AVATARIUM, THE VINTAGE CARAVAN, HONEYMOON DISEASE

Essen, Turock, 20.11.2015

Nach endlosen zwei Stunden Stauhopping über schlappe 90 Kilometer von Köln bis Essen, schafften wir es dann noch rechtzeitig zum vereinbarten Zeit vor Ort zu sein. Es gab die ehrenvolle Aufgabe, vor der Show ein Interview mit Jennie-Ann Smith von Avatarium zu führen. Nun hatten die Musiker ähnlichen Staustress vom Weg aus Hamburg nach Essen hinter sich und waren dementsprechend noch etwas geschafft.

honeymoon diseaseDadurch ergab sich ein wenig Verzögerung, so dass wir von dem Set der ersten Supportband Honeymoon Disease nur noch die letzten 20 Minuten mitbekommen haben. Die relativ junge Band, bestehend aus zwei schwerstens tätowierten Mädels Jenna & Anna (Gitarren & Gesang) und die beiden Herren Jimi & Nick (Bass & Drums), legten einen ordentlichen Set ihrer stark 70ziger orientierten Songs hin (im Backstage sangen sie sich mit Sister Sledge Songs warm). Am Merch gab es ihr aktuelles Album „The Transcendence“ (von dem sie bis auf einen Song auch alle Stücke spielten) als Vinylscheibe und CD zu erwerben. Im krassen Gegensatz zu ihrem leicht ekligen Bandnamen (wer genaueres wissen will, soll mal googeln) kamen sie angenehm sympathisch rüber und hatten das Publikum schnell auf ihrer Seite. Lediglich der extrem wabernde Nebel störte ein wenig die Sicht, und man konnte teilweise nichts vom Geschehen auf der Bühne mitverfolgen. Aber diese Nebelwand war wohl der ausdrückliche Wunsch der Band, wie mir ein Crewmitarbeiter verriet.

Setlist: Higher, Bellevue Groove, Stargazer, Rock ’n' Roll Shock, Brand New Ending, Fast Love, Imperial Mind, Keep Me Spinning, Gotta Move

 

the vintage caravanNach kurzem Umbau ging es weiter mit den Teens aus Island, ups Fehler, natürlich ist hier The Vintage Caravan gemeint. Aber die drei Jungs hatten ja bereits im zarten Teenie Alter mit Plattenveröffentlichungen angefangen. Nun ist es ja so, dass viele Bands auf der Retrowelle schwimmen und Songs komponieren, die auch aus der Plattensammlung ihrer Eltern stammen könnten. Insofern hapert es ein wenig am Wiedererkennungswert und die Gefahr, allzu schnell wieder in der Versenkung zu verschwinden, ist groß. Das beeinträchtigte aber in keinem Falle die energiegeladene Live Performance des Trios in der aktuellen Besetzung Óskar Logi Ágústssons (Gitarre & Gesang), Alexander Örn Númason (Bass) und Stefán Ari (Drums). Es wurde gerockt bis der Arzt kam, ebenfalls im Stil der 70ziger und das 45 minütige Set ließ keine Langweile aufkommen. Überhaupt hatte ich den Eindruck, dass nicht wenige Besucher auch oder gerade wegen der Jungs aus Island gekommen waren. Jedenfalls war das Turock sehr gut gefüllt, und die Karavane wurde abgefeiert. Eine Setlist hatten die Jungs übrigens nicht, auf Nachfrage zeigte man sich auf den Kopf mit der Aussage „It’s All In Here“. Leider sind dem Verfasser dieses Berichtes die Titel leider nicht so geläufig, aber geil war es trotzdem, soviel sei gesagt.

 

AVATARIUM index LIVE 2015Nun war es an der Zeit, dass die phantastischen Avatarium auf die Bühne kamen und nach kurzer Umbaupause war es dann endlich soweit. Jennie-Ann Smith und ihre Jungs Marcus Jidell (Guitar), Lars Sköld (Drums), Carl Westholm (Keyboards), Anders Ivers (Bass – sein Bruder Peter spielt übrigens bei In Flames) überzeugten vom ersten Ton an durch wahnsinnige Spielfreude und man sah ihnen an, wieviel Spaß sie auf der Bühne hatten. Im Kopf hatte ich noch den saustarken Auftritt vom diesjährigen Rock Hard Festival, doch dieser wurde heute nochmal um einiges getoppt. Auch wenn zu Beginn Jennies Stimme viel zu leise abgemischt war, und der Gesang des Titeltracks der neuen Scheibe „The Girl With The Raven Mask“ etwas unterging, tat dies der Stimmung keinen Abbruch. Avatarium kam extrem authentisch rüber. Es wirkt weder aufgesetzt noch gekünstelt und man spürte, wie sehr Jenni-Ann sich mit ihren Songs identifizierte. Im Vergleich zu den Songs vom letzten Album, die stellenweise eine starke Black Sabbath Attitüde hatten, aber deswegen natürlich keinen Deut schlechter waren, überzeugten die neuen Songs durch mehr Eigenständigkeit, extrem komplexe Strukturen und walzten dich einfach nieder. Gänsehaut pur, die Augen schließen und genießen. Und so ging dann leider nach ca. 80 Minuten ein hervorragendes Konzert zu Ende.

Setlist: Ghostflight, The Girl With The Raven Mask, Bird Of Prey, January Sky, All I Want, Pearls & Coffins, Master Thief, Run Killer Run, Deep Well, Moonhorse. Zugabe: Avatarium.



Autor: Pistol Schmidt - Pics: Andrea Breitenbach