PYOGENESIS, JOHNNY DEATHSHADOW

Dortmund, FZW, 09.01.2016

Dreizehn Jahre nach ihrem weltweit bestverkauften Tonträger "She Makes Me Wish I Had A Gun", veröffentlichte man im Jahre 2015 das grandiose Konzeptalbum "A Century In The Curse Of Time", das ebenso wie die anderen fünf Werke der laut Metal Hammer mit am meisten vermisste Band vollends an mir vorbei schrabbte. Nach einigen Promogigs im verschneiten Zarenland beehren uns die vier Schwaben um Gründer, Fronter und in die Saiten greifenden Sänger Flo V. Schwarz mit vier Klubkonzerten. Mit im Gepäck die Industrial- oder auch Death Rocker Johnny Deathshadow aus Hamburg.

johnny deathshadowSehr pünktlich um 19:30 Uhr betreten mit Johnny Deathshadow vier weißgetünchte und mit schwarzen Augen geschminkte Mannen um Shouter Johnny die Bühne des schon gut gefüllten Clubbereiches des FZW und legen im Intro mit derben Drums mächtig los. Der Rest des Openers ist irgendwo im melodischen Gothic Rock mit teils derberen Parts einzuordnen und dürfte keinem im Saale bekannt sein, so die Jungs nach eigener Aussage heute nur Songs vom kommenden Album "Bleed With Me" auf die Bretter hauen. Auch sonst gibt sich Johnny sehr gesprächig, flirtet was das Zeug hält mit dem Publikum und bedankt sich immer wieder bei Pyogenesis, die er für die absolut Größten des Genres hält. Das etwas ruhigere "Sleeper" ist dann für die Paare zum ganz engen Tanzen. Sehr riffig und mit dunklen Shout gespickt kommt dann das nachfolgende "Shadow" rüber. Irgendwie schräg wie auch das andere Material, aber durchaus groovend. Sehr interessant auch dieser Wechsel aus dunklen Shouts und cleanem, dann recht hellem Gesang. Das überleitende, psychedelisch klingende Keyboard läuft derweil vom Band und lässt auch "Departure" starten. Den Song widmen die Hamburger natürlich dem Headliner. Auch diese Nummer vereint sehr viele Synthesizerlinien. Mal denkt man an Hip Hop, mal an melodischen Post Rock und wenn man sich das Gehopse, ich will nicht sagen legitimierte Chaos auf der Bühne anschaut, an sehr wilden Metal und viel, viel Punk. Auch der Rausschmeißer "Kill The Lights" passt in diese Mischung aus elektronischem Industrial, Metal und Punk. So ganz weiß man nicht, was man von der Combo halten soll. In jedem Fall machen sie Spaß und kommen sehr sympathisch rüber, was auch abschließend gebührend quittiert wird.

 

pyogenesisWer denkt, dass Johnny viel redet, der hat heute nicht Flo auf der Bühne erlebt. Glatte zwei Songs von Pyogenesis werden gestrichen, um im zeitlichen Rahmen zu bleiben und sie so genügend Zeit haben, sich zigfach beim Publikum zu bedanken. Das besteht heute nahezu ausschließlich aus Die-Hard-Fans, woraus der ein oder andere Fan (unter anderem ein siebenjähriges Mädchen mit ihrem Vater) auf die Bühne geholt wird. Es wurde mehrfach zu Moshpits aufgefordert (gleich beim Opener "Steam Paves Its Way [The Machine]"), dem Stagediven richtig viel Raum gegeben (bei "This Won't Last Forever" traut sich gar ein Mädel), auf das Ruhrgebiet geprostet ("Tose Churning Seas") und über die eine oder andere Anekdote aus ihrer ruhmreichen Vergangenheit erzählt (z. B. bei "Fade Away" von 1994, bei "Blue Smiley's Plan" von 1997 mit kurzer Ansprache auf Sodom, etc.). Dabei sollen die langgezogenen Mitmachparts wie bei "Fake It", "Blue Smiley's Plan", mit viel "Hohoho" beim neuen "Flesh And Hair" oder beim poppig-rockigen "Don`t You Say Maybe" nicht vergessen werden, was auch so seine Zeit beansprucht. Pyogenesis liefern heute einen tollen Querschnitt ihrer Schaffensperiode ab. Die Prioritäten liegen natürlich beim aktuellen Album, von dem an sich sechs Stücke geliefert werden sollen, zwei aber der Zeit zum Opfer fallen. Fünf Songs kamen von "Twinaleblood" aus 1995. Der Gothic- / Post Rock macht Spaß, fasziniert, groovt ohne Ende durch und zeigt viele Querverweise, mal in die mehr metallische Schiene mit Einflüssen aus dem Death und hier auch echten Growls, wie beim Opener "Steam Paves It's Way (The Machine)", "Fade Away" und "Through The Flames", aber auch vielen Anteilen aus höchst pyogenesismelodiösem Post und Gothic Rock, wie bei "Silver Experience", "Love Nation Sugarhead". Und sorry, bei "Drive Me Down", dem Rausschmeißer "It's On Me" und, na klar, bei "Don't Say You Maybe"  wird es richtig poppig und kitschig. Muse, The Cure aber auch echte Boygroups aus dem Britpop sind da nicht wirklich weit weg. Herr Schwarz gibt ganz den Beau, wobei nicht vergessen werden darf, dass der Junge auch ein arschgeiler Fronter ist und sich mit Gizz Butt von The Prodigy einen richtig guten Klampfer aus dem Punk- und Thrash-Milieu ins Boot geholt hat.

Setlist: Steam Paves Its Way (The Machine), Twinaleblood, I Don't Know, Those Churning Seas, Fade Away, Through The Flames, Flesh And Hair, Empty Space, Love Nation Sugarhead, Fake It, Blue Smiley's Plan, The Best Is Yet To Come, Undead, Silver Experience, Drive Me Down, This Won't Last Forever, Every Single Day. Zugaben: Don't You Say Maybe, It's On Me.

 



Autor: Andreas Gey - Pics: Andreas Gey