SHOUT IT OUT LOUD FESTIVAL 2

Mülheim, RWE-Halle, 10.03.2012

Vorab erst Mal ein Dankeschön an den Veranstalter, der vor Ort den Disput mit mir unterbrach und mir ad hoc eine Akkreditierung gewährte. Ein cooler Schritt. Näher braucht man auf das Thema auch nicht mehr eingehen. Zumal sich 90% der von mir bemängelten Dinge sich durch eine starke Leistung des Veranstalters in Luft aufgelöst hatten. Gut das wohlwollende, aber sicherlich lockere Versprechen von Ricardo Maier, Poison auf die Bretter zu bringen, konnte nicht eingehalten werden (womit auch nicht wirklich jemand gerechnet hat), doch auch das diesjährige Billing ist sicherlich geil und in dieser Gegend auch einzigartig. Schade, dass nicht mehr Fans den Event frequentierten. Der Erfolg schien sich jedoch für den Veranstalter bezahlt zu machen, denn im diesjährigen Herbst kommt die dritte Ausgabe auf die Bühne und das mit einem Zauber-Billing, falls alle angekündigten Acts teilnehmen. Dazu mehr auf dem Flyer am Ende des Berichts.

SIOL2 the blackest white LIVE 2012Nach dem obligatorischen Abklappern der bekannten Gesichter, ein Bier und los ging es mit dem Opener The Blackest White. Was soll ich sagen, als Opener nicht schlecht, war aber auch schwierig mit altbekannten Heroes der Szene zu konkurrieren, vor allem wenn man Old-School-Sleaze spielt. Die vier jungen Burschen aus Heidelberg haben zumindest das Nötige von allem drauf, Musik, Vocals, Outfit und Moves, um nicht peinlich zu wirken. Sie sind zwar noch im Demostatus, aber der kann sich bereits hören lassen. Songs wie „Wilder Side“, das an jugendliche Glanztaten von Mötley Crüe anlehnt, die lockere Sommer-Schmonzette, „You And I“, die mit richtigem Airplay ein Hit werden könnte, oder das raue Thema von „You`re So Rock N` Roll“, treffen sicherlich den Geschmack der Nachwuchs-Fans.

SIOL2 stala LIVE 2012Stala & So aus Finnland, mit ihrem Flitter-Glam und Make-Up, waren die Nachfolger des noch jungen Tages und zündeten ein wahres Feuerwerk. Ich war sehr gespannt auf die Jungs, die mich schon mit ihrem Zweitwerk „It Is So“ aus dem letzten Jahr  begeisterten. Charmante aber leichte Kost für die Sommer-Party, und mit einem der besten Gitarristen des Abends. Sami J. spielt nicht nur irre Soli, sondern ist mit einer Spielfreude unterwegs die ihresgleichen sucht. Gilt aber fast für jedes Bandmitglied. Über das Outfit lässt sich nicht streiten!!! Dies ist ein Hair-Metal-Festival. Erlaubt ist, was Spaß macht. Stala & So hatten eine handvoll Fans bereits im Sack (Sänger Sampsa Astala ist schließlich ein Ex-Lordi) und konnten gemütlich und cool durch den Set ihrer kraftvollen Tracks jagen. Schließlich war der Beitrag „Pamela“ schon einigermaßen bekannt. Zudem blieb immer ein Sekündchen Zeit für ein Späßchen. Love it!!!

SIOL2 hollywood burnouts LIVE 2012Die Vierer-Combo Hollywood Burnouts könnten eigentlich schon als Veteranen des Festivals gelten. Waren sie doch bereits im Vorjahr im Opening Programm des Festivals sehr erfolgreich tätig. Was ihnen anscheinend den heutigen Spot beschert hat (wenn ich netterweise Vetternwirtschaft außer Acht lasse, haha, lol Ricardo). Wie dem auch sei, diese Band ist unschlagbar. Sie sind mit ihren packenden Chartsongs die kommende Poser-Überraschung der letzten Jahre. Da muss nicht jeder Ton von Fronter Mike Nazzty stehen und selbst ein Gitarrengriff kann schräg klingen, „That`s Live“!!! Das Potential von Beiträgen wie „Hands Of Rock“, „Tonight“, „Wild Side“ und „Gimme, Gimme, Gimme“ ist riesig und animierte fast jeden zum Feiern. Hollywood Burnouts präsentieren was für das Ohr und für das Auge. Wilde Bühnenaction angeführt von Gitarristin Chrizzy Roxx und Soli von einem der besten Klampfer in der neuen Szene (Mike), sind fette Punkte auf der Haben-Seite. Diese Band wird den Hairspray-Metal aufrecht in die nächste Dekade tragen. Mitunter der beste Gig des Abends. „Excess All Areas“ ist das erste Album, das ich seit meiner fünfzehnjährigen Karriere als Schreiberling gekauft habe. Respekt!!!

