NEW WAVES DAY

Oberhausen, Turbinenhalle, 26.05.2018

Holygram - 1An einem sonnigen Samstagmittag brechen wir auf zum zweiten New Waves Day, um den Helden vergangener Zeiten unsere Aufwartung zu machen. Ein Parkplatz ist schnell gefunden und schon tauchen wir ein in die (noch) kühle Oberhausener Turbinenhalle.

 

Die 2015 gegründete Kölner Post-Punk-Band Holygram eröffnete den New Waves Day 2018 und stimmte mit ihren düster wavigen Klängen in den schwarzen Festival-Tag ein. Ganze fünf Songs hat das Quintett erst veröffentlicht, kein großes Repertoire also, auf das sie zurückgreifen konnten. Die Bühne war in blaues Licht getaucht und Nebel unterstützte die atmosphärischen Klänge, die Holygram selber als „Musik für die Verlorenen“ bezeichnen. Das Highlight ihres Auftritts war „Still There“, ein packender Song mit einer sehr schönen Melodie, der beim Publikum sehr gut ankam. (Birgit Kuklinski)

 

 

 

Der Fluch 1Als zweite Band stand nun Der Fluch auf der Tagesordnung. Nach einem dramatischen Intro enterten die Mannen um Deutscher W. die Bühne. Musikalisch wurde dem geneigten Hörer ein aggressiver und harter Mix aus Punk, Metal und Gothic geboten. Deutscher W. präsentierte sich als klassischer Frontmann mit guter Bühnenpräsenz, der ruhelos auf der Bühne auf und ab tigerte, sich kaum eine Pause gönnte und dabei dem Publikum seine Horrorstories darbot. Los ging es mit „Ich Bin Der Fluch“ gefolgt von „Hexen Leben Länger“. Er kam bei der Hitze draußen und dementsprechend mittlerweile auch in der Halle, dann doch sehr schnell auf Betriebstemperatur. Leider kam nicht wirklich richtig Stimmung in der weniger gefüllten Halle auf, obwohl die Songs durchaus bei dem einen oder anderen zumindest ein Mitwippen des Fußes im Takt auslösten. Einzig die Hardcorefans in den ersten Reihen waren voll dabei. So ernteten tolle Songs wie „Herr Der Fliegen“ oder „Fürsten Der Nacht“ nur verhaltenen Applaus. Auch das als Liebeslied deklarierte „Das Grauen Geht Um Heut Nacht“ konnte bei dem anwesenden Publikum keinen frenetischen Jubel auslösen. Erst der finale Song „Halb Mensch Halb Tier“ lockte die Anwesenden aus ihrer Starre und wurde dann doch abgefeiert. Sehr schade, denn der Auftritt der Band war wirklich gut und man hat bis zur letzten Sekunde alles auf der Bühne gegeben und eine gute Show geboten. Für diese Musik war es wohl das falsche Publikum. (Susanne Soer)

 

Clan - 1Mit Clan Of Xymox hielt die elektronische Musik Einzug. Blaues Licht paarte sich mit dem Intro, dann richtete sich aller Augenmerk auf Ronny Moorings, den Bandkopf der Holländer, dessen Songwriting so viele Anhänger in der schwarzen Szene schätzen. „Obsession“ gefiel mir persönlich als Start weniger, aber bereits das zweite Lied war ein echter Klassiker: „Louise“ begeisterte das Publikum. Mit „Loneliness“ folgte an dritter Stelle neues Material vom aktuellen Album „Days Of Black“. Der Sound ließ zu Beginn zu wünschen übrig, trotzdem zogen Clan Of Xymox mehr Fans an als Bands, die höher im Billing platziert waren. Die Halle war bis hinten gefüllt mit feiernden Menschen. Mit „Emily“, „Jasmine And Rose“, „A Day“, „Your Kiss“ (ebenfalls von der 2017er Veröffentlichung) und schließlich „Muscoviet Musquito“ trafen sie offensichtlich den Geschmack der Anwesenden. Ein Dank an dieser Stelle an die nette, entspannte Security. (Birgit Kuklinski)

 

