Muskelrock Festival

Alvesta (Schweden), Tyrolen, 28.05.2015 - 30.05.2015

MUSKELROCK flyer NEWS 2015Für euch schon zum zweiten Mal war CROSSFIRE in der Location des alten Vergnügungsparks "Tyrolen" zu Gast, um vom siebten Muskelrock Festival zu berichten. Es gaben sich an drei Tagen 35 Bands im Wechsel auf zwei Bühnen drinnen und draußen die Ehre, übrigens alleinig präsentiert vom neuen deutschsprachigen Printmagazin Deaf Forever. Viele in Pastellfarben gestrichene Holzhütten unterschiedlicher Bestimmung standen hier, von denen zwei die Bühnen stellten. Eine hallengroße Hütte in Form eines Achtecks und eine halbierte Blockhütte auf einer Anhöhe. Die Running Order las sich einfach, denn die Bands waren jeweils zu voller Stunde angekündigt. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr, in dem man die Getränke bis 18:00 Uhr noch mit auf das Gelände nehmen konnte, durfte man jetzt im gesamten Gelände sein Bier konsumieren, und nicht mehr schwedenüblich in dafür abgetrennten Bereichen, und das gezapfte 0,4l gab es bis 18:00 Uhr für 30 Kronen, danach für 50. Besucher reisten aus ganz Europa und Südamerika an, und viele kannte man noch vom Brofest in Newcastle oder vom Headbangers Open Air. Weitere Veranstaltungen um das eigentliche Festival herum wie Movie-Premieren der Filme "I Am Thor" und "Kung Fury", eine Auktion von gespendeten Platten, Musikerportraits und Kutten für einen guten Zweck, begleiteten das gut organisierte Event. Es spielten am Sonntag nach dem Festival sogar noch Ashbury einen Akustikgig in der örtlichen Kirche. Nicht angekündigt war die Band auf dem Campingplatz mit einem Mitglied von The Scamps, die zwischendurch einfach spontan loslegte. Absolut negativ waren jedoch einstellige Gradzahlen und zu viele Regenschauer. Nebenbei sprach man vom kältesten Monat Mai in Schweden seit 1170, und wir von CROSSFIRE waren dabei! Das verlangte den Fans einiges ab, aber noch viel härter war das Schwalbenpärchen, das den Lautstärken trotzend im Achteck unter den Dachbalken unermüdlich ihre Jungen versorgte.

Tag 1, Donnerstag, 28.05.2015: Saturn, Deadheads, Demon Head, Natur, Travelin Jack, Arkham Witch, Portrait, Arthur Brown, Antichrist, The Rods, Heat.

saturnSaturn eröffnete als erste Band des Festivals, und sie spielte im Achteck. Ein Robot-Man darstellender Ansager, groß wie Frankenstein, begrüßte mit tiefer Stimme zum Muskelrock 2015, wofür im vergangenen Jahr noch ein posender Muskelmann zuständig war, der später aber noch auftauchte. Es sind die Saturn, deren LP-Titel "Ascending (Live In Space)" für Verwirrung sorgen konnte, denn das Ding wurde im Studio eingespielt, und nicht live bei einem Konzert. Heute groovten sie sich ein und rockten ihren Retrogig runter, ohne sich mit ihrem Bühnendressing den Siebzigern anzupassen. Dieses Festival hegte eine Vorliebe für Bands, die sich dem Sound der Siebziger verschrieben haben, und diese Schweden passten mit ihrem an Led Zeppelin angelegten Spiel sehr gut rein.

 

deadheadsDie erste Band, die draußen die halbierte Blockhütte befeuerte, waren die Deadheads mit ihrem geschwindigen Rock 'n' Roll. Ihr schlicht braunes Plattencover, auf den man seinen Titel in einem Satz mit dem Bandnamen lesen konnte, rief auch gleich den angehängten Klammervermerk "It Includes Electric Guitars" ins Gedächtnis. Und die haben sie tatsächlich mitgebracht, was nun aber nicht wirklich überraschte. Sie benutzten mit samt dem Bass alle weiße Spiralkabel. Ihr gebrachtes Tempo und der damit verbundenen Intensität, welche man noch vom Album in den Ohren hatte, konnten sie auf der Bühne aber nicht komplett bringen. Dennoch musste man ihnen, als die Sonne wieder rauskam, eine agile Show nachsagen, in der selbst der nicht zu laut abgemischte Keyboarder nicht stillsitzen konnte. Wo es draußen schon wieder nach Regen aussah, spielten drinnen im Anschluss Demon Head aus Dänemark auf, und das Agile im Acting setzte sich hier fort. Auch die leider noch spärlich Anwesenden waren alle in Bewegung, dass der dreadgelockte Sänger einen ganzen Song im Publikum performte. Obwohl Vocals und Songs sehr gleichmäßig klangen, hatte man vor und auf der Bühne seinen Spaß.

