MICHAEL SCHENKER - Temple Of Rock und mehr…


Als Gitarrist und Bandleader war Michael Schenker immer einer der ganz großen in der Rockgeschichte. Erst spielte er bei UFO, dann bei den Scorpions, einigen Variationen seiner MSG und in einer kurzen Phase bei der Contraband. Als Solist und Gastmusiker, Anfang der 90er-Jahre bis ins Jahr 2010, häuften sich zwar die Releases und Mitwirkungen, aber seine Aktivitäten nahmen nur die Hardcore-Fans und die ewig meckernde Musikerpolizei wahr. Wenn man in der Allgemeinheit über ihn sprach, brachte höchstens der Zusatz „der Bruder des Scorpions-Gitarristen Rudolf Schenker“ ein wissendes Lächeln ins Gesicht des Gesprächspartners. Und das nach Hits wie „Doctor Doctor“ oder „Rock Bottom“. In der Szene galt er als griesgrämig und launisch…selbst seinen Fans gegenüber. Auf einem Gig in der Zeche Bochum ließ er vor Jahren verlauten, er signiere nur die vor Ort gekauften CDs. Wie dem auch sei. Seit 2011 fungiert er als Kopf der Truppe Temple Of Rock, fährt sehr auf seiner eigenen Retroschiene und kann sich vor Erfolg kaum retten. Im Hard Rock Cafe zu Köln saß mir zwecks eines Interviews ein sehr freundlicher und lebenslustiger Mensch gegenüber, der vor lauter Tatendrang nur so übersprühte.

logoSteve: Michael, kannst du ein paar Worte zur Entstehungsgeschichte von Temple Of Rock zum Besten geben?

Michael: Klar! Im Jahr 2009 wurden Herman Rarebell (ex-Scorpions) und ich gebeten, bei meinem Bruder und den Scorpions live auszuhelfen. Es ging um ein größeres Stadion-Konzert in Griechenland. Wir sprachen darüber, uns mal zum Jammen zu treffen. Pete Way (ex-UFO) war auch gerade in der Nähe und wir planten ein Live-Projekt. Ich hatte lange nicht mehr „Strangers In The Night“ und andere UFO-Stücke gespielt. Gleichzeitig hatte ich den Drang, wieder ein neues Album aufzunehmen und fuhr nach Münster ins Kidroom Studio, um dort zu arbeiten. Ich stellte meine Songs zusammen und bat den Produzenten Michael Voss (Mad Max), ob er Guide-Vocals einsingen könnte und stellte fest, dass er eine tolle Stimme hat und fragte ihn gleich, ob er das Album richtig einsingen wolle. Das tat er dann auch. Diese Recordings spielte ich Herman und Pete vor, die gleich begeistert ihren Anteil beitragen wollten. So kam eins zum nächsten. Nur mit der anstehenden Tour wurde es etwas schwierig, da Michael Voss live nicht zur Verfügung stand. Also fragte ich Robin McAuley (ex-McAuley Schenker Group) und er sang in den USA, während Doogie White (ex-Rainbow) in Europa übernahm. Später ging es dem Pete gesundheitlich nicht so gut und deshalb fragte ich Herman was Francis Buchholz (ex-Scorpions) zur Zeit so machen würde. Wir könnten ihn am Bass gut gebrauchen, da einige Scorpions-Tracks auf dem Programm standen. Er stieg alsbald ein. Natürlich musste ich alles auf DVD festhalten und kümmerte mich um die Aufnahmen. Da der Erfolg stetig wuchs, planten wir gleich die Scheibe „Bridge The Gap“. Der Titel galt als Synonym, weil wir das letzte Mal zu „Lovedrive“-Zeiten (Scorpions, 1979) zusammen auf einem Album spielten. Wir wollten eine Brücke schlagen von damals zu heute und deswegen nutzte ich öfters Ideen an der siebensaitigen Gitarre zu dieser Oldschool-Music.

Steve: An welchem Punkt siehst Du Dich heute?

Michael: Ich denke, ich bin auf dem Höhepunkt angekommen und fasse musikalisch meine Karriere zusammen. Wayne Findley (Michael Schenker Group) stieß zu uns und ist mittlerweile eine eigene Größe in der Band geworden. Er übernahm die Keyboards, die Parts an der Siebensaitigen und er kann singen. Für ihn komponierte ich „Neptune Rising“. Wayne ist ein Wassermensch. Wenn er aus den Fluten auftaucht, sieht er aus wie Neptun, haha. Deshalb ließen wir ihm auch eine Dreizack-Gitarre bauen. Das passt jetzt ebenso optisch. Jetzt hatten wir ein zusätzliches Komponisten-Team. Ich hatte erst mit eigenen alten und neuen Stücken angefangen und jetzt haben wir Temple Of Rock als eigenständige Band aus der Michael Schenker Plattform aufgebaut. Durchaus mit eigenem Stil. Auf der dritten Scheibe, „Spirit On A Mission“, wollte ich dann alles musikalisch öffnen. Bei mir passiert alles aufgrund von „Umständen“, die sich im Leben ergeben. Da ist nichts geplant.

michael schenkerSteve: Du hast ja an einem Wah-Wah Effekt gearbeitet von der Firma Dunlop, mit dem Namen „Cry Baby“. Je nach Pedalstellung werden die einzelnen Frequenzbereiche aus dem Gitarrensignal herausgefiltert. Wie kann ich mir das als Laie vorstellen?

