EUROPE, THE VINTAGE CARAVAN

Oberhausen, Turbinenhalle 2, 29.10.2015

Nach längerer Abstinenz, der letzte Gig von Europe dürfte aus Anlass ihres 30jährigen Bestehens auf dem Sweden Rock stattgefunden haben, zog es die schwedischen Hardrocker mal wieder auf eine ausgedehnte Welttournee. Nach dem im September mit Dänemark, Schweden und Finnland der nordeuropäische Raum beackert wurde, ließ die Band es sich nicht nehmen, auch Deutschland mal wieder einen Besuch abzustatten. Nach Frankfurt, München, Hamburg und nachfolgend Stuttgart und Berlin gastierten sie so Ende Oktober in der Turbinenhalle in Oberhausen, die ähnlich wie zwei Tage zuvor bei Epica & Eluveitie, nur etwa zur Hälfte, sprich mit 700 bis 800 zahlenden Gästen gefüllt war. Das mag teils auch an den etwas happigen Eintrittspreisen von über 40 € gelegen haben, die sich heute allerdings wirklich gelohnt hätten.

the vintage caravanDas Konzert sollte um 20:00 Uhr beginnen. Nachdem ich ankam und auf der Bühne das Eisbären-Banner von The Vintage Caravan erblickte, die heute Abend die Ehre hatten, den Publikum vor dem übergroßen Headliner mal so ordentlich in den Allerwertesten zu treten, war ich freudigst überrascht. Einerseits deswegen, weil ich damit, in Ermangelung einer ausführlicheren Bekanntmachung das einerseits tatsächlich nicht wusste und gleichermaßen echt geflasht, so die Isländer für mich die Entdeckung des Jahres darstellten. Das Trio aus namentlich Oskar Logi Agustsson (Gitarre, Vocals), Alexander Örn Numason (Bass) und Stefan Ari (Drums) debütierte 2011 mit ihrem selbstbetitelten Album, aber erst, als Nuclear Blast ihr zweites Werk "Voyage" 2014 wiederveröffentlichte und in 2015 "Arrival" nachgeschoben wurde, setzte der Siegeszug der Retrorocker richtig ein und zog seitdem Herrscharen von Altrockern in ihren Bann. Stilistisch kann man die Jungs als wahrlich perfekt gelungenen Mix aus Psychedelic-, Blues-, Classic-, Progressive- ja und natürlich Hardrock einstufen. Ich sah die Jungs heute zum ersten Mal und erwartete eher eine im Doom angelegte, zurückhaltende Performance. Doch weit gefehlt. Bereits mit dem Opener "Craving", hier getaucht in wechselnd gelbes / rotes Licht, rockten die Drei los, als gäbe es kein Morgen mehr. Während der Sänger, links stehend, sich anfangs noch eher etwas zurück hielt, bangte der Basser schon voll los, so dass sein Gesicht durch die dicke, ja urwüchsige Mähne nur selten zu erkennen war und mittendrin der seine Felle malträtierende Drummer. Und der Funke sprang direkt über. Von Anfang an wurden die Isländer richtig fett abgeklatscht. Nach "Winterland" folgte das starke, mega groovende "Babylon" vom diesjährigen Output und direkt danach mit "Let Me Be" wieder ein Track vom Voyage-Album. Dass die Isländer auch richtig Gefühl für Melodien hatten, bewiesen sie mit dem in tiefen rot getauchten "Innerverse", das mich umgehend wieder an diesen Megahit von Barclay James Harvest erinnerte. Unmittelbar danach schloss sich mit "Last Day Of Light", gleichsam der Opener von "Arrival", der nächste Überrocker an und endlich ließ nun auch mal der Gitarrist seine glatten, langen Haare durch die Gegend fliegen, scheinbar von den ersten Publikumsreihen so richtig angefixt. Ein Drumsolo, heute etwas länger zelebriert und der "Neue" dabei in gelbe Spots getaucht, bildete den Übergang zum Song "Expand Your Mind", der leider auch dem Rausschmiss gleichkam, auch wenn die nassgeschwitzten Die-Hard-Fans nach 35 Minuten noch lautstarke Zugaben forderten. The Vintage Caravan waren im tollen Sound musikalisch brillant und auf der Bühne ein Hochgenuss.

