DEEP PURPLE, RIVAL SONS

Hannover, Swiss Life Hall, 18.11.2015

Deep Purple waren mal wieder auf Tour. Das letzte Mal sah ich sie 2012 auf dem Wacken Open Air nur zwei Wochen nach dem Tode ihres langjährigen Keyboarders und Gründungsmitgliedes Jon Lord. Im Jahr darauf promoteten sie ihr letztes Album "Now What?!" mit Peter Frampton im Vorprogramm. Und auch 2014 ließen sie sich in Japan und Amerika auf den großen Bühnen dieser Welt blicken. Und 2015? Wenn man den Badges zu den Fotopässen glauben durfte, so nannte sich diese Tour ganz einfach "Rock 'n' Roll". Und einen passenderen Titel konnte man sich für diese Band auch kaum vorstellen, symbolisierte er doch alles, für was diese Band steht. Stilprägend für nahezu alle nachfolgenden Rock- und Metalbands, das beste Livealbum aller Zeiten ("Made in Japan"), mit "In Rock", "Machine Head" und "Fireball" drei der wichtigsten Alben, mit "Smoke On The Water" der Rocksong schlechthin und mit ihren klassischen Annäherungsversuchen bereits 1969 ("Concerto For Group And Orchestra") auch prägend für den heutigen Symphonic Rock und Metal. Daneben unzählige Mitgliederwechsel, ein fast achtjähriger Split zwischen 1976 und 1984, ein unglaubliches Comeback "Perfect Strangers", dann dem endgültigen Ausstieg von Ritchie Blackmore im November 1993 und letztlich auch das krankheitsbedingte Ende der Zusammenarbeit mit dem gottgleichen Jon Lord im März 2002. Und Deep Purple heute? Das Line Up mit den MK-II-Mitgliedern Ian Gillan, Ian Paice und Roger Glover sowie Steve Morse seit 1994 und eben Don Airey seit eigentlich schon 2001, scheint die stabilste und erfolgversprechendste Kombination aller Zeiten zu sein. Auf ihrer umfassenden Europa Tour gastierten sie sage und schreibe zwölfmal in Deutschland und das mit nur ganzen wenigen "Day Offs", eine nahezu unglaubliche Energieleistung der fünf Herren mit Geburtsjahren zwischen 1945 (Gillan und Glover), 1948 (Paice und Airey) und dem "jungen" Morse mit immerhin auch schon 61 Jahren. Wenige Tage brachten sie zuvor zum Start ihrer Deutschlandgigs die Köpi Arena in Oberhausen zum Wackeln, bei allerdings schlechteren Soundverhältnissen. Mal sehen, ob das in Hannover besser laufen sollte. Ein paar Worte noch zum heutigen Austragungsort, der Swiss Life Hall. Die Halle befindet sich in einem großräumigen Veranstaltungsareal mit der Ihme im Westen und dem Maschsee im Osten und ist über eine Schnellstraße gut erreichbar. Die an sich für Sportveranstaltungen genutzte Halle weist ein Fassungsvermögen von 5500 Zuschauern auf und wird weiterhin durch ausreichend Parkplätze in der Nähe, einen sehr guten Sound und eine relativ flache Bühne mit links- und rechtsseitigen Zuschauertribünen charakterisiert. Der Veranstalter sprach zwischenzeitlich von mehr als 3000 verkauften Karten.