 

naturNatur aus New York war die erste Band heute, die den metallischen Schwung von weiter unten holte. Nicht nur bei deutschsparchigen Metallern würde dieser Bandname keine Preise gewinnen, aber durch den angedunkelten und doomigen Sound setzte der Vierer die ersten kernmetallischen Akzente des Festivals. Sehr passend zu ihrem Sound war das unheimlich wirkende Cover von ihrem Longplayer "Head Of Death", welcher als Eyecatcher Interessenten am Merchandisestand anlachte. Auch wohl passend, aber hier vor Ort leider ziemlich unschön war der Regen, der wie einige Die-Hard Fans vor der Bühne bis zum Schluss des Gigs durchhielt. Natur sollte man im Auge behalten, oder besser gleich im Ohr.

 

travelin jackAls Travelin Jack, geschrieben mit nur einem 'l', unter dem Dach ihren Set starteten, schien draußen wieder die Sonne. Ein Wechsel, der mit verschieden vielen Sonnenparts die nächsten Festivaltage anhalten sollte. Die Sängerin und Gitarristin mit dem passenden Pseudonym Spaceface wurde wegen ihrer Aufmachung mit Paul Stanley verglichen, denn sie und ihre Mitstreiter traten mit Glitzer geschminkt im Retro-Satin-Outfit auf, ähnlich wie Abba in den Siebzigern, oder eben auch Kiss. Die Berliner brachten härteren Siebziger-Hardrock stampfender Art, den Spaceface mit und ohne Gitarre anführte. Wer voll drauf steht, wird noch auf dem diesjährigen Freak Valley Festival die Gelegenheit haben, sie live zu sehen.

 

arkham witchBei Arkham Witch aus dem Vereinigten Königreich gabs Probleme mit der wandernden Bassdrum, die der heute als Bühnentechniker fungierende Hampus von Bullet mitten im Set auf dem Bühnenboden festnageln musste. Eine kleine Unterbrechung, die sich nicht unnötig in die Länge zog. Zuletzt gesehen haben sie viele auf der Warm-Up-Show des Headbangers Open Airs 2013, zwischen Axxion und Hobb's Angel Of Death. Die zum Trio Geschrumpften um Drummerin Emily trugen zwar Shirts von Manilla Road und M.O.D., verrieten dadurch aber noch nicht, dass sie eher angedoomten Metal spielten. Eigentlich die Band für unseren Redakteur Daniel Müller, der aber wegen anderen Liveaktivitäten hier fehlen musste. Zum Schluss erfreuten sie die Menge mit ihrer Interpretation von "Don't Burn The Witch", das man im Original von Venom kannte.

 

portraitAls nächstes stellte sich aus Sicht des stilfesten Metallers die Frage im Hinblick auf das Billing des heutigen Tages automatisch, ob Portrait die Band des Abends werden sollte, denn ihre beiden letzten Scheiben "Crimen Laesae Majestatis Divinae" und dem etwas simpler betitelten "Crossroads" räumten bei den Fans mächtig ab. Folgerichtig dröhnte noch vor dem Intro aus der Konserve ein Manowar-Song vorweg, dann betraten die Protagonisten unter Beifall die Bretter und lieferten eine Stunde Metal Darkness ohne Kompromisse. Leider war der Sound etwas matschig, was die Stimmung aber nicht bremste. In der Menge des bislang gefülltesten Indoors feierten die Jungs von Screamer kräftig mit ab. Portrait gingen mit dem Song ihres ersten Demos "Welcome To My Funeral", mit dessen Cover sich jüngst die Landsleute von RAM erfolgreich schmückten und einem imposanten "Lily" mit sehr klaren Vocals von der Bühne, nachdem sie einen Hammer-Gig lieferten, wenn auch nur bei suboptimalem Sound.

