ROCK HARD FESTIVAL Tag 2

Gelsenkirchen, Amphitheater, 26.05.2012

Tag 2: Dr. Living Dead! / Motorjesus / Portrait / Hell / Unleashed / Tankard / Psychotic Waltz / Bolt Thrower

Auch am zweiten Tag des Festivals war der Wettergott auf der Seite der Metalheads. Strahlend blauer Himmel, Sonnenschein und Temperaturen um die 28° C versprachen einen weiteren tollen Tag im Amphitheater Gelsenkirchen. Leider waren die Preise für Getränke und Nahrungsmittel dieses Jahr angestiegen, so dass es schon an Wucher grenzte für einen Becher Mineralwasser 3,50 € bezahlen zu müssen und das bei dem Wetter, worüber sich viele Festivalbesucher beklagten. Zum Glück waren Tetrapacks mit antialkoholischen Getränken erlaubt, wovon dann auch Viele Gebrauch machten, um den überteuerten Preisen aus dem Weg zu gehen.

 

ROCK HARD dr living dead LIVE 2012Als Opener auf einem Festival hat man oft die Probleme, dass der Sound mies und dass kaum Leute vor der Bühne stehen. Dieses Problem hatten die schwedischen Newcomer Dr. Living Dead! allerdings nicht. Das Amphitheater war schon gut gefüllt, als die maskierten, Stirnbänder tragenden Crossover-Thrasher mit den weißen, knielangen Tennissocken die Bühne betraten. Mit wuchtigem Sound uns sehr viel Spielfreude wurden auch die letzten Camper aus dem Schlaf gerissen. Mit ihrer Mischung aus S.O.D., Anthrax, Suicidal Tendencies und einem Schuss Slayer konnten sie jedenfalls alle Anwesenden mit guter Laune auf ihre Seite ziehen. Vor allem "Kill Me" wusste zu gefallen und blieb mir noch einige Zeit danach im Ohr hängen. Sehr cooler Gig zum Wachwerden einer hoffnungsvollen, jungen Band! Besonders kultig: Die anschließende Autogrammstunde bewältigten sie ebenfalls voll kostümiert! Kult! (Daniel Müller).

 

ROCK HARD motorjesus LIVE 2012Weiter ging es mit der sympathischen Truppe Motorjesus aus Mönchengladbach. Laut Aussagen des Sängers sei man vor dem Auftritt total nervös gewesen, da man sich ja bislang eher in Jugendzentren austoben durfte und somit das Rock Hard Festival ein Meilenstein für sie darstelle. Komisch, haben die nicht letztes Jahr beim Summer Breeze gespielt? Summer Breeze, Jugendzentrum? Na, ich weiß ja nicht… Von Nervosität war allerdings auf der Bühne nichts mehr zu sehen, souverän meisterten die Jungs ihren Set und man konnte ihnen ansehen, dass sie den Auftritt in vollen Zügen genossen. Der Heavy-Rock konnte zwar noch nicht die große Masse an Publikum vor die Bühne locken, aber diejenigen, die schon vor Ort waren, ließen sich bereitwillig von der guten Laune mitreißen. Chris „Howling“ Birx hätte also den Ratschlag von Tom Angelripper gar nicht umsetzen müssen. Dieser hatte ihm geraten, eine Tüte Bier im Publikum zu verteilen um deren Sympathie zu erlangen. Trotzdem wurde das Bier und auch Jägermeister dankend von den ersten Reihen im Publikum angenommen. Alles in Allem zum wach werden genau die richtige Art von Metal / Rock Musik einer guten Band, die bestimmt einige neue Fans gewonnen haben dürfte. (Susanne Soer).

 

ROCK HARD portrait LIVE 2012Als nächstes waren die Schweden Portrait an der Reihe. Vor ein paar Wochen hatte ich einen super Auftritt der Band beim KIT erleben dürfen. Doch dieses Mal erinnerte mich der Auftritt eher an den letzt jährigen Gig beim Bang Your Head Festival. So richtig wollte die Musik dieses Mal nicht zünden, und das machte sich auch im Publikum bemerkbar. Nach der guten Stimmung bei Motorjesus verzogen sich doch Einige auf die Ränge oder den oberen Teil des Amphitheaters. Sänger Per Karlsson lieferte zwar wieder eine gute Performance ab, aber die Feinheiten des Gitarrenspiels von Lindell und Lagergren waren wohl für die breite Masse auf Dauer zu anstrengend. So blieben Songs wie „Bloodbath“ leider mal wieder auf der Strecke. Trotz eines soliden Auftrittes scheint der Old School Metal von Portrait wirklich nur auf entsprechenden Festivals und deren Fans anzukommen. Schade eigentlich. (Holger Fey).

