AUTOPSY - ...aus verrotteten Herzen


Autopsy sind eine Death Metal-Legende! Bevor sie 1987 gegründet wurde, trommelte Schlagzeuger und Sänger Chris Reifert schon auf dem Death-Debüt „Scream Bloody Gore“, konnte Autopsy aber auch fest in der Death Metalszene etablieren. Mitte der Neunziger war erstmal Schluss. Seit 2008 sind sie aber wieder dabei und stärker als je zuvor. Ein Interview mit dem verrückten Frontmann (oder doch Hintermann?) war auf jeden Fall Pflicht, um mal die ganze Bandgeschichte von hinten aufzurollen.

logoDaniel: Hallo Chris! Es ist mir eine Ehre, ein Interview mit Dir zu führen, weil ich mit der Musik von Autopsy aufgewachsen bin! Also lass uns mal ganz von vorne anfangen, Okay?

Chris: Hallo zurück und vielen Dank für Deinen Enthusiasmus! Na gut, ich habe meine Gehirnzellen eingeschaltet. Es kann also losgehen!

Daniel: Vor Autopsy hast Du ja Schlagzeug bei den legendären Death gespielt! Warum hat das nicht mehr funktioniert? War es schwierig, mit Chuck Schuldiner zurecht zu kommen? Oder gab es andere Gründe für die Trennung?

Chris: Nein, wir kamen sehr gut zurecht! Wir waren Teenager, die viel Spaß daran gefunden haben, kranken Metal zu machen; was auch immer der Arzt gerade für Eingeweide gefordert hatte! Zur Trennung kam es durch die große Entfernung. Chuck wollte zurück nach Florida, und obwohl ich weiterhin der Band angehören sollte, konnte ich mich nicht von meiner Heimat Kalifornien trennen. Anfangs hat es sehr geschmerzt, weil die Zeit bei Death eine großartige Erfahrung für mich war. Aber dann habe ich mit Eric Cutler Autopsy aus der Taufe gehoben und alles hat gut funktioniert. Chuck und ich sind jedoch bis zum Schluss gute Freunde geblieben.

Daniel: Deaths „Human“-Besetzung spielt heutzutage immer noch Tributegigs. Wie findest Du das? Hältst Du das generell für eine gute Idee, oder findest Du, dass es Abzocke ist?

Chris: Hey, wenn Chucks Familie damit kein Problem hat, warum sollte ich das dann schlecht finden? Ich wünsche allen Beteiligten immer nur das Beste!

Daniel: Welche Idee steckte denn anfangs hinter Autopsy? Wie kam der Stein ins Rollen?

Chris: Es steckte natürlich die Idee dahinter, brutalen, harten und schädelspaltenden Metal zu machen! Zuerst haben Eric und ich darüber geredet, eine neue, eigene Band zu gründen und die verheerendste Musik überhaupt zu machen. Nachdem Danny dazu kam, war das Puzzle komplett und wir konnten richtig loslegen!

Daniel: Welche Bands haben Euch denn hauptsächlich beeinflusst?

Chris: Zur Zeit der Gründung hörten wir so Zeug wie Death, Slayer, Trouble, Repulsion, Master, Black Sabbath, Pentagram, Saint Vitus, Candlemass, Witchfinder General, Cream, Robin Trower, Procol Harum, Mahogany Rush, Terrorizer, Alice Cooper, Frank Zappa, Sodom und vieles mehr.

Daniel: Wovon handeln Eure Texte genau? Geht es nur um die Erfüllung der üblichen Death Metal Klischees oder steckt tatsächlich eine bestimmte Botschaft dahinter?

Chris: Nein, die Predigten überlassen wir anderen Bands. Bei Autopsy geht es nur um Horror, Dunkelheit, Tod, Eingeweide, Alpträume, Halluzinationen, Hirntod, und andere Dinge, die Dir die Haare zu Berge stehen lassen.

Daniel: Es ist seltsam, dass Du als Schlagzeuger auch gleichzeitig der Sänger bist! War das von Anfang an so geplant, oder hat sich das einfach so ergeben? Gab es damals keinen Sänger, der Euch überzeugen konnte?

Chris: Klar, es war schon ein ungewöhnlicher Schachzug, aber ehrlich gesagt fand ich keinen geeigneten Mann für die Art Gesang, die ich haben wollte. Wir hatten es zunächst mit einem Freund probiert, aber es klang mies und wollte nicht funktionieren. Du musst bedenken, dass es zu der Zeit sehr ungewöhnlich war, Death Metal zu spielen. Death Metal-Sänger standen also nicht gerade Schlange, haha! Wir haben sehr schnell gemerkt, dass wir auf uns selbst angewiesen waren... Eric und ich wollten dann den Gesang unter uns aufteilen, was eigentlich eine originelle Idee war. Letztendlich wollte Eric sich dann aber doch nur auf die Gitarre konzentrieren. Also übernahm ich dieses Erbe, obwohl er anfangs auch noch bei einigen Songs mitgesungen hat.

Daniel: Und hat das auf Anhieb geklappt? Oder musstest Du viel dafür üben?