 

arthur brown"I Am The Lord Of Hellfire And I Give You Fire". Wem ist dieser Refrain aus dem Jahre 1968 unbekannt? Im Laufe des noch jungen Konzerttages sprach es sich bereits rum, wer der angekündigte 'Surprise Act' sein sollte, und es bewahrheitete sich, dass Mister Hellfire mit seiner Band diesen Slot spielte. Arthur Brown hatte zwar inzwischen 75 Jahre auf dem nicht vorhandenem Buckel, bewegte sich jedoch locker wie nur halb so alt. Seine weiten pastellfarbenen Hippieklamotten und ein komplett buntes Facepainting ließen ihn aussehen wie ein Clown, dafür verfügte er über die Gitarristin Nina Gromniak plus einer Tänzerin, die zwei Blickfänge seiner Stagemates. Und zum Schluss hieß es dann für Arthur die natürlich erwartete, oben angeführte Zeile zu bringen, die diesen letzten Song "Fire" einläutete. Eine respektable Sache, die auch von den Metallern in der Audienz respektiert wurde. Besonders denen, die noch von Portrait völlig geflasht waren.

 

antichristJedes Mal, wenn der Verfasser dieser Zeilen dem Muskelrock Festival beiwohnte, spielten die ortsansässigen Antichrist. Das konnte aber auch daran liegen, dass sie hier jedes Jahr auftraten, und damit quasi zum Inventar gehörten. Die Thrasher klangen so wie Slayer früher, und man durfte in der Tat einen ziemlich soliden Gig erwarten, da sie einen absoluten Garant im Thrash Metal darstellten. Das Quintett um den Shouter im Shirt von Judas Priest hatte zwar seit dem Debütalbum 2011 kein Album mehr draußen, und seit der Single "Burnt Beyond Recognition" aus 2013 auch ihre Discographie nicht weiter bereichert, legte aber mal wieder ein starkes Heimspiel hin, an dem auch vorher niemand zweifelte.

 

the rodsNun neigte sich der erste Festivaltag dem Ende zu und es wurde Zeit für den ersten Headliner. Mitgrölbare Refrains und ein klarer Sound verhalfen den Altmeistern von The Rods im originalen Line-up, namentlich Gary Bordonary, David Feinstein und Drummer Carl Canedy für einen beachtenswerten Auftritt. Eine Augenweide auch das Synchronbangen der Doppelhälse von David und dem etwas größeren Gary. Aber der Höhepunkt des Gigs war der Auftritt der Benedictum Frontfrau Veronica Freeman, die sich mit dem Trio derzeit auf Tour befand. Sie war noch etwas größer als die beiden, und das ohne hohe Absätze. Benedictum war mal eine Dio-Coverband, und so bot sich einfach an, "Mob Rules", "Heaven And Hell" und "Stand Up And Shout" als Tribut an den Sänger zu bringen, zumal David sein Cousin ist. Leider waren bei Veronica die Bässe viel zu laut abgemischt, dass ihre bekannte Vollröhre nicht in vollem Umfang zur Geltung kam. Zur Zugabe "I Just Wanna Rock" vom noch aktuellen 2011er The Rods Album "Vengeance" ohne Veronica war das aber wieder okay. Dennoch bot der Gig bei der sicher nicht zu warmen Witterung einen weiteren Anlass zum Warmtanzen, welchen die Audienz nutzte.

 

heatHeat waren neben Travelin Jack eine weitere Berliner Band von This Charming Man Records und die Abschließer heute, die im Achteck den Abend ausklingen lassen sollten. Sie spielten schon längst, als The Rods ihren längeren Auftritt beendet hatten, und fielen erstmal durch plattes Englisch in den Ansagen des Sängers auf, dem übrigens insgesamt sechsmal das Mikrofon aus dem Ständer fiel. Dennoch hatten alle Spaß mit dem progressiven Sounds der Siebziger bis hin zum letzten Song "Illusion". Erst jetzt ging man ins Nattetent außerhalb des Geländes, in dem Metal-DJs schwermetallische Evergreens in die Meute warfen.