 

europeMit dem Opener ihres zehnten Studioalbums "War Of Kings" und im Background ihres riesigen Banners vom aktuellen Cover eröffneten Europe im satten Bühnenlicht eine rundum gelungene, klasse Show und standen im 84er Line up on Stage, als wären sie nie weg gewesen. Mit der Gewissheit mit ihrem aktuellen Output, wieder einen wesentlich härteren und mehr klassisch orientierteren Weg eingeschlagen und damit die Seichtheit und Schwammigkeit der letzten Alben einfach hinfort gespült zu haben, sprühten die Schweden nur so vor Optimismus. Insbesondere Herrn Tempest sah man zu jeder Minute an, dass er wieder richtig Bock hatte. Aber auch der Rest des Quintetts mit einem dauerhaft mit dem Publikum flirtenden John Leven am Bass, dem mit Schlapphut ausstaffierter Mic Michaeli an den Tasten und einem coolen, glatzköpfigen Ian Haughland hinter einem großen Drumkit sah man die Spielfreude richtig an. Und auf der rechten Seite stand er, der geniale, irgendwie aber immer in sich gekehrte Gitarrenhexer John Norum. Aber die Show machte er, der Poser, der Bandleader, der Fronter, der damalig blondgeschöpfte Jüngling, der auf der "The Final Countdown Tour" Tausende von Girlies zum Kreischen brachte, indem er einfach nur einen Telefonanruf auf der Bühne annahm. Und damals wie heute stellte Joeys wichtigster Begleiter das Mikro am langen Ständer dar, mit dem er wild durch die Gegend fuchtelte, zu Klimmzügen missbrauchte oder es einfach stellvertretend für jedes weibliche Wesen ansah, dass seinen Annäherungen umgehend unterlag. Nach "Hole In My Pocket" und kurzen Stippvisiten beim zweiten Album "Wings Of Tomorrow" sowie dem vierten Output "Out Of This World" gab es mit "Last Look At Eden" mit tollem Keyboardintro und der Überballade "Carrie" in fettem Rotlicht die ersten wirklichen Highlights. Und wieder folgte Hit an Hit, ehe ein tolles Solo in das einfühlsame "Vasastan" integriert wurde, welches auf Vinyl / CD bislang nur der japanischen Hörerschaft zuteil wurde, und die Riffs dann in europeeinem der besten Songs ever, nämlich "Girl From Libanon" von "Prisoners In Paradise" aus 1991 gipfelten. Nun griff der damalige "Sexiest Man Alive" bei "Ready Or Not" selbst in die Saiten und richtete vor "Nothin` To Ya" noch einige Worte an seine mit ihm allesamt gealterten Fans. Ein kurzes Drumsolo und dreimal "Rock", nämlich "Let The Good Times Rock", natürlich "Rock The Night" mit wieder Joey im Gespräch mit dem Publikum und nochmal der neue Output mit "Days Of Rock ´n` Roll," beendeten dann den offiziellen Teil der Show. Im nicht enden wollenden Geklatsche gingen die wenigen Zugabe-Rufe nahezu unter, wozu auch, jeder wusste was fehlte. Mit ihrem Superhit, den ich persönlich gar nicht mehr brauchte, wurde nochmal alles an Spots, Strahlern und Lights herausgeholt und um knapp 23:00 Uhr verabschiedeten sich die fünf auch schon wieder, klatschten zuvor die erste Reihe artig ab, verteilten ihre Picks, Drumsticks und Steilstes und weg waren sie.



Autor: Andreas Gey - Pics: Andreas Gey