Chris: Es hat tatsächlich sofort ganz gut hingehauen. Es fiel mir nicht besonders schwer, aus welchen Gründen auch immer... Ich schätze, es sollte einfach so sein!

Daniel: Wie seid Ihr denn an den Plattenvertrag mit Peaceville Records gekommen? Ich finde es übrigens erstaunlich, dass sich das bis heute nicht geändert hat!

Chris: Ich hatte Kontakt zu Jeff von Carcass und wir tauschten unsere jeweiligen Demotapes. Ich kannte nicht viele Leute, Jeff jedoch kannte Hammy von Peaceville und hat ihm von uns erzählt. Hammy schrieb uns einen Brief und bot uns einen Plattenvertrag an. Das war interessant, weil sowohl Peaceville als auch Autopsy gerade aus dem Boden wuchsen, so zu sagen. Es schien eine gute Idee zu sein, und jetzt, 26 Jahre später, sind wir immer noch bei ihnen unter Vertrag!

Daniel: Ich persönlich mag Eure ersten beiden Alben („Severed Survival“ und „Mental Funeral“) sowie die „Fiend For Blood“-EP am liebsten. Wart Ihr Euch damals bewusst, solche Szeneklassiker rausgehauen zu haben? Hättest Du Dir das jemals ausmalen können?

Chris: Na ja, zu der Zeit waren das eigentlich noch keine Death Metal Klassiker, haha! Death Metal war damals immer noch relativ unbetretenes Territorium. Wir haben einfach nur die Musik gemacht, die uns am besten gefiel und die wir selber hören wollten. Wir hatten überhaupt nicht voraus geschaut. Wir machten es einfach aus dem Bauch heraus, weißt Du?

Daniel: Wie denkst Du heute über die Entwicklung in Eurer Musik? Magst Du die späteren Alben „Acts Of The Unspeakable“ und „Shitfun“ heute noch? Seid Ihr damit immer noch rundum zufrieden?

Chris: Wir hätten niemals ein Album veröffentlicht, mit dem wir nicht auch zu 100 % zufrieden gewesen wären! Und das meine ich ernst! Was den Fortschritt angeht, wir haben einfach weiter Songs geschrieben, gespielt und aufgenommen, von denen wir überzeugt waren, dass nur Autopsy dafür verantwortlich sein konnten, hehe! Also, ja: Ich liebe alle unsere Alben und würde auch im Nachhinein nichts daran ändern!

autopsyDaniel: Nach „Shitfun“ haben sich Autopsy 1995 aufgelöst. Warum? Was waren die Gründe dafür?

Chris: Es war die furchtbare US-Tour, die wir 1993 bestritten, die uns dazu bewegte. Wir wurden viel zu lange viel zu schlecht promotet. Das hat der Band geschadet. Wir haben den Spaß daran verloren, in einer Band zu sein. Wir merkten einfach, dass es vorbei war und das vorläufige Ende der Band gekommen war...

Daniel: Was hast Du denn zwischen 1995 und 2008 so getrieben? Ich habe gelesen, dass Du noch in Bands wie Abscess und The Ravenous gespielt hast. Klangen sie auch wie Autopsy? Oder war es Dir wichtig, dass sich diese Bands völlig voneinander unterschieden?

Chris: Abscess waren von 1994 bis 2010 aktiv. The Ravenous war eher ein Nebenprojekt, aber ebenfalls heavy und ganz schön krank. Beide hatten zwar auch Elemente von Autopsy, aber hatten auch ihren eigenen Stil. Ich kann nur sagen, dass ich nach der Auflösung Autopsy´s keine große Lust dazu hatte, etwas stumpf zu kopieren, was ich vorher schon einmal gemacht hatte. Welchen Sinn hätte das auch gemacht?

Daniel: Warst Du noch in weiteren Bands oder Projekten involviert?

Chris: Klar! Da gab es noch EatMyFuk, eine Sleaze Punkband im Stil von GG Allin und Mirror Snake, die obskuren Psychedelic Rock spielten. Das Mirror Snake-Album ist übrigens auch noch auf der Autopsy-Internetseite erhältlich. Alle Bands klangen schon sehr unterschiedlich, aber sie haben unseren Durst nach verschiedenen musikalischen Ufern gestillt.

Daniel: Wie kam es denn zur Wiedervereinigung von Autopsy um 2008/2009? Und war es einfach, die alte Besetzung wieder zusammen zu trommeln? Bist Du mit ihnen über all die Jahre immer in Kontakt geblieben?

Chris: Uns fiel auf, dass „Severed Survival“ schon auf dem Buckel hatte, und wir fanden, dass das Album so etwas wie eine Jubiläumsfeier verdient hatte. Es sollte nicht nur durch eine CD mit Live- und Proberaumaufnahmen, sondern auch zwei seinerzeit brandneuen Stücken gewürdigt werden, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen. Danny und ich hatten ja auch bei Abscess zusammen gearbeitet, genauso wie Joe. Es war also nicht allzu schwer, sie mit an Bord zu holen. Wir sind auch immer mit Eric befreundet geblieben; das war also auch kein Problem. Und im Geiste des guten Willens, nahm auch Clint von Abscess an den Festivalauftritten teil. Wir dachten zunächst, dass das alles war und hatten ansonsten keinerlei zukünftige Pläne mit Autopsy. Dann konnte uns jedoch Evan vom Maryland Death Fest davon überzeugen, nach dem Festivalauftritt richtig weiter zu machen.