 

Tag 2, Freitag, 29.05.2015: Tyranex, Hessian, Tyrant, Capilla Ardiente, Ice Age, Night, Gehennah, Dread Sovereign, Enforcer, Morbus Chron, Bullet/Thor, Vidunder.

tyranex Tyranex war die Band um Shouterin Linnea Landstedt, die in 2014 mit "Unable To Tame" auf sich aufmerksam machte. Waren im vergangenen Jahr schon viele female fronted Bands hier, begannen diesmal Tyranex den zweiten Tag. Die Stockholmerin und ihre Mitstreiter legten ein gleichmäßiges Thrasbrett vor, das in einem durch sägte und in dem sogar ein paar coole Soli aufblitzten. Linnea konnte auch die Menge dirigieren. Zwar sägte Tyranex nicht statisch, aber mit noch mehr Action, ihrem Highspeedsound gleich, hätten sie noch mehr abreißen können. Fans der Band blieb die Shouterin noch erhalten, denn sie übernahm noch ein paar Ansagen, der folgenden Bands.

 

hessianDie zweite Band des heutigen Tages hieß Hessian und kam nicht aus einem deutschen Bundesland, sondern aus den US of A. Gesangstechnisch bauten sie auf eine männliche Brüllstimme mit manch female Vocals zur Unterstützung. Dazu trugen sie schrille Outfits, ihr Frontmann sogar eine goldene Spandex. Sie rockten mit dem aktuellen Album "Bachelor Of Black Arts" im Gepäck wie die Sau, wenn aber auch austauschbar, dass sie ihrem geilen Bandlogo schon nicht gerecht wurden. Jörg der nicht Uwe heißt fuhr voll drauf ab, wie auch das halb gefüllte Achteck, meine Wenigkeit wollte erst einmal Bier holen.

 

tyrantWer in diesem Jahr auf dem Brofest war, hat die Briten von Tyrant gesehen. Und wenn der Begriff Brofest fällt, dann weiß der aufmerksame Leser, es handelt sich dabei zu großer Wahrscheinlichkeit um den Sound der New Wave Of British Heavy Metal. Im Midtempostück "Eyes Of A Stranger" huldigten sie den größten Sänger aller Zeiten, als sie kurz "Holy Diver" mit einflochten. Komplett gecovert haben sie aber "Son Of A Bitch" von Accept, das aus der Zeit stammte, als sich Tyrant in Gloucester gründeten. Shouter Mark Kelser ging oft auf die Knie und Gitarrist Phil Vokins (Foto) mal ins Publikum. Drei Male wurden sie balladesk, aber immer ohne schmalzig zu sein, das sollte mehr Nachahmer finden. 

 

capilla ardienteHammergeile Scheiße! Was Capilla Ardiente hier veranstalteten, zog den Metallern die Schuhe aus. Kaum wer kannte diese Doomband aus Chile, aber alle Anwesenden waren wie geflasht. Aber der Reihe nach. Der erdige Tiefensound der erleuchteten Kapellen, was ihr Bandname übersetzt bedeutet, punktete ohne Growls, denn die Chilenen kamen mit tiefer Röhre bis zu uncleanen Vocals völlig aus. Ihrem Sangeshünen nahm man jede Geste ab. Es handelte sich dabei um Procession Sänger Felipe, der ja schon vor einiger Zeit von Chile nach Schweden auswanderte. Die Band war vom ersten Ton an immer voll in Bewegung; jeder Anschlag wurde mit einem Banger zelebriert, was ihrer eh schon beachtenswerten Intensität noch mehr Nachdruck verlieh. Ihre Songs hielten die Waage zwischen majestätischer Tiefe und einem melodiösen roten Faden, bekamen auch einige Rückkopplungen mit eingebaut. Als der solierende Gitarrist Julio in "Into Unknown Lands" damit übertrieb, wurde er von Felipe mit dem Mikrokabel um seinen Hals von hinten gewürgt. Welch erfrischende Tiefe an diesem jungen Vormittag. Wer sich auch nur halbwegs angesprochen fühlt, sollte sich dringendst mit dieser Band beschäftigen, die eine geile Überraschung auf dem Muskelrock war. Was aus Chile kommt, hat eben Qualität!

 

ice ageWer sich wunderte, warum von Ice Age so viele Girlieshirts am Merchandise zum Erwerb angeboten wurden, dem sei gesagt, dass es sich um eine fast-all-Girl-Band handelte. Fast heißt, eben nur zu 75%, denn ein Quotenmann namens Andre Holmqvist saß an den Drums. Die Göteborger nahmen in den Achtzigern eine Reihe von Demos auf, und verschwanden dann von der Bildfläche, ohne je ein Album gebracht zu haben. Sie rockten ihren Reuniongig metallisch bis thrashig mit cleanen bis angerauten Vocals von Gitarristin Sabrina Kihlstrand. Ihre Songs waren anständig und ihre Performance war auch nicht ohne. Dennoch zogen sie nicht die viel zitierten Heringe vom Teller, was nach dem Gig von Capilla Ardiente auch kein spielerisches Unterfangen werden konnte.