Michael: Da fragst du den Richtigen. Ich bin technisch überhaupt nicht begabt. Ich fand den Sound an einer bestimmten Stelle ziemlich cool. Den wollte ich zu verschiedenen Zeiten immer haben, aber während des Spielens nicht die Stellung ständig suchen. Also habe ich das Ding aufgemacht und zum Glück festgestellt, dass es sich nur um ein kleines Uhrenrad handelt, das man verstellen kann. Also ist jetzt, wenn das Wah-Wah die unterste Position hat, mein Lieblingsklang vorhanden.

Steve: Wie kam das heutige Fotoshooting zustande?

Michael: Nun ja, der Veranstalter vom Harley Davidson Treffen „Dome Cologne“ war auf einem meiner Konzerte und war dermaßen begeistert, dass er beschlossen hatte, dass ich unbedingt auf dem nächsten Meeting spielen soll. Zur Promotion wurde heute morgen hier die Harley reingefahren auf der ich mit meiner Flying V ein paar Posen gemacht habe.

Steve: Du hast gerade von deinem Karrierehöhepunkt gesprochen. Also bist du wirklich angekommen?

Michael: Also ich denke bis 1979 und „Lovedrive“ befand ich mich in der Entwicklungsphase als Gitarrist, Musiker und Komponist. Bis „Strangers In The Night“ betrachte ich meine Zeit als musikalischen Beitrag zu den 70er und 80er-Jahren. „Lovedrive“ war von mir eine Hilfe für meinen Bruder Rudolf und den Scorpions, um Fuß in Amerika zu fassen. Ich habe ihm die schwarz/weiße Gitarre gegeben, das Stück „Coast To Coast“ sowie meine besten Wünsche, und dann haben sie die Vereinigten Staaten von Amerika gestürmt. Ich selber habe mich etwas zurückgezogen. In den frühen 80ern rief er mich von dort an und sagte: „Micha, Du wirst es nicht glauben, die spielen hier alle Deinen Stil!“. Eigentlich ist das, was ich in den 70ern geschrieben habe, für die 80er gewesen. Guns ´n´ Roses, Metallica, Iron Maiden und viele mehr haben ein bißchen meinen Stil übernommen. Halt nur simpler umgesetzt…für die breite Masse. Es wurde von den neuen Bands vereinfacht, um es für die Fans verständlicher zu machen. Das soll jetzt nicht heißen, dass eine Formation besser ist als die andere, nur halt jeder hat seine Aufgabe im Leben. Ich selber habe mich zurückgezogen und habe jede Menge experimentiert, bis ich 2006 (ich würde die Michael Schenker Group-Ära nicht gerade als „zurückziehen“ betrachten, Anm. d. Verf. ) mit Gary Barden (ex-MSG) an seinem Soloalbum „The Agony And Xtasy“ arbeitete. Es schloss sich ein Kreis. Ich wollte wieder auf die Bühne und meine Musik war auch endlich bei der Masse angekommen. Die Zuhörer hatten sich weiterentwickelt. Jetzt wurde meine Musik auch verstanden.

Steve: Obwohl simpel war es ja mit dem Projekt Contraband. Eines meiner Lieblingsalben von Dir. Warum war so schnell Ende?

Michael: Das lag ganz einfach an den beiden Typen, Gitarrist Tracii Guns (ex-L.A. Guns) und Sänger Richard Black (ex-Shark Island). Da stimmte einfach die Chemie nicht. Gleich nach dem ersten Konzert flogen die Fäuste.

Steve: Wenn große Produktionen anstehen, gehen die meisten, wenn sie es sich finanziell erlauben können, ins Ausland. Du bist bei Michael Voss in Münster gelandet. Wie kam es dazu? Kanntet Ihr Euch bereits aus alten Mad Max-Zeiten?

Michael: Nein, er wurde mir von Gary Barden vorgestellt.

michael schenkerSteve: Klar, die beiden haben die Silver-Alben zusammen gemacht.

Michael: Ich brauchte von meinen Ideen Probeaufnahmen und habe mich einfach an Michael erinnert.

Steve: Du giltst in der Szene als Eigenbrödler mit rauem Ton, kommst aber immer auf Deine Weggefährten aus der Vergangenheit zurück. Du hast mit keinem Stress?

Michael: Meine Karriere ist wie der obere Rand eines T-Shirts. Zuerst vom Ärmel zum Hals…die Jahre bis in die frühen 80er in verschiedenen Bands. Der Halsrand meine Selbstfindungsphase, in der ich mich am stärksten entwickelt habe und mich jeder Menge Herausforderungen gestellt habe. Ohne Herausforderung keine Entwicklung! Danach ist ein neuer Level erreicht. Viele denken, dass Geld, Erfolg und Ruhm ein perfektes Leben sind. Das ist nicht der Fall. Vielleicht haben sich die Medien und andere Typen nach meinem Weggang von UFO etwas zusammengereimt. Es hat sich aus der Presse heraus entwickelt, wie man mich sehen soll oder wie ich zu sein habe. Menschlich und musikalisch. Ich finde die 80er-Jahre waren meine fruchtbarste Zeit. Ich habe in den Jahren das meiste gelernt. Heute kann ich locker lassen und alles genießen. Heute lebe ich mein Leben. Deshalb nun die andere Seite vom T-Shirt, vom Hals zum Ärmel: jetzt kann ich ausspannen und das tun, worauf ich hingearbeitet habe. Die „Play And Discover“-Einstellung hat sich ausgezahlt.



Autor: Steve Burdelak