IN FLAMES

Bochum, Christuskirche, 23.03.2017

Melodic Death Metal aus Göteborg in einer Kirche? Wie soll das denn gehen? Offensichtlich fragen sich das heute viele. Ich bin zum ersten Mal in dieser Location und in gewissem Maße noch orientierungslos, aber von dort, wo die mehrere hundert Meter lange Schlange beginnt, die sich um beginnende Häuserblocks windet und etwa am Parkhaus, also dort wo ich meinen "Vierspänner" für wirklich kleines Geld abstellen kann, zeigt mir den Weg zum Allerheiligsten. Das ist heute nicht irgendein Schrein, sondern die als "In Our Room", so ist der gleichnamige Tourname, dekorierte Bühne der schwedischen Band In Flames. Schon beeindruckend so eine Kirche als Venue. Die Ordner weisen uns Fotografen auch ganz lieb an, nur von der Seite zu fotografieren, um ja keinem zahlenden Gast, und die Ticketpreise sind heute wirklich derbe, die Sicht zu nehmen. Gleichsam frage ich mich, ob die zahlreich vertretenden und gut den Gerstensaft tankenden Metalmaniacs wirklich so gesittet auf ihren Holzbänken verbleiben.

in flamesUm 20:15 Uhr wird die Bühne dann in Rot getaucht und mittig positionieren sich ein Kontrabass, ein Cello und zwei weibliche Violinen und starten zunächst einmal mit einem ca. zehn Minuten dauernden Medley. Da man in den Schwaden kaum was erkennen kann, ist nun ausreichend Zeit, um einen Blick über die Bühne zu werfen. Links das Drumkit von Joe Rickard und rechts so eine Art Staffelei mit Couch, einigen Stühlen und einem Kühlschrank. Dass man allerdings auf einer Metalbühne ist, merkt man an den beiden gewaltigen Strahlersystemen, die so ein bisschen an Rammstein erinnern. In der Ecke betätigt sich ein Maler, der über die gesamte Zeit des Gigs an einem Bild arbeitet, welches später zu Wohltätigkeitszwecken versteigert wird. Ob zum selbigen Zweck auch das signierte Vinyl des aktuellen, schon zwölften Longplayers "Battles" mit fünfundreißig Euronen aufgerufen wird, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.

 

in flamesWie erwartet, stürmt dann beim brachialen Opener "Alias" alles nach vorne und zwar nicht nur die Jungs um Shouter / Growler Anders Friden, sondern auch die Fanmeute und wir Fotografen werden quasi überrannt. Nichts mehr mit Sittlichkeit, Anstand und Ordnung, sondern die Ordner haben alle Hände zu tun, die Mattenschwinger einigermaßen zu kontrollieren, was in Anbetracht der auf den Bänken hüpfenden und literweise Bier verschüttenden Massen sichtlich schwer fällt. So folgen "Before I Fall" und das brutale "All For Me". So gar nicht richtig hart, wie mir In Flames noch auf dem Wacken in 2015 erschienen, sondern mit riffigem, ja melodischen Eingang und viel "hehehe" dann das abgefeierte "Moonshield" gefolgt von "The Jester`s Dance", das mit viel Nebel aber auch harten Teilen aufwartet. "Bei "Only For The Weak" vom 2000er Album "Clayman", damals noch mit Gründer Jesper Strömblad an der Klampfe, der im Februar 2010 ausstieg, heuer sind Björn Gelotte und Niclas Englin an den Sechssaitern tätig, gibt es erstmalig ein herzliches Willkommen und Dankeschön vom Sänger, der sich gleichsam zu der wundersamen Lokalität äußert und nun echte Fannähe präsentiert, in dem er gleich mehrere Fans zu sich auf die Couch bei einem zünftigen Bier einlädt. So geht es um kurz vor 21:00 Uhr in das knapp halbstündige Akustikset aus "Like Sand", "In My Room" und dem Nine Inch Cover "Hurt". Die vier klassischen Saitenteile bleiben auch bei "Through Oblivion" und "Dawn Of A New Day" auf der Bühne, wo mir mit einem ziemlich derben Quietschen dann erstmalig dann der eigentlich durchgängig nicht wirklich perfekte Sound in Mark und Bein fährt. Mit wieder Gequassel und Dank an die Vier verlassen dann die Streicher und der große Zupfer die Stage und brachial ballert dann "Come Clarity" rein, ehe Synthitasten vom Band dann in "The Truth" weiterleiten. Melodisch, hymnisch mit fetten Ausbrüchen dann "Paralyzed" mit hier auch solistischen Teilen vom Neu-Basser Hakan Skoger und wechselnd Shouts / cleaner Gesang mit fast choralen Ansätzen und böse Growls dann bei "Cloud Connected". Gar nicht ruhig sondern mehr Dampfhammer dann "The Quiet Place", abgelöst mit derben Rhythmen und Doublebass beim krachigen "The End", ehe dann "Wallflower", ohne weitere Zugabe, den Vorhang tatsächlich fallen lässt. Was sich in weiten Teilen auf Papier vielleicht wie eine grandiose Metalshow anhört, über den recht miesen Sound, sprach ich ja schon, kam eher wie eine, wie sagt ein anderer Kritiker, "Spoken Word Show" rüber, die das Feuer und die Spielfreude vergangener Tage doch arg vermissen ließ. In Flames haben sich so nicht nur musikalisch von einer ehemals knalligen Melodic Death Metal Instutition zu einer melodisch, ja teils poppig angehauchten Nu Metal Kapelle gewandelt.



Autor: Andreas Gey - Pics: Andreas Gey