 

nightShouter und Gitarrist Oskar Andersson von Night, der irgendwann mal mit dem Pseudonym 'Burning Fire' versehen wurde, hatte zuletzt noch bei Screamer am Bass und mit Vocals ausgeholfen, die letztjährigen Sommerfestivals zu spielen. Darauf kam es Anfang 2015, dass Screamer Drummer Henrik bei Night aushalf. Letzterer befand sich heute ebenfalls in der Menge dem Gig seiner 'alten' Bandkumpels beizuwohnen, und erzählte stolz, dass es noch dieses Jahr bei Screamer weiterginge, auch mit Konzerten in Deutschland. Night zockten derweil Granaten wie "Running In The Night" und "Across The Ocean", und hier gab es noch mehr Action als bei ihrem Auftritt zuletzt in Münster. Kein Wunder, denn die Schweden hatten Songs, die einfach zündeten und hier ein Heimspiel. Geile Party in dem Achteck!

 

So ein Fender Bass ist schon ein stabiles Gerät, den musste man schon so fünf bis sechs Male nacheinander auf den Boden hämmern, bis sich der Hals vom Korpus trennte. Diese Erfahrung musste Gehennah Basser Kalle "Charles" Sundin" machen, kaum nachdem sie die Bühne draußen betraten und den ersten Song spielten. Warum er sein Instrument wie einen Vorschlaghammer bediente, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, jedenfalls spielte er dann mit einem Rickenbacker weiter. Die angeblackten Thrasher hatten eine neue EP draußen, welche "Metal Police" titelte, dessen Titeltrack auch zum Zuge kam. Sonst stand die Die-Hard Fraktion trotz Regen vor der Bühne. Offensichtlich fuhren nicht wenige der Gäste auf das rumpelige Geballer ab und hielten draußen bis zum Gigende durch.

 

dread sovereignEinen ihrer ersten Auftritte hatten die Drei von Dread Sovereign vor zwei Jahren im Rock Cafe zu Hamburg absolviert. Inzwischen ist ihre EP "Pray To The Devil In Man" und das Album "All Hell's Martyrs" längst veröffentlicht, und die irischen Doomer um Shouter und Bassist Alan, den man als Sänger von Primordial kannte, hatten inzwischen ein paar Auftritte mehr hinter sich gebracht. Er rief während des Auftritts einige "Fuck Jesus Christ" Sprüche aus. Ashbury sollten dagegen noch in der nahegelegenen Kirche spielen, was einmal mehr zeigte, dass im Heavy Metal beides möglich war. Die tödlichen Schlepptemporhythmen von Dread Sovereign waren mit typisch irischer Melancholie versehen, was hier sehr gut ankam. Im Finale kreuzten Alan und sein Gitarrist so ungestüm die Hälse ihrer Instrumente, dass Mikroständer und das halbe Drumkit umfielen.

 

enforcerDanach kamen dann die in Europa live sehr präsenten Enforcer zum Zuge. Für viele der Besucher sehr bekannt und ein Garant für starke Shows. Basser Tobi (Foto) warf inzwischen das Handtuch bei Dead Lord, um sich ganz Enforcer zu widmen, die derzeit nun auch wahrlich sehr aktiv waren. Sie eröffneten mit "Destroyer" und "Undying Evil", die auch die ersten beiden Positionen ihrer neue Platte "From Beyond" für sich in Anspruch nahmen. Mit dem Pflichtsong "Take Me Out Of This Nightmare" folgte das super eingängige Titelstück, ein Mitgröler par excellence, etwas später im Set. Ihr Auftritt war gesäumt von Flammensäulen und reichlich viel Nebel, dass es so aussah, als würde die Hütte brennen.

 

morbus chronDie nach einer Darmentzündung benannten Morbus Chron waren mir seit dem "Sleepers In The Rift" Review, ihrem fiesen Debütalbums aus 2011, in Erinnerung. Und sie kamen mit ihrem kotzigen Death Metal ziemlich abgedreht rüber, und so war es dann auch heuer im Achteck des Tyrolen Vergnügungsparkes. Irres Gedresche mit apathischen Slowparts wirkte auf die Audienz ein. Dazu hing ihr Shouter nur an seinem Mikrofonständer und flippte an diesem völlig aus. Echt cool war das entspanntere Ende der Show. Die Musiker hörten im letzten Song "Terminus" nacheinander auf zu spielen und verließen die Bühne. Zuletzt die Gitarre.