 

ROCK HARD hell LIVE 2012Weiter im Programm ging es dann mit den Briten Hell aus Nottingham. Viele der anwesenden Rock Hard Besucher waren gespannt auf die Livedarbietung der Songs vom Album „Human Remains“, welches seinerzeit fantastische Kritiken bekam und sogar in den deutschen Charts landete. Mir persönlich war die Band bis dato unbekannt. Welch fataler Fehler das war, sollte ich dann erleben. Die Backdrops zierten Kirchenfenster und auf die Bühne kamen fünf weiß geschminkte Musiker in schwarzen Gothic-Klamotten und Effektkontaktlinsen, so dass ich zuerst dachte, ich sei auf dem Wave-Gotik-Treffen. Aber der klassische Heavy Metal der Briten zeigte dann, dass ich doch auf dem richtigen Festival war. Der Opener „Let Battle Commence“ und das folgende „On Earth As It Is In Hell“ zeigten dann, was in den kommenden 45 Minuten angesagt war. Eine hervorragend eingespielte Band mit einer einstudierten Choreographie und einem Sänger, der eine Bühnenpräsenz ohne gleichen besitzt. Man wurde nicht nur musikalisch gut unterhalten, sondern auch die Show war durchaus sehenswert. So kam Sänger David Bower zu “Plague And Fyre” mit einer Mönchskutte und Pestmaske auf die Bühne und kasteite sich im weiteren Verlauf selbst mit einer Peitsche. In seiner Darbietung zeigte sich, dass er ein ausgebildeter Schauspieler ist, seine Mimik und Gestik und der passende Einsatz seiner Stimme ließen die Songs und deren Inhalt lebendig erscheinen. So war es kein Wunder, dass Songs wie „MacBeth“ oder das abschließende „Save Us From Those Who Would Save Us“ vom Publikum begeistert gefeiert wurden. Ein wunderbares musikalisches Theaterstück, welches einfach viel zu kurz war. Die 45 Minuten Spielzeit vergingen wie im Flug und Hell waren für mich eine der Überraschungen des diesjährigen Festivals. (Susanne Soer).

 

ROCK HARD unleashed LIVE 2012Mit den Worten des Redaktionswikingers Frank Albrecht „Auf nach Ragnarök“ wurden Unleashed angesagt und es dauerte auch nicht lange, bis die ersten Chöre die Songs mitgröhlten. Sänger Johnny Hedlund war nicht nur optisch von 2 schwarzen Flying V umgeben, nämlich denen von Tomas und Fredrik, sondern auch riffmässig. Die Schweden konnten mit ihrem sehr transparenten Sound zufrieden sein, der es gut ermöglichte, alle Instrumente heraushören zu können. „Victims Of War“ folgte nach „Fimbulwinter“, dem Opener der neuen Scheibe „Odalheim“. Mit Johnnys Worten, dass Saxon „Never Surrender“ haben, wurde „Wir Kapitulieren Niemals“ angesagt. Die Menge im sehr gut gefüllten Amphitheater, welches durch die heutige Tageskasse ausverkauft wurde, konterte mit lauten „Unleashed“-Sprechchören, worauf „Long Live The Beast“ und „Hammer Battalion“ folgten. Auch die Frage von Johnny nach einem „Old Song Or New Song“ hab ich bei einem Saxon-Konzert schon mal gehört, offensichtlich ist Johnny grosser Fan der NWoBHM-Legende. Nach „Death Metal Victory“ wurde der Audienz mit dem Trinkhorn zugeprostet, bis man sich von einem begeisterten Publikum, das der Band viel Resonanz gab, verabschiedete. (Joxe Schaefer).

