Wolfsfest

Oberhausen, Turbinenhalle, 08.04.2016

Zum ersten Mal steigt in Deutschland das Wolfsfest, eine Indoor-Festival-Reihe mit Gigs in Leipzig, Berlin, Frankfurt, Geiselwind, München, Hamburg, Oberhausen, Stuttgart und Pratteln. Als diesjährigen Headliner konnten die Veranstalter mit Varg einen echten Knaller verpflichten, feiern die Pagan-Metaller aus Coburg doch gerade einen klasse Einstieg in die deutschen Charts mit ihrem neusten Opus "Das Ende Aller Lügen". Die Turbinenhalle 2 in Oberhausen ist heute, am 8. April 2016, das siebte Event der Tour. Als ich gegen 16:30 Uhr auf den Parkplatz komme, staune ich nicht schlecht. Rappelvoll ist der Platz und die Parkplatzwärter bitten mich bis zum rückwärtigen Teil des Areals zu fahren, wo ich dann weiter eingewiesen werde. Unglaublich aber wahr, in der großen Turbinenhalle treten zum gleichen Zeitpunkt die Tiroler Freiwild auf und scheinen Tausende von Fans anzuziehen. Das nenne ich mal eine klasse Orga. Auch wenn die Bands auf dem Wolfsfest doch stilistisch um einiges von der Deutschrockkapelle abweichen, Schnittmengen gibt es hier bestimmt. Und auch wegen des frühen Starts des Festivals, passend um die erwartete Stauzeit auf den Autobahnen im Ruhrpott, verirren sich nur wenige Wolfsjünger in den rückwärtigen Hallenteil. Sind es hundert Fans? Ich weiß es nicht.

wolfchantWie der Headliner Varg sind auch die aus Niederbayern stammenden Wolfchant, die um 17:00 Uhr die Bühne betreten, dem Pagan-Metal zuzuordnen. Und der Sechser mit den beiden Shoutern Mario "Lokhi" Möginger und Michael "Nortwin" Seifert ziehen das anwesende Publikum mit ihren Gesangs- und auch Laufduellen mit mal cleanen Vocals, aber auch durchaus mal durchkommenden fetten Growls sofort in ihren Bann. Lichttechnisch ist viel in Rot gehalten und wie bei allen weiteren Bands des Abends wird der mittlere Teil der Bühne durch die jeweiligen Backdrops der Bands und seitlich durch zwei Aufstellbanner mit Wolfsköpfen geziert. "Embraced By Fire", "Pagan Storm" aber auch deutsche Titel wie "Element" und "Naturgewalt" sind fester Teil der Setlist und werden auch heute in der rund halbstündigen Performance bretthart abgeliefert. Die Metaljünger gehen richtig gut mit und zum Schluss sind auch alle Hände wirklich oben. Allerdings ist es schon bezeichnend, wenn ich als einziger Fotograf den Graben unsicher mache. Schade, der Gig hätte in jedem Fall merklich mehr Headbanger verdient gehabt. Sehr sympathisch. Nur kurze Zeit nach dem Auftritt finden sich alle Bands im rechtsseitigen, erhöhten Tresenbereich ein, geben bereitwillig Autogramme und lassen sich bei allerlei Stelldicheins fleißig ablichten.

 

nachtblutNur langsam mehrt sich die Zahl der Gäste und so treten auch die Melodic-Dark-Metaller von Nachtblut noch vor einer begrenzten Anzahl auf. Immerhin shooten wir nun zu dritt im Graben die Osnabrücker um den Leader und exzellent agierenden Shouter Askeroth. Ich sehe Nachtblut zum ersten Mal live und unweigerlich kommen mir beim Sänger erste Gedanken an Dani Filth. Askeroth ist allerdings im Gesicht nur weiß getüncht und stellt in zahlreichen Posen, mal wütend keifend oder auch höchst theatralisch kniend, gerne seinen muskelbepackten Astralkörper zur Schau. Trym am Bass und Greif an der Gitarre stehen dem Thor zur Seite und halten sich in ihren Aktionen, bis auf sehr effektvolles Posen, doch eher zurück. Mit Skoll an den Drums ist damit auch das letzte verbleibende Mitglied genannt. Theatralisch und ihrer Bedeutung sehr einfach einleuchtend geben sich auch die Songtitel des heutigen Abends wie "Die Blutgräfin", Ketzer", "Ich Trinke Blut" oder auch "Antik" und verbreiten so ein gleichsam ruhiges, leicht melodramatisches wie auch hymnisch tragendes Feeling in den Songs, was auch mit begeistertem Klatschen gewürdigt wird. Der Auftritt endet nach wiederum nur recht kurzer Spieldauer von einer halben Stunde.

 

vitjaMan hat kaum Zeit für eine Gedrehte und bereits fünfzehn Minuten später entern die völlig durchgeknallten Vitja die Bretter. Mir völlig unbekannt, schaue ich dem Treiben der Münsteraner / Kölner fasziniert zu und lasse mich von diesem thrashigen, funkigen, corigen Stil gerne mitnehmen. Auch wenn mir das musikalisch so gar nicht in den Kram passt und der hin und her rasende und sich die Seele aus dem Leib shoutende Martin Beule kaum scharf auf meine CD-Karten zu brennen ist. Das Publikum hat sichtlich Spaß. So etwa nach dem vierten Song kommt die erste Ansage, natürlich mit Dank an die Hörerschar und einem kurzen Statement zu der geilen Atmosphäre. Auch wenn weiterhin nur vielleicht 150 - 200 People die völlig unterbesetzte Halle füllen; zumindest die legen sich auf Geheiß des Sängers beim vorletzten Song allesamt auf den Boden, springen wieder hoch und feiern ne fette Party. Da wird gemosht, da wird gesurft und Vitja sind mittendrin.