 

bulletWas als nächstes folgte, war ein großer Spaß für alle Beteiligten. Angekündigt waren Bullet mit Thor, also zwei Muskelrock-Veteranen zusammen auf einer Bühne. Zunächst begannen die Schweden wie mit einem normalen Bullet-Gig ihres aktuellen Programms, mit dem funkensprühenden Messerwetzen am Schleifstein, "Turn It Up Loud" und wie die Puppe als ex-Basser Lenny aus der Box "From Dusk Til Dawn" ansagte. Dann betraten unter Feuersäulen Thor und sein Gitarrist die Bretter, die mit Bullet als Backing Band seine Knaller wie "Lightning Strikes" und "Anger Is My Name" brachten. Kaum ein Song kam ohne Pyros. Von einer gezündeten Rakete, die Hampus in den Jahren zuvor aufgestellt hatte und in den Himmel fliegen sollte, zeugt noch heute ein inzwischen repariertes Loch in der Decke der Bühne, das man auf einigen Fotos in diesem Bericht auch sehen kann. Doch diesmal ging alles glatt. Ihre gemeinsame Show hatte noch mehr Höhepunkte. Denn es gesellten sichthor noch zwei Tänzerinnen dazu, den Herrn Thor umgarnend. Man kannte sie von der Thor Tribute Band Iron Thor, die im Jahre 2014 hier spielte. Man ahnte schon, was nun passieren sollte, denn einen Song später kam der Iron Thor Sänger auch noch dazu. Müßig zu erwähnen, dass beide zusammen in ihren bekannten Outfits posierend performten, und sie sich selbst nicht zu ernst nahmen. Natürlich durfte auch der Muskelmann nicht fehlen, der auf diesem Festival als Ansager fungierte, dass zum Finale "Bite The Bullet" dreizehn Leute auf der Bühne standen. Ein sehr unterhaltsamer Festivalhöhepunkt, dass Vidunder danach im Achteck nur noch als Aftershowprogramm wahrgenommen wurde.

 

Tag 3, Samstag, 30.05.2015: Honeymoon Disease, Speedtrap, Steelwings, Night Viper, Hypnos, Spiders, Ashbury, Tribulation, Citron, Horisont, Anvil, Wardenclyffe.

honeymoon diseaseDer dritte und letzte Festivaltag begann wenig überraschend mit Regen, der jedoch zu Beginn von Honeymoon Disease schon wieder Geschichte war. Über den Namen der recht unbekannten Band wurde viel spekuliert. Hießen sie Honeymoon Desaster wollte man einen Sound erraten, der irgendwo zwischen kanadischem Powerrock der Achtziger und schwarzem Koblenzer Thrash liegen müsste. Man sieht schon, wir haben uns während des sehr langen Soundchecks kreativ beschäftigt. Doch die Göteborger Honeymoon Disease spielten groovigen Rock 'n' Roll, bei denen mit Jenny Disease und Acid Disease zwei Damen an Gitarren und Vocals standen. Erwähnenswert war allerdings auch Admiral Disease, dem völlig ausrastendem Bassisten auf der rechten Bühnenseite, während drüben auf der anderen Bühne schon der Soundcheck der nächsten Band hörbar rappelte.

 

speedtrapDenn dann bebte die Erde im Tyrolen. Speedtrap aus Finnland zerlegten das Achteck, dass spätestens jetzt alle wach gewesen sein dürften. Da versprach schon ihr Soundcheck, den man bei der Band zuvor nicht überhören konnte, nicht zu viel. Sie arbeiteten in der Geschwindigkeitsklasse von Ranger, nur mehr von einer Rock 'n' Roll Basis aus. Im Mittelpunkt stand noch ihr "Powerdose" Album, von dem auch "Out Of Time, Out Of Line" stammte. Ein neues Album wird im September erscheinen, von dem schon mal "No Glory Found" preisgegeben wurde. "Battle Cry" beendete den Set mit gekreuzten Gitarrenhälsen. Die Finnen waren mächtige Wachrüttler, wie Capilla Ardiente am Vortag.