rival sonsMit einer nachvollziehbaren Verspätung von einer halben Stunde, die den ausgiebigeren Kontrollen der Besucher den feigen Terrorakten in Paris geschuldet war, enterten Rival Sons um 20:30 Uhr die Stage. Die kalifornischen Rocker aus Long Beach, die bereits mit Judas Priest tourten und als heißer Kandidat für die kommenden Touren von Black Sabbath gehandelt werden, gründeten sich 2008 und veröffentlichten bereits vier Longplayer, von denen der letzte Output "Great Western Valkyrie" am meisten bei der heutigen Setlist vertreten war. Folgerichtig startete der Fünfer nach einem Intro von Ennio Morricone auch mit dem Opener "Electric Man" vom letzten Opus aus 2014. Und dieser Song beinhaltete bereits alles, was diese Jungs ausmachten. Fetter Blues- und Hard Rock mit Elementen aus klassischem Rock 'n' Roll und dem groovigen Sleaze der 80er, so richtig klasse mit der wieder aufgekommenen Retrowelle mitschwimmend, so dass einem umgehend entsprechende Vertreter wie z. B. The Vintage Caravan in den Sinn kamen. Ein fantastischer Gitarrist (Scott Holiday) und der gleichsam verzehrende Gesang und entsprechende Turnübungen veranstaltende Jay Buchanon mit dem Mikro, wie ich sie letztmalig von Elin Larsson bei Blues Pills sah, boten eine tolle und hinreißende Show, bei jetzt schon supertollem Sound. Beim etwas jazzig angehauchten "Torture" von ihrer selbstbetitelten EP schwappte diese Welle dann endlich auch auf das bereitwillig mitmachende Publikum über. "Where I've Been" war eine klassische Rockhymne mit leicht balladesken Elementen und erinnerte sehr an die 70er. Beim rockigen "Open My Eyes", mit dem mitnehmenden "Somebody" im Chorus, durfte dann wieder ordentlich mitgemacht werden. In den kurzen Soli durfte dabei Scott alles zeigen, was er so drauf hatte. Ein kurzes Drumsolo und als Rausschmeißer dann das fett groovende, leicht jammige "Keep On Swinging" mit hier ganz coolen Vocals. Chapeaux, das war schon mal ein cooler Einstieg. Eine Anekdote am Rande. Nachdem ich den Fotograben verlassen und mich in die Halle begeben hatte, stand da ganz alleine und Don Airey, der offensichtlich von keinem erkannt wurde. Ich sprach ihn an, er hatte auf seiner Solotour im März diesen Jahres etwa 40 Vinylexemplare von mir signiert, was man nun wirklich auch als ein ganz Großer nicht jeden Tag erlebt, und er hatte nur anerkennende Worte für die Kalifornier.

 

Die deep purpleDelay von einer halben Stunde zog sich in etwa durch, so dass genügend Zeit blieb, mal einen intensiveren Blick auf das Publikum zu erhaschen. Beileibe keine Metalmaniacs sondern sehr gemischt mit klaren, quantitativen Vorteilen bei den älteren, will nicht sagen, gesetzteren Herren und Damen. Ich schätzte das Durchschnittsalter auf jenseits der 50. Eine Lady ließ sich dann zu Bemerkungen über meine Hörstöpsel herleiten, in der Form, dass sie selbige nur tragen würde wegen der nächtlichen Nasengeräusche ihres Mannes. Soviel dazu. Hätte sie mal entsprechende Stöpsel getragen, denn bei Deep Purple wurde es richtig laut und zwar wesentlich lauter als noch einige Tage zuvor bei Saxon und Motörhead und das wollte wahrlich was heißen. Mit den ersten Tönen zu Gustav Holsts "Mars, The Bringer Of War" betraten die Rocklegenden um 21:45 Uhr die Bühne und legten gleich voll los mit "Highway Star". Oh Mann und ich als wahrer Fan im Fotograben, unglaublich. Und die Briten zelebrierten eine Show vom Feinsten bei tollem Licht, einem klasse Sound und einer Spielfreude, die Ihresgleichen suchte. Hier standen wahrlich fünf Genies, aber auch fünf Freunde auf der Bühne, mit vollem Respekt ihren jeweiligen Mitstreitern gegenüber, was sich spätestens bei den einzelnen Soli zeigte. Keiner verließ zu diesen Zeitpunkten die Bühne, sondern hielt sich nur respektvoll im Hintergrund mit anerkennenden Blicken auf den jeweiligen Protagonisten. Und diese unglaublich coole, ja gleich hohen Herren geschuldete Aura übertrug sich auch auf das Publikum. Da gab es kein Ausflippen oder Rumgekreische, sondern anerkennenden, langen Applaus, zustimmendes Nicken, vereinzeltes Bangen und eigentlich nur ein Staunen ob dieser Agilität, Power und gewaltigen Durchschlagskraft der dargebotenen Klassiker, von denen das nachfolgende "Bloodsucker" und "Hard Lovin' Man", beide von "In Rock", eher seltener auf den Playlisten der Briten standen.

