WALTARI - YOU ARE WALTARI


Label:RODEOSTAR
Jahr:2015
Running Time:54:45
Kategorie: Neuerscheinung
 

Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna? … äääääh Waltari? Wenn mir jemand 1991, als sich „Monk Punk“ zum ersten Mal auf meinem Plattenteller drehte, gesagt hätte, dass es Waltari fast ein Vierteljahrhundert später immer noch geben würde – ich hätte ihn für verrückt erklärt. Zu speziell und abgedreht wirkte die Mischung aus Death Metal, Punk, Technobeats und nasal vorgetragenen Kindermelodien. Ein Riesenspaß sicherlich, aber doch eher ein Konzept, das sich binnen kürzester Zeit totlaufen würde. Dachte ich. Wie kann man sich doch irren! Waltari haben über die bisherige Dauer ihrer Karriere ihre Grenzen (Grenzen? Welche Grenzen?) unermüdlich neu ausgelotet und immer wieder für Überraschungen gesorgt, indem sie alle möglichen musikalischen Trends in ihren Ultra-Crossover einfließen ließen. Dass dieses Konzept aufgeht, ist allein dem spielerischen und kompositorischen Können der Band zu verdanken, mittels dessen sie auch die absurdesten Kombinationen zu einem organischen Ganzen zusammenfügen. Gewohnt unverkrampft und verspielt kommt auch das neueste Werk mit dem Titel „You Are Waltari“ daher. Von der Metalbreitseite über groovenden Elektropop und Rap bis zum finnischen – wie soll man es nennen – Kindercountrysong (?) ist mal wieder alles vertreten, was man sich als Hörer von einem Waltari-Album wünscht. Da bleibt kein Fuß still stehen und kein Auge trocken.

Der Opener „12“ geht mal gleich in die Vollen mit einem Chorus, der an Bad Religion zu besten Zeiten erinnert und als Kontrast dazu mit einem knackigen Gitarrenduell daher kommt. Mit „Tranquality“ und „Solutions“ geht es mit zwei klassisch-waltariesken Abfahrten zwischen Rap, Death und feinster Gitarrenarbeit weiter, doch kaum wiegt man sich in Sicherheit, schlagen die Jungs mit den Dschungelrhythmen von „Only The Truth“ zu – irgendwo zwischen Sepultura und „The Lion Sleeps Tonight“. „Mountain Top“ ist wohl das, was bei Waltari am ehesten dem Begriff 08/15 nahe kommt. Eingängig und vergleichsweise geradlinig fällt es ein wenig in den Rahmen – ja, „in den“, nicht „aus dem“. Der nachfolgende „Right Wing Song“ sorgt hingegen wieder für hinreichende musikalische Verwirrung. Ein ironischer Countrysong mit Mundharmonika, der auch in den Soundtrack zu „Der Schuh des Manitu“ hätte passen können und eine kurze Verschnaufpause vor dem Death Metal Track „Strangled“ bietet, der an die Anfangstage von Waltari erinnert. Mit einer weiteren Kehrtwendung geht’s mit „Keep It Alive“ in 80er-Pop-Regionen, bevor das darauf folgende „Singular“ in einem einzigen Song einen guten Teil der riesigen Bandbreite von Waltari demonstriert. Von Death Growls über Oldschool-Rap bis Quetschkommode ist hier alles dabei. Wer die Band bisher nicht kennt, sollte genau hier reinhören. Beim wiederum eher geradlinigen „Not Much To Touch You“ besticht das melodische Gitarrensolo über einigen Keyboardtupfern. „Drag“ kommt als NuMetal-Stampfer daher – und wird gleich durch nasalen Gesang und einige Elektroschnörkel aufgebrochen, bevor es mit „Televizor“ an die Akustikklampfe geht. Ich verstehe kein Wort, aber der Song kommt etwas nachdenklicher daher und der durchgeknallte Pumuckel bleibt für einige Minuten im Schrank. Auch mal ganz erholsam. Das Album schließt mit einem wahren Ohrwurm namens „Diggin The Alien“, so dass man sofort nach dem Ausklang der letzten Note versucht ist auf Repeat zu drücken, um die Feinheiten des Albums zu erforschen. Die Produktion wirkt unprätentiös, geradlinig und druckvoll und erdet das vermeintliche Durcheinander, das die sympathischen Finnen hier anrichten. Das Album wirkt mit knapp fünfundfünfzig Minuten Spielzeit einen Ticken länger als nötig, und ich würde mir wünschen, dass mich Waltari nochmal so vom Hocker hauen wie seinerzeit mit dem Beatles-Cover „Help!“, als mir vor Lachen und Verwunderung kurzzeitig der Atem weg blieb. Aber das kann man wohl nach all den Jahren wirklich nicht mehr erwarten.

Fazit: Für Fans ein Pflichtkauf. Alle anderen finden hier einen super Einstieg in den einzigartigen Kosmos von Waltari.

Note: 8 von 10 Punkten
Autor: Sandra Kallmeyer


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