URIAH HEEP, NAZARETH, WISHBONE ASH

Dortmund, Warsteiner Music Hall, 30.01.2020

Uriah Heep - live - 2020-1Unter dem Motto „Music & Stories“ feiern gleich drei Rock-Dinosaurier ihr fünfzigjähriges Jubiläum und gehen gemeinsam auf Tour: Uriah Heep, Nazareth und Wishbone Ash. Was für ein Package! Besonders geil ist, dass ich alle drei Bands seit meiner Jugend kenne und bisher keine von ihnen live gesehen hatte. Und näher bis vor meine Haustür (26 Kilometer Anfahrt) kommen sie auch nicht. Wer weiß, wie oft sie überhaupt noch kommen. Moderiert wird das Ganze von Initiator Andy Scott, seines Zeichens Gitarrist, Gründer und bis heute einziges permanentes Mitglied der Glam Rocker Sweet. Die Halle in Dortmund-Hörde hatte ich bislang nur von außen gekannt und mir immer gedacht, dass man da gut eine Konzerthalle draus machen könnte. Meine Gedanken sind also erhört worden! Die Halle hat einen riesigen, leeren Innenraum. Ganz hinten rechts steht der Merchandise-Stand, ganz links in der Mitte der Bierstand, hinten links mittig dann die große Bühne. Sonst nichts. Keine Türen, keine Gänge, sogar nur nacktes Gemäuer. Meine Befürchtung, der Sound würde hier matschig werden und einfach verfliegen, bestätigt sich allerdings nicht. Ich bin beeindruckt von dem glasklaren Sound, den alle drei Bands haben, und zwar egal, ob man nun frontal vor der Bühne, links am Getränkestand oder ganz hinten am Merchandise steht. Völlig abgefahren.

Wishbone Ash - live - 2020Zunächst betritt Andy Scott in einem schwarzen Glitzeranzug die Bühne und richtet Worte an alle drei Bands. Dann beginnt das letzte Konzert dieser Tour mit den legendären Wishbone Ash. Von der Urbesetzung ist nur noch Gitarrist und Sänger Andy Powell am Start. Für viele Hard Rock-Fans ist das 1973 erschienene Album „Argus“ der Klassiker der Band schlechthin. Das scheinen die Engländer genauso zu sehen, denn gleich vier der sieben heute Abend gespielten Songs stammen von diesem Album. Mit „The King Will Come“, „Warrior“ und „Throw Down The Sword“ wird gleich zu Beginn ein famoser „Argus“-Dreierpack geschnürt. Vor allem beim letztgenannten Track mit seinen Twinleads und dem drum herum gespielten Basslauf wird ganz schnell klar, wo Iron Maiden ihre Hausaufgaben gemacht haben. Andy Powell erzählt, dass sie schon einmal in Dortmund gespielt hatten, im Piano, und fragt das Publikum, wer seinerzeit dabei gewesen war. Nach den ersten drei Songs stellt Andy Powell Gitarrist Mark Abrahams vor. „Komisch, die Band wird immer älter, aber ihre Mitglieder immer jünger, außer ich!“, scherzt er. „Wir haben ein neues Album draußen. Na ja, noch nicht, aber bald“, wird der nächste Tonträger „Coat Of Arms" angekündigt, von dem der nächste Track stammt. „Erst der Amazonas, dann Kalifornien und jetzt Australien. Irgendetwas stimmt nicht.” Er spricht von den Bränden und kündigt den neuen Song „We Stand As One” an. Mit „Jail Bait“ folgt ein Song des zweiten Albums „Pilgrimage“ aus dem Jahr 1971. Auch hier muss ich wieder an Iron Maiden denken. Danach kommt mit dem endlos langen „Phoenix“ vom selbstbetitelten Debüt ein Song meines persönlichen Wishbone Ash-Lieblingsalbums. Hier spielt sich die Band in Trance. Auch Synchron-Posing im Stil von Judas Priest gibt es hier zu sehen. Das abschließende „Blowin´ Free“ stammt dann wieder standesgemäß von „Argus“, bevor die Band mit tosendem Applaus verabschiedet wird.   