Trisomie - 1Die französische Formation Trisomie 21 (benannt nach dem Down-Syndrom, bei dem das Chromosom Nummer 21 dreimal vorhanden ist) entstammt der Cold-Wave-Bewegung der frühen achtziger Jahre. Als Einstieg wählten die beiden Brüder Hervé und Philippe Lomprez mit „Where Men Sit“ jedoch einen Song vom aktuellen Album, danach „Waiting For“ aus dem Jahr 2007, gefolgt von drei Stücken des 2009er Albums „Black Label“. Erst dann kamen wir in den Genuss des instrumentalen „La Fête Triste“. Das war schon verrückt: Da stand nur ein Mann auf der Bühne, die Beleuchtungseffekte rückten ihn in den Fokus des Betrachters und wir lauschten gebannt den elektronischen Klängen. Danach „Tender Now“ vom aktuellen Album zu spielen war schon gewagt. Zum Abschluss kam ihr wohl größter Erfolg, das fast schon poppige „The Last Song“, auf das die ganze Halle sehnsüchtig gewartet hatte und es war ein echtes Erlebnis, dieses Lied live präsentiert zu bekommen. (Birgit Kuklinski)

 

Young Gods -1Ein Highlight dieses Tages waren die Schweizer The Young Gods. Die 1985 gegründete Band der Urväter des Industrial-Rocks werden von einigen hochkarätigen Bands heutzutage als Inspirationsquelle angegeben, haben aber leider nie deren Berühmtheit erreicht. Auch auf dem Festival erreichte das Trio einen Teil der Besucher mit ihrer Musik leider nicht, dafür hatten aber die in der Halle Verbliebenen das volle Programm an wunderbar ausgetüftelten Songs. Los ging es sehr ruhig und sphärisch mit „La Fille De La Mort“. Der Spannungsbogen wurde langsam gesteigert, der brachiale Drum-Sound floss gepaart mit Gitarren- und Bass-Samples ein und erreichte nach „The Irrtum Boys“ mit dem allseits bekannten „Skinflowers“ seinen ersten Höhepunkt. Franz Treichler sang die Songs nicht einfach nur, sondern man merkte, dass er die Songs auch lebt. Er nutzte die spärliche Bühnenbeleuchtung aus, um mit gezielter Gestik die Intensität der Songs zu unterstreichen. Dabei bewegte er sich zur Musik über die komplette Bühne. Somit war der Auftritt nicht nur hörenswert, sondern auch sehenswert. Mit über dreißig Jahren Bühnenerfahrung konnten die Schweizer bei der Songauswahl aus dem Vollen schöpfen. Einer Soundperle folgte die nächste, auch wenn sie manchmal nichts für sensible Ohren waren. Abseits der gewöhnlichen melodischen Bands lieferten The Young Gods unter anderem mit „L`Eau Rouge“ oder „The Night Dance“ individuelle, groovende, sphärische, wummernde Songs, bevor mit „Kissing The Sun“ und „L`Amourir“ ein toller Auftritt und ein absolutes Klangerlebnis viel zu schnell vorbei war. (Susanne Soer)

 

Chameleons - 1Frontmann Mark Burgess, der 1981 die britische Post-Punk-Band The Chameleons mitbegründete, präsentierte als Sänger und Bassist von ChameleonsVox die melancholisch anmutenden Hits der Band. Das Album „Script Of The Bridge“ aus dem Jahr 1983 ist nun fünfunddreißig Jahre alt, nicht verwunderlich also, dass  ChameleonsVoxihr Set mit „A Person Isn't Safe Anywhere These Days“ von besagtem Jubiläumsalbum begannen, direkt gefolgt von „Monkeyland“. Die Halle war extrem voll und erstaunlich viele der anwesenden Männer führten expressive Tanzbewegungen aus. Bei „Less Than Human“ war die Luft bereits zum Schneiden. Im weiteren Verlauf hörten wir unter anderem auch „Swamp Thing“ und „Soul In Isolation“ von dem 1986er Album „Strange Times“. „Soul In Isolation“ wurde in einer speziellen Version gespielt, in die sich The Beatles mit der Textzeile „All The Lonely People“ („Eleanor Rigby“) verirrt hatten. Mir persönlich gefiel dieser Song weniger – zu schleppend, um mit Mark Burgress‘ Worten „I’m Alive, Baby“ zu harmonisieren. Dafür war „Second Skin“, ebenfalls vom Jubiläumsalbum, wie erwartet die Mitsing-Hymne schlechthin. Aus meiner Perspektive hinter dem Mischpult ließ dieser Song wohl niemanden kalt. Ein großes Lob an dieser Stelle für den Menschen, der für die tollen Licht-Effekte zuständig war. Das aus dem Jahre 1985 stammende „Nostalgia“ hatte den passenden Songtext zum Ende des Sets: „Tomorrow I Remember Yesterday“ – an diesen Auftritt von ChameleonsVox werden sich viele Gäste gerne erinnern. (Birgit Kuklinski)