SIOL2 sister LIVE 2012Von Sister (ja, so hieß bereits die alte Band von W.A.S.P.-Chef Blackie Lawless) versprach ich mir sehr viel, da mir ihr letztes Album „Hated“ ziemlich viel Schmackes in mein Wohnzimmer brachte. Doch die Menge der Songs wurden live zu undifferenziert präsentiert. Viel machte aber auch der üble Sound des Mixers kaputt. Und actionmäßig gab es einen aggressiveren Abklatsch von den Hardcore Superstars. Sänger Jamie wäre gerne eine Mischung aus bösem Vince Neil und Sebastian Bach, aber dafür fehlt ihm noch etwas Eigenständigkeit. Seine Art des Bühnenderwisches wirkt bei Hardcore Superstar einfach sympathischer. Dennoch waren ihr punkig-sleaziges Programm kompakt und die Jungs gaben sich redlich Mühe, die Bühne in Brand zu stecken, um sich vom Rest des Billings abzusetzen. Leider ging das auf Kosten der großartigen Songs, dem es an transparenter Dynamik fehlte.

SIOL2 vanderbuyst LIVE 2012Als nächstes kamen die Niederländer von Vanderbuyst auf die Bühne. Dieses Trio war hier heute fehl am Platze. Ich verstehe eh den Hype dieser Band so gar nicht. Sie spielen strunznormalen Rock n` Roll mit einem Hauch von AC/DC, Rose Tattoo und den üblichen anderen Verdächtigen. Das kratzt mich heute nur noch minder. Es gab ein Best-Of-Set der beiden Alben der Band in spartanischer Ausführung. Will heißen: kein Outfit, keine Show. Purer straighter Rock mit „ohne“ Attitüde. Kein Wunder, dass es vor der Bühne merklich leerer wurde und gerade das jüngere Publikum Richtung Gerstengebräu marschierte, oder dem Duft vom komischen Essen folgte. Ich selber hörte mir den Rest des zweiten Abschnitts auch nur aus der Ferne an und stöberte durch den gut bestückten Metal Markt.

SIOL2 tuff LIVE 2012Den nächsten Act muss man wohl als Kind unserer Zeit betrachten. Wir wollen immer unsere alten Heroes sehen, von denen sich viele nicht mehr ausstehen können oder mit anderen Musikern in der zwölften Besetzung spielen. Da kneifen viele Fans und Veranstalter schon Mal die Arschbacken zusammen und freuen sich auf „nur“ den Sänger einer alten Band. Kann man machen, muss man aber nicht. Im Fall von Tuff und Shameless ist es gleich zwei Mal Steve Rachelle, der den Kopf hinhalten sollte. Aber das tat er mit Bravour. Sein typisches, lockeres und amerikanisches, leicht überhebliches Gehabe verzückte nicht nur die Mädels. Steve präsentiert die Leichtigkeit und Coolness der Szene, obwohl er eigentlich immer im Schatten von Bret Michaels (Poison) stand und seine Bands mindestens zur zweiten, wenn nicht, wie hierzulande, sogar zur dritten Garde des Hairspray-Metal, gehörten. Kein Wunder, dass man die Band-Besetzung für diesen Auftritt großartig zusammenwürfeln musste. Mit Dabei Shameless-Boss Alexx Michael am Bass, Gitarrist und Ruhrgebiets-Hero Andy Brings (ex-Powergod), der seine Bewunderung für seinen Fronter, auf der Bühne kaum im Zaum halten konnte, sowie der zweite, mir unbekannte Gast-Klampfer, sowie Shameless-Drummer Tod T. Burr. Man servierte die Hits von beiden Bands mit eine Menge Humor und Professionalität. War hier schon der Headliner auf der Bühne? Laut Publikum hätte man der Meinung sein können. Mitmach-Gelegenheiten wie der Spaß-Track „American Hairband“, wurden grundsätzlich genutzt und Haare flogen en masse. Selbst als Andy eine Ramones-Song singen durfte, bleib die Stimmung auf dem Höhepunkt. Ein toller Zug von Herrn Rachelle, mal das Zepter abzugeben. Ansonsten war es toll, sich an den Shameless-Songs wie „Queen 4 A Day“ oder „Summertime Goodbye“ zu laben. Und als die Ballade „I Hate Kissing You Goodbye“ angestimmt wurde, waren alle Mädels hin und wech!