 

we butter the bread with butterGanz weit weg von dem vorgenannten Stilmix sind We Butter The Bread With Butter auch nicht. Allerdings kommt mir der Deathcore / Metalcore / Electrocore der Berliner wesentlich riffiger und grooviger vor. Obwohl das Konzept ist das gleiche. Man gebe der moshenden Meute die richtige Mucke, hüpft und jumpt auf der Bühne rum, was das Zeug hält und Shouter Paul gibt die quirlige Rampensau und animiert die nun sich etwa verdoppelte Anzahl der Partyfreaks zum kollektiven Rumgehüpfe. So etwa nach dem fünften Song der Hinweis auf den Merch und den zuletzt veröffentlichten Longplayer, der allerdings schon aus Mitte 2015 stammt. Allein anhand der Songtitel wie "Ich Mach Was Mit Medien", "Berlin, Berlin!, "Bang, Bang, Bang" oder auch "Backe, Backe Kuchen" und "Das Monster Aus Dem Schrank" ist klar, bei WBTBWB steht allein die Party im Vordergrund.

 

eisregenEiner meiner besten Freunde ist absoluter Fan von Eisregen. Irgendwann habe ich die Thüringer auch mal live gesehen, in irgendeinem kleinen Schuppen, damals noch im Flair dreier indizierter Alben und ich noch als Fan gängigen Powermetals, der diesem ganzen Blackmetal- und Darkmetal-Gedöns so gar nichts abgewinnen konnte. Literweise lief damals das Bier und das vor und auf der Bühne, irgendwie das totale Chaos. Eisregen 2016 hingegen überzeugen. Auch weil nun nach dem Core hier richtige Musik auf die Bühne gezaubert wird. Die Songs "Marschmusik", "Scharlachrotes Kleid" und insbesondere "Todestag", allesamt tragend, schleppend aber richtig cool rübergebracht, sind bewegend und mitnehmend. Und ganz im Gegensatz zu den beiden Vorgängern wird diese Ruhe und Ausgeglichenheit nun auch auf der Bühne zelebriert mit Bewegungsradien des Gitarristen und Bassisten, die jeder Doomkapelle zur Ehre gereichen. Auch der massige Michael Roth, liebevoll "Blutkehle" betitelt, wirkt durch stoische Ruhe, spartanische Bewegungsabläufe und durch einmalige Gestik und Stimme. Auch massive Soundprobleme, ganz zu Beginn der Show, bringen hier keinen aus der Ruhe. "Blutgeil" etwa in der Mitte des einstündigen Sets platziert, ist richtig riffig und überzeugt mit fettesten Grooves. Auch der Einstieg in "Westwärts" mit melodischem Klavierintro überzeugt auf ganzer Linie. Bei "Panzerschokolade" können auch Eisregen ihre thrashigen Gedanken nur schwer verbergen und rufen zu einer klitzekleinen Wall of Death auf. "Fleischbrand" gibt dann den klasse Rausschmeißer. Vielleicht noch eine kleine Anekdote am Rande. Wäre in der Tubse das Rauchen erlaubt und jeder Suchthals hätte sich nur die Hälfte an Kippen reingezogen, die Basser "West" und Drummer "Yantit" da verpafft haben, der Blick auf die Bühne wäre durch dichteste Rauchwände versperrt gewesen.

 

vargIch sah Varg letztes Jahr auf dem Rockharz und war nicht nur von dem ziemlich eingängigen Pagan, sondern insbesondere der Bühnenshow schlichtweg begeistert. Es ist aber auch immer wieder ein Bild für die Götter, wenn Freki auf seinem Podest zwischen den aufgespießten Wolfsschädeln thront, sich theatralisch niederkniet oder gottgleich seine Arme ausbreitet und alle umschließen will. Frisch beim Majorlabel Napalm unter Vertrag und mit ihrer neuen Scheibe "Das Ende Aller Lügen" hohe Chartpositionen (Nr. 17) erklimmend, setzt ihre Show mit Chaplin's Rede aus "Der Große Diktator" und dem besagten Titeltrack ein. Weitere aktuelle Songs sind "Revolution", "Streyfzug", "Dunkelheit" und "Guten Tag", die sich nahtlos in die klasse Setlist einfügen und allesamt Jubelstürme ernten. Bekanntere Tracks von den Vorgängeralben sind "Wir Sind Die Wölfe", "Nagelfar" und klar "Schwertzeit". Bei "Dunkelheit", im hinteren Drittel der regulären Playlist ruft der Sänger zur brutalsten Wall of Death des Abends auf und die Wolfsmeute prescht aufeinander. "Könnt ihr noch ein bisschen" ruft Freki, "Ich will alle Hände sehen" und weiter geht es mit "Frei Wie Der Wind". Erinnert vom Titel irgendwie an Santiano und ist ne richtig geile Mitmachnummer. Das balladeske "Ascheregen" gibt zunächst einmal den Rausschmeißer. Danach verlassen alle die Bühne und selbige wird in richtig geiles Blaulicht mit tollen Strahlern getaucht. Eine Superperformance dann bei "Achtung, Wir Sind Die Ratten" und ganz viel Dank an das nun doch zahlreichere Publikum. Ich schätze mal 500 werden nun da sein. Nach der bandeigenen Hymne "Wir Sind Die Wölfe" und "Guten Tag" wird noch die aktuelle Single "Rotkäppchen" hinterher gepfeffert. Wie cool muss man drauf sein, um solche Texte schreiben zu können. Ha. Da gibt es noch ganz viele Märchen der Gebrüder Grimm, die man so schön umdichten könnte. Coole Show, klasse Headliner und Varg werden ihren Weg weiter nach vorne schreiten.



Autor: Andreas Gey - Pics: Andreas Gey