 

steelwingsEine variierende Mischung aus Saxon und Rose Tattoo waren Steelwings, die man besser nicht mit den jüngeren Schweden Steelwing verwechselte. Mit den beiden erstgenannten Bands aber auch nicht, denn von dieser Qualität waren sie ein Stück entfernt. Ihr selbstbetiteltes Album aus 1989 bekam bis dato keinen Nachfolger, aber schön die Band mal gesehen zu haben. "Move On" war der letzte Track, der die Zahl der Fans vor der Bühne nicht erhöhte. Am Merchandisestand ließen sich derweil Fans mit Ashbury fotografieren, die man allein schon an ihren Shirts vom Keep It True Festival erkannte, wo sie im vergangenen Monat spielten.

 

night viperDie nächste Band war an den Positionen Mikro und Drums mit Damen besetzt. Night Viper vereinten Tiefe, etwas Speed und Retrosounds unter einem Hut, was zu großen Teilen an der dunkleren Stimme der Sängerin Sophie Lee lag. Die Members tummeln oder tummelten sich in Bands wie Church Of Misery, Mud Walk, Miasmal (Bassist Ruben), Horisont und The Order Of Israfel (Gitarrist Tom Sutton), was ihre Klasse begründete. Zwar hatten sie erst eine Vinylsingle veröffentlicht, konnten aber schon mit weiterem Material wie "Run For Cover" ihren Set füllen. Sie begeisterten die Audienz schwer, aber den inbrünstigen Zugabeforderungen wurde leider nicht Folge geleistet.

 

hypnosVon allen Bands im Universum, die sich den Namen Hypnos gaben, waren die fünf Jungs aus Göteborg nächste Band. Sie konnten mit einem extrem ausgewogenen Verhältnis von Metal und Retro punkten, was hier auf diesem Festival ja eh immer sehr gut ankam. Ihr selbstbetiteltes Album aus dem vergangenen Jahr mit dem prägnanten Cover warf auch die Vinylsingle "The Mountain" ab, die man für schlappe 50 schwedische Kronen am Merchandise abgreifen konnte. Die Gitarristen Fredrik und Oskar posten was das Zeug hielt, womit sie nicht nur die Fotografen erfreuten. Auch wenn ihr Shouter Philip nicht die Querflöte gebracht hätte, wären sie um eine Zugabe nicht herum gekommen.

 

spidersDie Spiders um die charismatische Sängerin Ann-Sofie hatten grad letzte Woche auf dem Rock Hard Festival gespielt, jetzt durften wir sie hier auf dem Muskelrock noch einmal erleben. Diesmal hingen sie ein dunkelrotes Backdrop, auf dem mit dünner goldener Schrift der Bandname geschrieben stand, dem Drummer in den Rücken. Ann-Sofie performte mit und ohne Gitarre, aber jederzeit mit starker Präsenz, dirigierte Fans und Mitmusiker im gut gefülltem Achteck. Das zahlreich vor der Bühne anwesende Publikum feierte die Band mächtig ab.

 

ashburyAshbury spielten dann draußen ihr lockeres Gemüt frei und konnten dabei ebenfalls auf eine große Zuschauerzahl zählen. Die US Amerikaner aus Tucson / Arizona waren derzeit rege unterwegs, passten mit ihrem Stil, nah an der Siebziger Band America, auch sehr gut in das Billing des Muskelrock Festivals. Nicht untypisch für diesen Sound rockten sie zusätzlich mit Akustikgitarre und Keyboards, auf die sie gelegentlich zugriffen. Als Zugabe ließen sie es sich nicht nehmen, für Jethro Tull zum Tribut den Song "Aqualung" zu spielen, und es wurde schon ab "Sitting On A Park Bench" mitgesungen. Ashburys erstes Album "Endless Skies" aus 1983 diente auch als Vorlage für den Flyer des diesjährigen Muskelrock Festivals (siehe oben) und sie spielten gerade auf dem Keep It True Festival. Nur warum Ashbury auf einmal so sehr angesagt waren, konnte niemand so ganz genau erklären.