 

The Damned - 1Co-Headliner des Abends waren die Punkpioniere The Damned, die sich 1976 in London gründeten. Im April veröffentlichten sie ein neues Album „Evil Spirits“ und spielen derzeit jede Menge Liveshows. Einen dieser Auftritte durften wir nun in Oberhausen miterleben und man kann definitiv sagen: The Damned gehören noch lange nicht zum alten Eisen. Zwar merklich gealtert betraten Sänger Dave Vanian und Captain Sensible mit ihren Mitmusikern die Bühne, aber sie gaben von Anfang an Vollgas und strotzten nur so vor Energie und Spiellaune. Der Funke sprang auf das Publikum über und es machte sich gute Stimmung breit. Davon kann sich so manche Band dieses Tages was abschneiden. Die Engländer boten einen tollen Querschnitt ihres riesigen Repertoires. Los ging es mit „Street Of Dreams“ aus dem Jahr 1985. Es folgten „Wait For The Blackout“ und der 1979er Hit „Plan 9 Channel 7“ bevor endlich ein nagelneuer Song vom aktuellen Album gespielt wurde. „Standing On The Edge Of Tomorrow“ war aber auch der einzig neue Song im Set. Ein großer Teil der Show wurde mit Songs aus den 70er Jahren bestritten, wie auch die erste Single „New Rose“ von 1976. Absolute Partystimmung kam dann in der Halle bei dem Superhit „Eloise“ auf. Die Stimmung hielt an und als der Gig mit „Neat Neat Neat“ und „Smash It Up“ beendet wurde, konnte man gar nicht glauben, dass die Zeit so schnell vorbeigegangen war. Die Spielfreude, die man allen Musikern auf der Bühne ansehen konnte und die Energie, mit der sie performten, haben diesen Auftritt zu einem wahrlichen Erlebnis gemacht. Die „Alten“ sind halt immer noch unter den Besten. (Holger Fey, Susanne Soer)

 

Fields - 2Als Headliner standen Fields Of The Nephilim auf dem Programm. Verstehe aber einer die Auftritte dieser Band. Sind sie bei ihren Solotouren einfach nur genial, ähnelte ihr heutiger Auftritt eher einem Pflichtprogramm, das zwar solide dargeboten wurde, aber nicht mit ihren Soloauftritten zu vergleichen ist. Mit dem üblichen Intro, ganz viel Nebel und kaum Licht betraten die Engländer die Bühne und begannen ihren Set mit „Dawnrazor“. So weit so gut, aber dann passierte auch nicht mehr viel. Der Nebel und das schlechte Licht blieben, so dass man von weiter hinten kaum etwas auf der Bühne erkennen konnte. Da hätte XY auf der Bühne stehen können. Ihre Songs wie „Moonchild“, „Love Under Will“ oder „Psychonaut“ wurden vom Publikum zwar gefeiert und bejubelt, aber Carl McCoy zog sein Programm straight durch, ohne Interaktion mit den Fans. Die Songauswahl und deren Darbietung waren an diesem Abend eher einschläfernd. Carl McCoy verabschiedete sich dann nach „Morning Sun“ – nach knapp einer Stunde Spielzeit – mit einem raschen „Thank You“ und verließ schnellstens die Bühne. Die Zuschauer forderten natürlich eine Zugabe und durch den langen Zeitraum wurden die Buhrufe und Pfiffe immer mehr und lauter, denn es schien, als ob es das tatsächlich gewesen wäre. Als dann auch schon aus den Boxen Hintergrundmusik ertönte und zahlreiche Zuschauer die Halle verließen, erwiesen uns die Fields doch noch einmal die Ehre für zwei Songs. Nach einem träge gespielten „Last Exit For The Lost“ war dann aber definitiv Schluss. Dieser Auftritt von Fields Of The Nephilim zählt nicht unbedingt zu denen, an die man sich immer wieder gerne erinnern wird. (Susanne Soer)

Wer danach noch Energie hatte, konnte sich bei der Aftershow-Party austoben und diese Möglichkeit nutzten tatsächlich genügend Nimmermüde, die die Tanzfläche bevölkerten. Das DJ-Team TUXXEDOMOON, George und Zöller knüpfte nahtlos an das Live-Event an und verwöhnte die Gäste mit düsteren Klängen. (Birgit Kuklinski)



Autor: Birgit Kulinski, Susanne Soer, Holger Fey - Pics: Susanne Soer