Bevor die Gladbecker ihre Achtzigershow abspulen, laden die großen und reichhaltig bestückten Merchstände der Bands ein. Die Hintergrundmusik wird zu Motörhead etwas lauter und geht somit quasi als Intro durch, den Supportgig der nicht überall angekündigten Garagedays aus Österreich einzugeigen. In der glücklicherweise nicht zu vollen Zeche spult der Vierer routiniert sein Programm runter, voll gepackt mit roughem Hardrock, der sich gerne als mitshoutkompatibel zeigt. Man spielt ziemlich groovy und sehr straight mit Vocals einer Brüllstimme von Linksgitarrist Marco, die man irgendwo zwischen Udo Dirkschneider und auch Chris Boltendahl einordnen darf. Songs wie "Never Give Up" kloppen zwar mitten ins Mett und verursachen größere Resonanzen im Publikum, andererseits war das neue Stück "Paradise Lost" vom nächsten Album aber eine Ballade. Doch die Zeche zeigt sich schon in Feierlaune, die sich zum Headliner erst noch mal richtig entladen sollte. "Piece Of Shit" als Rauswerfer ist der Song, in dem sie nach einer langen Rückkopplung plötzlich noch mal alle die Haare fliegen lassen. Das hat zur Folge, dass lautere Rufe nach Zugabe der Band noch einen Track aus dem Kreuz leiern, welcher die Dreiviertelstunde voll macht. Ist das ein passabler Aufwärmer für Grave Digger, Daniel? (Joxe Schaefer).
Auf jeden Fall, Joxe! Ich finde es nur seltsam, dass die Österreicher auf englische Ansagen zurück greifen, was mich doch sehr an das „Ready For Boarding“-Album von Running Wild erinnert hat („Hello Munich...“). Egal! Grave Digger kommen ursprünglich aus Gladbeck, also fast nebenan, von Bochum aus gesehen. Zwar ist von früher nur noch der sympathische Frontmann Chris Boltendahl mit dabei, der heute mit seinem Sohn da ist, aber das macht nichts, denn mit Jens Becker am Bass (seit 1998, ex-Running Wild, ex-X-Wild) und Stefan Arnold (seit 1996, ex-Grinder, ex-Capricorn) ist die Rhythmussektion nun auch schon eine ganze Weile mit an Bord. Dementsprechend eingespielt sind Grave Digger dann auch, die sich heute, zum 35-jährigen Jubiläum der Band, mehr auf ihre frühen Tage der Bandgeschichte konzentrieren. Passend dazu hat Chris Boltendahl heute wieder seine alte Spandexhose ausgegraben, die ihm noch passt, da er in den letzten dreißig Jahren wohl nur 10 Kliogramm zugenommen habet. Passend zu seiner Spandexhose erscheint Gitarrist Axel Ritt, der auch bei Domain spielt, mit Gitarre und Gitarrengurt, die mit Boltendahls Hose zusammen in einem Set gekauft sein könnten. Gut gelaunt, viel, viel Humor und so einigen alten, witzigen Anekdoten aus der Vergangenheit, ballert man sich also anderthalb Stunden lang durchs Set. Den Opener macht das Eröffnungsstück des 1984 erschienen Debüts „Heavy Metal Breakdown“, „Headbanging Man“. Es folgt mit „Witchhunter“ direkt das Titelstück des zweiten Albums von 1985. Mit „Enola Gay (Drop The Bomb)“ folgt dann ein Song des dritten Albums „War Games“, das tatsächlich ein Konzept-Album darstellt, welches „textlich überhaupt nicht lustig“ ist. Aber sie trauen sich bei ihrem Rückblick auch kritischere Phasen. 1986, nach ihrem dritten Album „War Games“, haben sie sich vom Label bequatschen lassen, in den USA kommerziell erfolgreich sein zu wollen, dafür aber den Bandnamen auf Digger kürzen und eine poppigere Platte produzieren zu müssen. Von dem einzigen unter 'Digger' erschienenem Album „Stronger Than Ever“, das im Dezember 1986 veröffentlicht wurde, und dessen Albumtitel heute sehr selbstironisch zu klingen scheint, spielen sie „Stand Up And Rock“ in der Version, „wie Grave Digger es damals sonst gespielt hätten“, also um einiges flotter als das Original, so wie man es auch kürzlich auf „Exhumation (The Early Years)“ verewigt hat, das zum 35-jährigen Jubiläum neu eingespielte Klassiker enthält. „Shoot Her Down“ von der gleichnamigen, 1984 erschienen Single, die wiederum unter Grave Digger erschien, darf natürlich auch in der Retrospektive nicht fehlen. „Here I Stand“, „Paradise“, „Get Away“, „Fire In Your Eyes“ und „Yesterday“ folgen, bevor das obligatorische „Heavy Metal Breakdown“ den regulären Set abschließt. Weiter geht es mit den Neunzigern. Das Intro „Intermission (Tribute To Death)“ läuft vom Band, und es gibt den Titeltrack des 1993er Comeback-
Albums „The Reaper“ auf die Ohren, gefolgt von „Excalibur“ von 1999, dessen Titel in den USA wohl niemand richtig aussprechen kann. Keyboarder Hans Peter Katzenburg wird verabschiedet und Marcus Kniep begrüßt. Beide sind mit Totenschädel-Masken und Kutten eingekleidet und somit für die Zivilbevölkerung unkenntlich gemacht. Weiter geht es mit „Tattooed Rider“ vom 2014er Album „Return Of The Reaper“ und „Highland Farewell“ vom 2010 erschienenen Album „The Clans Will Rise Again“. Zum Abschluss gab es natürlich „Rebellion (The Clans Are Marching“) von „Tunes Of War“, welches 1996 erschien. Tja, was soll ich sagen? Ich bin noch keine vierzig und mit dem ganz alten Grave Digger-Material nicht ganz vertraut. Ich habe sie Mitte der Neunziger mit „The Reaper“ (1993), vor allem aber mit „Heart Of Darkness“ (1995) und natürlich „Tunes Of War“ (1996) kennengelernt und hätte mir davon vielleicht noch etwas mehr gewünscht. Aber wen interessiert´s? Grave Digger haben ihre Fans in 35 Jahren wohl mit keinem einzigen Ton beleidigt (glücklicherweise hatten sie sich auf dem einzigen Album, bei denen man ihnen das vorwerfen könnte, den Bandnamen in Digger gekürzt...), und live waren sie immer schon eine Macht! Nur Hits am Fließband, mit viel Spielfreude und arschtighter Performance, legen sie ein furioses Set hin, und so geht ein tolles Konzertjahr 2015 zu Ende. 2016 bitte mehr davon! (Daniel Müller).