Mein heutiger Besuch in der Matrix kann ganz getrost in die Kategorie Zufall, oder, wie sich im Nachhinein herausstellen sollte, auch als enormes Glück eingestuft werden. Mitte Oktober diesen Jahres sah ich die Coverband Purpendicular in meinem am häufigsten besuchten Liveclub Hypothalamus in Rheine und war von dem genialen Gitarristen Frank Pane schlichtweg begeistert. Die perfekte Symbiose aus Blackmore und Morse, gespickt mit einer Menge Eigenvirtuosität. Weltklasse. Am Merchstand kommen wir dann ins Gespräch und der Junge ist nicht nur supersympathisch sondern zudem noch neues Mitglied von Bonfire. Bonfire? Etwa die aus den 90igern mit Hans Ziller und Claus Lessmann und so Riffgöttern wie Angel Schleifer? Ja genau die. Er erzählte mir vom Ausstieg von Herrn Lessmann und von der Neufirmierung in 2014. Komplettiert wird die Band durch den ehemaligen Accept-Shouter David Reece ("Eat The Heat" von 1989), Gründungsmitglied Hans Ziller an der ersten Gitarre und Ronnie Parkes, der mit David und Claus bereits bei Ez Livin` den Viersaiter bediente. Die Position hinter dem Drumkit wird von dem jungen Tim Breideband bekleidet, der kurz vor Weihnachten als offizielles Mitglied bestätigt wurde, am heutigen Tage jedoch nur ein paar Sessionstunden mit den übrigen Jungs auf dem Buckel hatte.
Um 19:30 Uhr eröffnen The Claymore, benannt nach dem schottischen Langschwert, den heutigen Abend und legen nach einem kurzen Intro dann mit "The Angels Assassination" auch direkt mit ihrem Mix aus melodischen Power Metal und knackigen Speed Metal gleich voll los. "Return To Zero" und das richtig heavy rüberkommende "Ancient Enemy" bringen die gut gefüllte Zeche schnell auf die richtige Betriebstemperatur. Die Band gründete sich 2000 im nahen Castrop Rauxel und hat bislang drei Langrillen auf dem Markt, wobei der letzte Output mit "Damnation Reigns" schon fünf Jahre zurückliegt. Dieser war jedoch so überzeugend, dass sie damals mit W.A.S.P. quer durch Europa tourten. Daraufhin kam es zu mehreren Wechseln am Mikro und 2015 gab es an der Gitarre mit Julian Busacker und an den Vocals mit Pan "The Warlord" Vogiatzis eine grundlegende Neuausrichtung. Und exakt dieser Sänger, der beim Rainbow-Cover "Kill The King" seine gesamten Qualitäten offenbart und wie eine Mischung aus Meat Loaf und gleichsam Rob Halford daherkommt, verleiht der Band ihren eigentlichen Spirit. Wirklich überzeugend kommt auch das sehr schnelle "Voices" daher und, man höre und staune, "The Warlord" hat bei "Behind Enemy Lines" auch richtige Growls drauf.
Auch Distance Call haben ihre Wurzeln um die Ecke. 2009 kommen der Dortmunder Robert Resinek und die Bochumerin Korry Schadwell zusammen, um ihre Definition von Hardrock mit höchst eingängigen Melodien zu zelebrieren. Seitdem gibt es zwei Alben. "Distance Call", von denen es "Ray Of Light", "Set Me On Fire", "Paradise", und das eingängige "Wings Of Love" auf die heutige Setlist schaffen, ist von 2011. Von "Said And Done" aus 2013 stammen der melodische Opener "Ride On", der typische Rocker "Can't Get Enough" und das ruhigere "Delirium". Der mit Abstand beste Song des Abends ist jedoch "Blues", den Sängerin und Gitarrist in trautester Zweisamkeit in mal blauen und mal roten Funzeln zelebrieren und der all das in sich hat, was diese Frau verkörpert, die da äußerlich mit ihren wilden Mähne aber großer Stimme wie ein kleiner Löwe daher kommt.
Die Wurzeln von Bonfire gehen bis in das Jahr 1972 zurück. Damals nannten sie sich noch Cacumen. Mit der Umbenennung debütierten dann die Ingolstädter Bonfire 1986 mit "Don't Touch The Light" und hatten mit "Fireworks" im darauf folgenden Jahr mit allein in Deutschland 300.000 verkauften Einheiten einen Megaseller am Start. Sie tourten damals im Vorprogamm von Judas Priest und begeisterten Metalfans in den größten Arenen dieser Welt. Nach diversen Mitgliederwechseln und einem zwischenzeitlichen Split haute die neu formierte Band um Gründer und Mastermind Hans Ziller im Mai dieses Jahres ihr 15. Album heraus und betitelten dies mit "Glörious". Mit dem treibenden Opener "21 Guns Salute", dem Volldampfrocker "Nothin' At All" dem gleichsam balladesk wie hymnisch angehauchten Titeltrack , dem Clipsong "Remember", dem riffig von Hans Ziller vorgetragenen "Can't Break Away" und dem eher seichten, bluesigen "Shooting Star" schaffen es exakt sechs Songs vom neuen Werk auf die heutige Setlist. Die restlichen Tracks verteilen sich auf Gassenhauer von den Alben "Don't Touch The Light" und natürlich "Fireworks" mit insgesamt fünf Liedern. Und Bonfire 2015 leben von ihren neuen Mannen. Während sich Hans Ziller meist zurückhält und nur dann und wann die Gitarrenhälse mit Frank Pane kreuzt, sind es dieses Tier am Bass, der exzellente zweite Gitarrist und insbesondere David Reece, welcher der alten Band einen ganz neuen Charme und eine Menge Bums verpassen. Bonfire bleiben Bonfire, ganz klar, aber nie zuvor kommt mit Pathos und vor allen Dingen Herzschmerz verkleisterter Melodic Rock so kraftvoll und metallisch und richtig riffig daher. Chapeaux. Und David ist ein Fronter aller erster Güte. Ein klasse Mix aus David Coverdale, Ronnie Atkins, Steven Tyler und ja auch dem viel zu früh verstorbenen Steve Lee der Schweizer Gotthard. Heftig shoutend bei "Ready 4 Reaction" und mit ganz viel Gefühl bei "You Make Me Feel", wo mit Sicherheit die eine oder andere Träne sich zum Schweiße auf dem Fußboden der Matrix hinzufügt. Ob hingegen das Lynyrd Skynyrd Cover "Sweet Home Alabama" den richtigen Rausschmeißer darstellt, kann man bezweifeln. Den klitschnassen Fans ist es egal. Nicht enden wollender Jubel begleitet die Fünf von der Bühne und auch Korry Schadwell, die sich ab etwa Mitte des Sets hinzugesellte, ist schlichtweg begeistert.