Daniel: Wie war es denn für Euch, nach so vielen Jahren für das Comebackalbum „Macabre Eternal“ wieder gemeinsam ins Studio zu gehen? Habt Ihr so etwas wie Erfolgsdruck verspürt? Und haben sich Eure Songideen zunächst drastisch unterschieden, im Vergleich zu Eurer Vergangenheit? Ich meine, nach solch einer langen Zeit war es doch bestimmt nicht ganz einfach, ein neues Album aufzunehmen, dass allen Autopsy-Fans gerecht wird und dennoch nicht zu altbacken klingen durfte... Weißt Du, was ich meine?

Chris: Wir hatten das Eis ja schon zuvor sowohl mit der „Horrific Obsession“ als auch mit der „The Tomb Within“ EP gebrochen. Von daher war es halb so wild. Andererseits würden wir aber auch niemals etwas veröffentlichen, mit dem wir nicht vollkommen zufrieden wären. Wir wussten, dass wir immer noch Arsch treten würden! Zu der Zeit haben wir uns nicht mehr um musikalische Einflüsse geschert, da wir ja bereits unseren Weg eingeschlagen hatten. Dieser Weg war immer noch geebnet; wir mussten nur weiter einen Fuß vor den anderen setzen und unseren Weg fortfahren. Weißt Du, was ich meine? Das Zusammenfinden war nie ein Problem für uns, und ist es auch immer noch nicht.

Daniel: 2012 waren Autopsy Headliner auf dem Party.San Open Air. Wie kam es dazu? Und wie waren Eure Eindrücke von diesem Festival?

Chris: Das war einer der vier Auftritte, die wir angenommen hatten, als wir uns reformierten. Sie hatten mit uns Kontakt aufgenommen, als sie hörten, dass wir uns wieder zusammen getan hatten. Und wir fanden, es war eine gute Idee. Es war der Hammer; das kann ich Dir sagen! Tonnenweise Matsch, Bands und Alkohol festigten diesen Eindruck... Was will man mehr? Haha! Nein, im Ernst: Es war der Wahnsinn! Wir waren Headliner vor 10.000 Freaks, weißt Du? Wenn und das jemand in unseren Anfangstagen vorhergesagt hätte, hätte man uns einweisen können.

Daniel: Sogar heute spielen immerhin noch drei der vier Leute aus der Urbesetzung bei Autopsy. Ist es Dir wichtig, dass Autopsy langjährige Freunde sind und nicht nur eine Art „Job“?

Chris: Autopsy können nur existieren, wenn wir dabei ein gutes Gefühl haben und davon überzeugt sind, das Richtige zu tun. Wir werden immer Freunde bleiben, aber Autopsy als solches ist etwas ganz Besonderes und sollte nicht unterschätzt werden. Das Leben ist zu kurz und zu wertvoll für diese Denkensweise. Wenn wir etwas machen, etwa ein Album oder einen Auftritt, dann kannst Du Deinen Arsch darauf verwetten, dass wir es wirklich wollen und keine Gefangenen machen werden!

Daniel: Erzähl uns doch noch etwas über das neue Album „Tourniquets, Hacksaws And Graves“! Wie lange hat es gedauert, die Songs zu schreiben und aufzunehmen?

Chris: Ich will nicht um den heißen Brei herum reden und kann Dir versichern, dass Du vollkommen überzeugt von dem Album sein wirst, wenn Du auf Autopsy stehst! Es gibt keinen faden Beigeschmack der heutigen Zeit, keinen Beitrag für einen populären Contest und keine Eintrittskarte in eine große Verkaufskette. Wir sind, wer wir sind und „Tourniquets, Hacksaws and Graves“ ist ein handfester Beweis dafür.

Daniel: Was können wir denn in Zukunft noch von Autopsy erwarten? Erzähl mal!

Chris: Ich habe keine bekackte Ahnung... Wir gehen einfach weiter unseren Weg, Leute. So wie wir es immer getan haben, von Anfang an. Hauptsache, wir haben musikalisch etwas zu sagen, sowohl im Studio als auch auf der Bühne. Abgesehen davon könnt ihr davon ausgehen, dass wir immer aus unserem verrotteten Herz sprechen und wir echt drauf scheißen, was gerade populär ist und was nicht.

Daniel: Alles klar, Chris! Die letzten Worte gehören Dir!

Chris: Cheers, chunks, beers, noise, nightmares, ugliness, fuck the trends, think for yourself, turn it up, enjoy whatever the hell rocks your socks off and support the underground resistance! Ich werde jetzt die Kontrolle über Deinen technischen Ratschlag an Dich zurück geben!

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Autor: Daniel Müller