AMORPHIS, TEXTURES, POEM

Ludwigsburg, Rockfabrik, 14.04.2016

poemDie Griechen von Poem sind Frohnaturen. Sie eröffnen den heutigen Abend mit progressiven Klängen, ohne Gedudel, Gefrickel oder sonstigem Ballast. Gerade lag mir ihr Debütalbum "Skein Syndrome" zur Rezension vor, das ganz schön beeindruckt. Denn die Musik der Griechen kann was, hat klasse Tempowechsel, klingt positiv und hat Aussage. Dieser Spirit überträgt sich auf die gut gefüllte Rockfabrik, denn das Publikum lässt sich in erster Linie von der guten Laune ihres Gitarristen und Sängers Giorgos anstecken. Er lässt seinen Gesang wie in "Desire" sehr harmonisch in den Kontext der Musik einfließen und steigert sich mit ihr bis zum Gebrüll. Keine Ahnung, womit er sich seine Gitarre umgehangen hat, aber die Konstruktion sieht aus wie ein umgebauter Orangegurt, mit dem man sich seinen Judoanzug zubindet. Poem bekommen den halben Laden schon nach drei Songs zum Grölen und Mitklatschen, ganz im Gegensatz zum letzen Konzert der Scorpions vor ein paar Wochen, von dem unser Steve von emotionslosem Rumstehen der Zuschauer berichtete. Hier kocht der Laden schon zu der ersten Band. Unter Megaapplaus musste leider nach dreißig Minuten schon Schluss sein. Nicht schlecht für eine erste Europatour, ein erstes Album und einen Konzerteröffner. Gut, dass ihr Album von mir acht Punkte bekommen hat.

 

texturesEin Blick auf das sehr reichhaltige Merchandise verrät, dass alle Bandshirts ab einem Kurs von 20 Euro zu erstehen sind. Auf der Bühne toben sich derweil Textures aus, die ihren Prog etwas gewaltiger bringen, da eine deutliche Corelast auf ihm liegt. Textures aus Tilburg sind bereits seit fünfzehn Jahren am Start und blicken auf fünf Longplayer zurück. Der Sechser mit zwei Gitarren und Keyboard nutzt die Bühne in ihrer gesamten Breite, die Audienz aus dem Häuschen zu locken. Vor allem ihr Basser lässt es sich nicht selten nehmen, wie ein Flummi umher zu hüpfen, während Shouter Daniel singend und brüllend am vordersten Bühnenrand seine Posen abspult und den Blickkontakt mit den Zuschauern sucht. Das Publikum lässt sich von der Energie der Holländer anstecken, geht gut mit und hat offensichtlich wenig Probleme mit der modernen Ausrichtung der Band, die sich zwar mit wenig Wiedererkennbarem präsentiert, aber mit viel Technik und Punch auftrumpft.

 

amorphisEs gibt nur einen kurzen Umbau, aber eine lange Wartezeit von über 35 Minuten zehrt bis zum Beginn des Headliners doch etwas an der Nerven der dicht vor der Bühne gedrängten Fans. Positiv zu vermerken ist die Begebenheit, dass auffällig viele weibliche Gäste in den ersten Reihen zu finden sind. Dann geht endlich das Licht aus und das Intro zum Titelstück ihres aktuellen Albums "Under The Red Cloud" ertönt. Für die nächsten fast neunzig Minuten machen uns Amorphis klar, wie viele bekannte Songs sie bereits in Petto haben und stellen genau diese zu besten Soundverhältnissen auch allein in den Vordergrund. Dazu gehört ebenso "Bad Blood" vom aktuellen Album. Man bewegt sich wenig an seiner Bühnenposition, nur etwas vor und zurück, dass keine sehr agile Show zu verzeichnen ist. Nur Gitarrist Tomi besucht ab und an die Hintermänner auf der Drum- und Keyboardebene. Amorphis treten jeweils nur kurz auf ihre zwischen den Monitorboxen aufgestellten Podeste, wenn sie grad das Publikum animieren wollen. Das allerdings ist längst dabei, Granaten wie "On Rich And Poor" oder "The Wanderer" abzufeiern, ungeachtet dessen, ob das nun die erste oder zweite Single ihres Albums "Circle" war. Insgesamt steht ihr Basser mehr vorn als Shouter Tomi Joutsen, der es vorzieht, von weiter hinten zu agieren. Seinen Mikrofonständer, zusammengeschweißt aus rostigen Stahlteilen, benötigt der Finne eigentlich gar nicht. Alte Songs sind bei Amorphis aus den Neunzigern. Die Düsternis ihrer ersten beiden Platten haben sie längst abgelegt amorphisund das von den ganz alten Fans geliebte "Black Winter Day" wurde auch gar nicht gespielt. Dafür growlt ihr alter Sänger Tomi, der sonst nur noch die Gitarre bedient, "Drowned Maid" von zweiten Album. Als der letzte Stück "House Of Sleep" des regulären Sets verklingt, bedankt man sich im Zugabenblock zünftig und verabschiedet sich mit "The Smoke" als dritte und letzte Zugabe. Sehr zufriedene Gesichter verlassen danach die Location, auch wenn einige Songs ungespielt außen vor bleiben mussten, wie zum Beispiel ihr Überkracher "Alone".



Autor: Joxe Schaefer - Pics: Joxe Schaefer