 

ROCK HARD tankard LIVE 2012Als nächstes standen die Frankfurter Thrash Metal Veteranen Tankard auf dem Billing und lieferten einen, wie gewohnt, klasse Gig ab. Das Ganze war als Old School Set zum 30-jährigen Bandbestehen aufgebaut. Es sollten also Songs aus allen Schaffensperioden der sympathischen Chaoten vom Main folgen. Nach dem „Geburtstagsintro“ und „Timewarp“, einem Song vom aktuellen Album, ging dann quasi die Zeitreise los. Es folgten „Zombie Attack“ und „The Morning After“ und Sänger Gerre, der in seiner gewohnten Art die komplette Bühne in Anspruch nahm, hatte wie immer seinen Spaß. Spaß hatte natürlich auch das Publikum, sämtliche Songs wurden lauthals mitgegrölt und abgefeiert, und der Circlepit vor der Bühne war ständig in Bewegung. Dementsprechend wurden auch die zahlreichen Crowdsurfer fast im Sekundentakt von der super Security im Fotograben in Empfang genommen. Letztendlich jagte ein Highlight das Nächste. Bei „The Beauty And The Beast“ bekam Gerre Unterstützung durch eine hübsche Tänzerin auf der Bühne, die im weiteren Verlauf des Auftrittes u. a. zu dem Song „Freibier“ dieses in die Tat umsetzte und Bier in den ersten Reihen des Publikums verteilte. Den krönenden Abschluss eines gelungenen Auftrittes bildete dann „(Empty) Tankard“. Die Jungs bewiesen einmal mehr, dass man auch nach 30 Jahren immer noch die Sau raus lassen und eine ordentliche musikalische Party veranstalten können. (Holger Fey).

 

HARD ROCK psychotic waltz LIVE 2012Nach der Partystimmung von Tankard hatten es Psychotic Waltz nun allerdings schwer. Der Progressive Metal der Amerikaner fand leider wenig Anklang beim Publikum und der Innenraum vor der Bühne wurde überschaubar. Viele verzogen sich auf die Ränge, um von dort der Musik zu lauschen oder verließen komplett das Bühnengelände, um sich vor dem Headliner noch das eine oder andere Bierchen zu genehmigen. Das verbliebene Publikum allerdings wurde belohnt. Das Intro von „Sleeping Dogs” ertönte und danach begann die musikalisch technisch beste Darbietung des Festivals mit „Ashes“ und „Out Of Mind“. Doch auch die weiteren Songs konnten leider nicht mehr Publikum vor die Bühne ziehen, ganz im Gegenteil, es verließen immer mehr den Innenraum, so dass bei „Mosquito“ wirklich nur noch die Fans und Liebhaber des anspruchsvollen aber doch wirklich anstrengenden Progressive Metals verweilten. Diese Art von Musik bietet halt wenig Platz für ausgelassenes Headbangen und Party vor der Bühne. So boten Psychotic Waltz eine technisch einwandfreie Show, deren Magie aber einen größeren Teil der Besucher überhaupt nicht ansprach und wohl doch eher etwas für eine eigene Headlinertour als für einen Festivalauftritt ist. (Susanne Soer).

 

ROCK HARD bolt joe LIVE 2012Nun folgte der Headliner des zweiten Tages, Bolt Thrower, die nach Auftritten beim Rock Hard 2003 und 2006 von vielen Fans heiß ersehnt wurden, obwohl ihr letztes Album „Those Once Loyal“ schon 2005 veröffentlich wurde. Dieser Kultstatus zeigte sich auch beim eigenen Merchandisestand der Band, der konstant belagert wurde und einen reißenden Umsatz machte. Los ging es mit „Contact - Wait Out“ vom 2001 erschienen Album „Honour – Valour – Pride“ und brachte die Kriegsmaschine der Engländer ins Rollen. Die folgenden Songs „When Glory Beckons“ und „Rebirth Of Humanity“ verwandelten das Amphitheater in einen Hexenkessel. Die Fans feierten den brachialen Sound bei jedem einzelnen Song frenetisch ab. Bei „Mercenary“ und „IVth Crusade“ hatte man das Gefühl, Bolt Thrower legten das Amphitheater in Schutt und Asche. Aber nicht nur die Fans hatten Spaß ohne Ende, auch auf der Bühne konnte man den Musikern ansehen, dass sie sich sichtlich wohl fühlten, allen voran Sänger Karl Willetts, dem sogar ab und an ein Lächeln im Gesicht stand. Die brachial geniale 90 minütige Show endete dann mit „When Cannons Fade“ und dürfte bei einigen für extremen Muskelkater der Nackenmuskulatur gesorgt haben. Fazit: Bolt Thrower sind live unschlagbar, einfach eine Macht und waren ein würdiger Headliner für einen tollen gelungenen zweiten Festivaltag, den viele Besucher noch bei ein paar Bieren im Partyzelt ausklingen ließen. (Holger Fey).

 

Reviews zu Tag 1 und Tag 3 siehe Index in "Live Reviews"



Autor: Daniel Müller, Susanne Soer, Holger Fey, Joxe Schaefer - Pics: Daniel Horlbogen, Susanne Soer