SIOL2 vain LIVE 2012Würde Davy Vain mit seiner Truppe Vain, dessen Songs auf CD absolut perfekt sind, die Situation meistern können, dem Vorgänger eins draufzusetzen? Nein. Das war ein Schuss nach hinten. Der alte Poser-Hippie kam barfuss mit peinlicher, roter, an den Seiten blanke Haut zeigender, Lederhose auf die Bühne und schritt permanent vorwärts und rückwärts hin und her, nur um sich manchmal auf den Boden zu schmeißen um etwas Wasser zu trinken. Mit dem alten Hit „Beat The Bullet“ oder dem aktuelleren Track „Enough Rope“ und den Beiträgen „Secrets“, „Who`s Watching Who“ und „Icy”, sowie “1000 Degrees”, hielt er einen ganzen Teil der Zuschauer bei der Stange, aber ein Teil kümmerte sich um Autogramme oder ging eine Zigarette rauchen. Der berühmte Funke wollte verständlicherweise nicht überspringen. Dazu trugen die langsamen Parts der Songs so wie die melancholischeren Themen deutlich bei. Das hätte man sich nach dem kalifornischen Sunnyboy Rachelle sparen können. Seine junge Truppe von Musikern war zwar perfekt eingespielt, aber es half nichts. Gerade mal der Hit „No Respect“ konnte noch etwas gute Zeit retten, aber das war heute nicht Davy`s Abend.

SIOL2 dangerous toys LIVE 2012Dangerous Toys gehörten für mich auch immer unter „ferner liefen“! Man hat zwar im Laufe der Jahre einen Song öfters oder ein ganzes Album einmal komplett gehört, aber viel hängen geblieben ist da nichts. Dangerous Toys waren mir immer zu sperrig und spröde, ohne wirkliche Hits. Einfach nicht meine Band. Das sahen hier in Mülheim einige Zuschauer deutlich anders. Aber die erwünschte Masse vor der Bühne zum Co-Headliner bleibt nach dem Tuff/Shameless-Auftritt auch hier aus. Obwohl alle drei Bands, also Dangerous Toys, Tuff und Vain aus einer Ära stammen und alle miteinander befreundet sind, zeigte, wie deutlich die Unterschiede auch in diesem Genre sein können und wie unterschiedlich man auf der Bühne agierte. Bei den Gefährlichen Spielzeugen war pure Energie das Maß aller Dinge. Keine Band hat an diesem Abend so sehr geschuftet und Funken gesprüht. Man spielte ein Best-Of Set der ersten beiden Alben, die man hierzulande vor 24 Jahren das letzte Mal live vernahm. Aber es half alles nichts. Da ein Teil des Publikums mit Small Talk auf den Balkonen verharrte. Zu tief saß noch der Stachel der überragenden Performance von Rachelle & Co.

SIOL2 hardcore superstar LIVE 2012Zum Headliner muss man sagen, dass er vielleicht nicht ganz glücklich gewählt wurde, da Hardcore Superstar in den letzten drei Jahren an jeder Steckdose hierzulande gespielt hat und sie jeder mindestens einmal erlebt haben dürfte. Und ein Poison-Ersatz sind sie bei weitem nicht. Jetzt fehlte auch noch Crashdiet da ein Mitglied krank war und Quiet Riot, da Sängerwechsel???, na ja. Obwohl Hardcore Superstar alles andere als schlecht oder gar unprofessionell sind, haben sie schon mal mehr gegeben als an diesem Abend. Zudem musste man fast eine halbe Stunde auf den Auftritt der Schweden warten. Mit voller Inbrunst schrieen die Fans die Musiker auf die Bühne. Als es dann soweit war, blieb kein Auge trocken und ohne Gefangene zu machen, legten die Rocker mit einem Best-Of Set der letzten fünf Scheiben eine vollständige Zeitreise an den Start. Leicht war man zurückversetzt an die Zeiten, wo noch Mötley Crüe mit Skid Row die Bretter teilten. Höhepunkt des Gigs war dann wohl der Moment, als Steve Rachelle auf die Bühne kam, um einen Song mitzusingen. „Last Call For Alcohol“ und „We Don`t Celebrate Sundays“ wurden als Zugaben geschmettert und später war das halbe Publikum mit auf der Bühne. That`s Rock `n` Roll.

SIOL2 flyer3 LIVE 2012Ich danke für einen tollen Abend und hoffe, dass vielleicht das Essensangebot im nächsten Jahr verbessert werden kann. Fetter Teig mit einer kleinen Scheibe Salami ist keine Pizza, sondern Müll. Danke auch für den tollen Bericht von Hardcore Superstar, aus der Feder von Ayhan Akkaya und dem Foto von Miriam Guigueno (Limited Access Records), da ich dem Headliner nicht mehr beiwohnen konnte.



Autor: Steve Burdelak, Ayhan Akkaya - Pics: Steve Burdelak, Miriam Guigueno