 

deep purpleNun wandte sich Herr Gillan das erste Mal an das Publikum, entschuldigte sich mit einem Lächeln für das Dargebotene und was folgte war ein "Strange Kind Of Woman" mit finalen Soli von sowohl Steve als auch Ian Paice. Im Hintergrund zeigte die Leinwand einen riesigen Totenkopf, als es mit fetten Tasten von Herrn Airey in "Vincent Price" hineinging, woran sich dann nahtlos ein Instrumental anreihte in dem Steve Morse seine ganze Klasse in die Saiten zimmern durfte und das war so riffig und heavy. "Uncommon Man" vom letzten Opus aus 2013 kam etwas ruhiger daher. Hier zeichneten sich insbesondere Don Airey und Herr Glover am Bass aus. Mit richtig dreckigen Riffs, die ich Steve so nie zugetraut hatte, wurde dann "The Well Dressed Guitar" von "Rapture Of The Deep" zelebriert. Und wieder ein Beispiel für die Verbundenheit der Musiker untereinander. Steve wirkte fast schüchtern, ja wurde fast von Ian Gillan in den Vordergrund gedrängt, der sich dann hinter ihm postierte und das Publikum zum Klatschen aufforderte. Das unglaubliche Solo von Ian Paice, welches exakt von 22:32 bis 22:36 Uhr ging, mit gewaltigsten Anschlägen ohne eines Anzeichnens von Schwäche, ich glaube er schwitzte nicht mal dabei, mein Gott der Kerl ist 67 Jahre alt und gehört seit 50 Jahren zu den Besten seines Faches, leitete dann in "The Mule" über. Wieder mit einem genialen Keyboardintro folgte dann "Lazy" und zwar so geil, dass sich Mr. Gillan nur "speachless" gab, aber natürlich richtig geil in seine Mundharmonika blies. Das war richtiger Blues mit einem so charismatisch daher kommenden Gillan. Ein Roger Glover am hämmernden Bass und ein heute überragender Don Airey prägten dann "Demon's Eye", wieder eher überraschend in die Setlist aufgenommen. Warum eigentlich? Das Ding war schon auf Platte ein wahres Groovemonster. "Hell To Pay" wurde dann in typischer Gillan-Manier dargeboten und baute mit seinen sleaszy, leicht jazzigen Komponenten eine Brücke zu seinen Soloscheiben wie "Naked Thunder" aus 1990 oder "Toolbox" aus 1991. Nun kam der große Auftritt von Don Airey. Er starte zunächst mit sanften Klaviertastaturen (Mozart, oder doch eher aus den Brandenburgischen Konzerten?), es folgte Beethovens Neunte und dann, na klar, die Marseillaise. Danach ein Grollen, Rotoren von Hubschraubern, Glocken, Donner und dann der beste Song der reunierten Mark II und seitdem fester Bestandteil jedes Deep Purple Konzertes. "Perfect Strangers", in seiner Klasse und ständigen Wiederholung eigentlich nur vergleichbar mit "Fear Of The Dark" von Iron Maiden, für mich persönlich noch viel wichtiger als "Smoke On The Water", da das meine Zeit war. Nacheinander reihten sich dann noch das ewig junge "Space Truckin`" und na klar "...Smoke On The Water, A Fire In The Sky..." an. Im Encore dann eine kurze, instrumentale Fassung von "Gimme Some Lovin'", gefolgt von ihrem allerersten Hit, dem Joe South Cover "Hush", welches 1968 auf "Shades Of Deep Purple" veröffentlicht wurde und, richtig, ein Solo, nämlich das von Roger Glover fehlte noch und der coolste Bandana-Träger aller Zeiten tat wie ihm geheißen und auch er bewies absolute Klasse. Die 1970 veröffentlichte Single, die im Zuge der "25th Anniversary Edition" dann 1995 auf "Deep Purple In Rock" erschien und zuvor nur auf ihrem Livealbum "Made In Japan" veröffentlicht wurde, entließ dann ein hoch zufriedenes Publikum in die "Black Night". Die letzten Töne meiner Rockgötter und das nicht enden wollende Klatschen bekam ich jedoch nur noch im Laufen mit, so ich die Halle, wegen meiner nun mehr als 2,5-stündigen Heimfahrt vor dem großem Finale verlassen musste. See you "In Rock".



Autor: Andreas Gey - Pics: Andreas Gey