 

tribulationAuch die vier Geschminkten von Tribulation waren von ihrem Sound her für das Muskelrock wohl adäquat. Gefiel ihre letzte Scheibe "The Children Of The Night" nicht jedem Leser, so musste man hier im Auditorium schon zugeben, dass von den Schweden auf der Bühne einiges mehr rüber kam. Von ihrem Black Metal der Anfangstage war live mehr übrig geblieben als auf Platte. Leisere Parts kamen ebenso schwarzmetallisch rüber, wie grottiges Geprügel. Räucherstäbchen sollten die düsteren Atmosphären untermalen, die für die Nase jedoch keine Ausmaße annahmen, wie zuletzt bei Attic im Essener Turock. Heuer wird ihnen zum Black Metal auch Progressivität und Gothic nachgesagt, besonders wenn sie unverzerrt spielten. Zwischen den Songs dienten Einspieler zur Verbindung derselben, dass ihr Gig als eine einzige rituelle Atmosphäre wahrgenommen werden konnte, wozu auch die Knochen an Mikroständern beitrugen.

 

citronCitron aus der Tschechischen Republik existierten schon seit 1976. Das ist alle Male respektabel, wenn auch kein Originalmitglied mehr verblieben ist. Eine längere Auszeit nahmen sie sich nur einmal in den Nuller-Jahren, hatten aber nun insgesamt sieben Alben im Gepäck, von denen das jüngste aus dem Jahre 2010 datierte und den heimatsprachlichen Titel "Bigbítový Pánbů" trug. Sie zockten eine Mischung aus bodenständigem Hardrock und Heavy Metal, und das bei viel Nebel, mit dem schon das gesamte Festival über nicht gespart wurde. Das wäre wieder eine Band für unseren daheim gebliebenen Czech-Fachmann Daniel Müller gewesen, der aber hier und heute physisch nicht auftauchte.

 

Für die auf dem Billing angesagten Blues Pills sprangen Horisont ein. Während Citron auf der Hauptbühne noch Vollgas gaben, begannen Horisont pünktlich auf der kleineren Bühne. In dem Zelt neben dem Gelände, in dem die Aftershowparties stattfanden, spielte zeitgleich noch eine Band namens Nightmare City, doch weil man sich nicht zweiteilen konnte, entschied sich der Verfasser dieser Zeilen für Horisont, die von allen Retrobands unheimlich viel Dynamik brachten. Ihr Sänger spielte nebenbei Keyboard auf einem kleinen Kasten neben ihm, aber sehr wenig, gefühlt nur sporadisch. Uptempo Rocker wie "Nightrider" sorgten für Bewegung in der Menge, wie auch entspanntere Phasen. Die Göteborger gaben sich für eine Retroband sehr vielseitig, wie sie laute Abschnitte mit leiseren Teilen miteinander verbanden.

 

anvilDie Kanadier von Anvil genossen bei den Fans immer hohes Ansehen. Besonders in den letzten Jahren hatte die Zahl ihrer Anhänger mächtig zugelegt, und so stellten Anvil einen mehr als würdigen Headliner dar. Drummer Rob Reiner konnte man schon Tags zuvor auf dem Festivalgelände sichten, sich unter die Fans mischend. Als Horisont fertig waren, spielten Anvil grad eine eindringlich heftige Version von "This Is Thirteen", was sich aber noch als Soundcheck entpuppte. Als Horisont ihren Gig beendeten, zündeten Anvil ihr Feuerwerk. Natürlich durften die Fans ein Best-Of-Programm aus alten Hits wie "666", "School Love", "Winged Assassins" und sogar "Mothra" erwarten, ebenso auch jüngere Sachen wie "Bad Ass Rock 'n' Roll" vom aktuellen Album "Hope In Hell" und der Zugabe "Running" vom "Juggernaut Of Justice" Album. Lips stellte fest: "It's Cold, Isn't It?" und sagte passenderweise "On Fire" an, diesmal aber nicht in den Tonabnehmer seiner Flying V brüllend. Am Bass spielte derzeit Chris Robertson, der nun als neues festes Mitglied neben Lips für reichlich Bewegung sorgte. Sicher auch live ein Vorteil für die alten Haudegen, ein Gewinn an Action verzeichnen zu können.

 

Nach dem starken Headliner sollten zu später Stunde Wardenclyffe im Achteck für den Festivalausklang sorgen, doch der Verfasser dieser Zeilen war noch völlig geflasht von Anvil, wohnte dem doomigen Death der Norrköpinger nicht mehr bei und trat schon mal die Heimreise an, um sich vor den Staus auf deutschen Autobahnen zu drücken. Vielen Dank dem Muskelrock, das trotz des Wetters in deutlich positiverer Erinnerung blieb.



Autor: Joxe Schaefer - Pics: Joxe Schaefer