Setlist: The King Will Come, Warrior, Throw Down The Sword, We Stand As One, Jail Bait, Phoenix, Blowin´ Free

Nazareth - live - 2020In der Umbaupause treffe ich Wishbone Ash-Urgestein Andy Powell am Merchandise und kann schnell mit ihm ein Foto machen. In der Zwischenzeit betritt wieder Moderator Andy Scott von Sweet die Bühne und redet an einem runden Stehtisch mit Gitarrist Mick Box und Sänger Bernie Shaw von Uriah Heep und entlockt ihnen ein paar alte Tour-Anekdoten. Unter anderem erzählen sie von einem Auftritt in einem Gefängnis, wo sie eine Textzeile von „Free Me“ („Free me from your spell“) in „Free me from your cell“ umgedichtet haben, was zur positiven Party-Stimmung der Inhaftierten geführt hatte. Außerdem erzählen sie von einem Konzert in einer unterirdischen Höhle, bei dem Band, Equipment und Publikum mit einem Aufzug fünfhundert Meter in die Tiefe befördert worden waren. Danach betreten dann Nazareth die Bühne, und das Erscheinungsbild ist völlig gegensätzlich im direkten Vergleich zu dem von Wishbone Ash. Statt einer Verjüngungskur wie bei der ersten Band des Abends, sehen Nazareth richtig alt aus! Sogar der Schlagzeuger Lee Agnew, Sohn des einundsiebzigjährigen Bassisten und einzig verbliebenen Gründungsmitglieds Pete Agnew, sieht alt aus, obwohl er deutlich jünger ist aks der Rest der Band. Aber auch das Stageacting ist anders, wie beim stampfenden Opener „Miss Misery" und dem Doublebass-Kracher „Razamanaz" sofort zu sehen ist. Zunächst ist es so, dass jeder Musiker an seinem Platz steht und nur sein eigenes Ding runterhobelt. Dies ändert sich eigentlich erst in der Mitte des Sets bei dem an „Black Dog" von Led Zeppelin erinnernden „Changin´ Times“ und dem darauffolgenden „Hair Of The Dog“, als die Band sich so richtig in Fahrt spielt und auch endlich gemeinsam auf der Bühne posiert. Sänger Carl Sentance, der 2014 Originalsänger Dan McCafferty ersetzt hatte, entpuppt sich als toller, energischer und humorvoller Frontmann. Er streckt ein Warsteiner Bier in die Luft (lustigerweise der Namensgeber der heutigen Konzertstätte!) und fragt das Publikum, ob das gut ist. „Es muss gut sein, es ist Freibier, haha!“, witzelt er, bevor es mit dem Titeltrack des letzten Albums „Tattoed On My Brain“, dem einzigen Studio-Album mit Carl am Gesang, von dem es heute immerhin zwei Songs gibt, weitergeht. Zum Runterkommen gibt es noch die schöne Ballade „Love Hurts“ und am Schluss das verspielte „Morning Dew“ vom selbstbetitelten Debüt aus dem Jahr 1971, das mit einem druckvollen Basslauf anfängt und die ganze Zeit rollt, obwohl man den Eindruck hat, dass die Band dabei irgendwie nicht zum Punkt kommt, da immer dasselbe Riff scheinbar in Endlosschleife wiederholt wird. Bis auf Urmitglied Pete Agnew am Bass, der die ganze Zeit über stocksteif da steht, ist hier knapp eine Stunde lang richtig viel Bewegung drin. Und auch Nazareth werden mit viel Applaus fanatisch vom Publikum verabschiedet.    

