasse rüber kommen. Ich bin wirklich sprachlos, wie Van Canto nur mit ihren Stimmen solche gewaltigen Soundteppiche durch die Röhren jagen und mit welch unglaublicher Laune und Aktion sie sich heute präsentieren. Dabei ist die in passend tollem Outfit gestylte Sängerin merklich erkältet, räuspert sich allerdings nur mehrmals, trinkt Unmengen an Wasser und schüttelt das nur so von sich ab. Und die Fans machen richtig mit. Da wird jeder Song lauthals mitgegrölt, durchgehend abgeklatscht und einfach abgefeiert. Ganz selten habe ich so eine Stimmung auf einem Konzert erlebt und Bastian am Drumkit ist echt ne Granate. Stefan Schmidt stellt den echten Schotten vor und rein geht es in Van Cantos Mega-Cover "Rebellion (The Clans Are Marching)". Saugeil. Da wird gebangt, getanzt, gemosht, gesungen und gehüpft. Selbst Grave Digger hätten ihre wahre Freude gehabt. Feuerzeuge, oh nee, sorry Displays hoch bei "Last Night Of The Kings". In der Zugabe dann "The Mission / Battery", die Stimmung bombig und zum geilen Abschluss dann Iron Maidens "Fear Of The Dark". Perfekte Performance ohne große Showeffekte, aber echt knallig und absolut überzeugend.