Setlist: Miss Misery, Razamanaz, This Flight Tonight (Joni Mitchell-Cover), Dream On, Change, Beggar´s Day (Crazy Horse-Cover), Changin´ Times, Hair Of The Dog; Tattoed On My Brain, Love Hurts (The Everly Brothers-Cover), Morning Dew (Bonnie Dobson-Cover)

Uriah Heep - live - 2020-2Pete Agnew bleibt auf der Bühne und gesellt sich zu Andy Scott und Andy Powell an den Stehtisch, um einige Tour-Anekdoten aufzufrischen. Nazareth und Wishbone Ash hatten schon oft in den Siebzigern und Achtzigern gemeinsam auf diversen Festivals gespielt. Einmal soll jemand, während Wishbone Ah gerade „Phoenix“ gespielt hatten, einen toten Vogel aus dem Publikum auf die Bühne geworfen haben. Zudem erzählt Andy Powell, dass er erst durch Nazareth das Saufen gelernt habe und dass man niemals mit Schotten saufen sollte. Vorher habe er niemals Alkohol getrunken. Daraufhin folgt, passend dazu, das Geständnis von Pete Agnew, er habe endlich den Alkoholismus besiegt und sei nun trocken. Dies wird mit begeistertem Applaus aus dem Publikum gewürdigt. Als Uriah Heep als dritte und letzte Band des Abends die Bühne betreten, ist es in den vorderen Reihen deutlich leerer geworden. Diejenigen, die nicht mehr da sind, verpassen aber noch einiges! Der Opener „Grazed By Heaven“ vom aktuellen Album „Living The Dream” überrascht mich. Ich hätte nie gedacht, dass Uriah Heep heute so hart sein würden! Schlagzeuger Russell Gilbrook peitscht seine Band ganz schön nach vorne und haut richtig drauf. Geil! Mit „Too Scared To Run“ vom 1982er Album „Abominog“ folgt ein eher unbekanntes Stück. „Take Away My Soul“ ist dann wieder vom neuen Album. „Wir gehen zurück zu den Anfängen der Band! Mein bestes Deutsch: Neunzehnhundertzweiundsiebzig“ spricht Sänger Bernie Shaw die Jahreszahl perfekt auf Deutsch aus. Nun folgen die Klassiker, die ich auch kenne: „Rainbow Demon“, der Mega-Ohrwurm „Gypsy“, der sehr progressiv und beängstigend tight gespielt ist, das hymnische „Look At Yourself“ und das ursprünglich aus drei völlig verschiedenen Teilen im Proberaum zu einem Magnum-Opus zusammengefügte und mit einem spannenden Songaufbau versehene „July Morning“. Hier ist die Spielfreude besonders hoch. Der Mittelteil will gar nicht enden, weil alle beteiligten Musikern sich in Rage spielen. Der sehr an Joey DeMaio von Manowar erinnernde Bassist Davey Rimmer rennt wild durch die Gegend, Keyboarder Phil Lanzon spielt fast nur mit der rechten Hand und posiert verrückt und mystisch mit der linken. Sänger Bernie Shaw singt scharfkantiger als ich es erwartet hatte. Das Zusammenspiel ist toll! Hier kommt wirklich noch das Original-Flair aus den Siebzigern zum Vorschein, wo die Bands nicht, so wie heute, einfach alles nur routiniert runterrattern, sondern noch in Endlosschleife zu improvisieren scheinen, nur um nach gefühlt zehn Minuten doch wieder auf wundersame Weise zusammen zu finden und den Song doch noch gemeinsam zu beenden. Gitarrist Mick Box, der als einziges Gründungsmitglied bis heute verblieben ist, holt die Akustikgitarre hervor, und es gibt mit „Lady In Black“ eine kleine Verschnaufpause zum Ende des regulären Sets. Moderator Andy Scott betritt danach noch ein letztes Mal die Bühne und bedankt sich bei allen Beteiligten für die tolle Tour, die heute, hier in Dortmund, ihr Ende findet. Er kündigt Uriah Heep ein zweites Mal an. Nach „Sunrise“ und der pumpenden, unsterblichen Rock-Hymne „Easy Livin´“ ist dann endgültig Schluss, und ein toller, legendärer Abend geht gebührend zu Ende.     

Setlist: Grazed By Heaven, Too Scared To Run, Take Away My Soul, Rainbow Demon, Gypsy, Look At Yourself, July Morning, Lady In Black, Sunrise, Easy Livin´     



Autor: Daniel Müller - Pics: Dirk Determann