CHIMAERA - ...und der Drache fliegt noch heute durch die Himmel


Eine Band, die sich schon lange im deutschen Metal-Underground tummelt, aber den großen Sprung noch nicht geschafft hat, ist Chimaera aus dem Ruhrpott. Dabei sind sie keine neue Nachwuchs-Combo, sondern schon ziemlich lange dabei und haben vor ein paar Jahren sogar eine CD über Pure Steel Records veröffentlicht. Jedenfalls schrauben sie gerade mit neuer Besetzung an ihrem neuen Album und sind auch live wieder aktiv. Grund genug, Euch diese talentierte Band wieder in Erinnerung zu rufen. Der Herr Kapellmeister Pan Vogiatzis und seine Mannen waren jedenfalls gut aufgelegt und sehr gesprächig. Here we go:

CHIMAERA logo INTI 2012Daniel: Hallo Pan! Erzähl uns doch zunächst einmal etwas über die Gründung, Entstehung und Veröffentlichungen von CHIMAERA bis heute!

Pan: „Aaaaaalso. Lange Geschichte, da kann ich „etwas“ ausholen. Angefangen hat alles in einem Kinderzimmer 1990. Wir waren putzige 13 Jahre jung und wollten Metal machen. Der Raffi hat damals eine kleine Schießbude gehabt, ich eine Gitarre.  Da haben wir uns noch zwei Leutchen dazu gesucht und der Lärm konnte los gehen. Mann, war das übel, Hahaha! Das erste, was wir taten war, oh Wunder, „Smoke OnTthe Water“ zu covern. Und uns dämliche Namen zu geben, wie „Metal D“, „Ripstick R“, „Birdie P“ bzw. „Pogo-Pano“ und „The Schwantala“. Wobei „Birdie P“ sogar noch was Witziges hat. Damals hatte mal wer meinen Nachnamen falsch verstanden und dachte an „Vogelatzis“, Hahaha. Zu den Releases. Ich werde demnächst eine Dokumentation mit allen Mitgliedern je Release auf unsere HP hochladen. Das wäre hier wirklich zu umfangreich. Aber ich werde was dazu erzählen. „Why?“ Demo von 1994: Wir waren in die SoundFactory gegangen wo wir auf 24 Spuren für 500,-DM unsere Ergüsse hinzaubern durften. Den Sound hat der damalige Azubi gemacht (deswegen auch so günstig). Das Problem war, dass wir weder Erfahrung mit Studio noch mit Metronom hatten. Und Timing, ach, das ist doch zweitrangig. Das Ergebnis war trotzdem sogar hörbar. Wer es genauer wissen will: Die MP3s gibt es bei uns auf der HP. Ich stehe zu meinen Schandtaten. Danach folgte eine längere Pause, weil wir uns nicht einig waren, wo wir hin wollten. Am Ende sah es so aus, dass ich der Einzige war, der noch Metal machen wollte und so musste eine Band her. Daraus ist dann das „Knights Of The Dragon“-Demo entstanden. Ein absoluter Höhepunkt. Rotes Tape mit silbernem Print.. Yay. Und die Musik, naja, das Rad haben wir nicht neu erfunden; aber der CHIMAERA-Sound war damit geboren. „Blade Master“ fiel dann eine ganze Ecke härter aus. Es war viel passiert, wieder komplett neue Leute, der Weggang aus der saarländischen Heimat. Trotz allem blieb es immer noch der Stil. Im Nachhinein kann ich sagen, dass diese Zeit sehr viel an musikalischer Vielfalt eröffnet hat. Eine sehr treibende Kraft, die mich zum Nachdenken gebracht hat und dazu auch mal über den Powermetal-Tellerrand hinweg zu schauen, war der Michael Dietz. Sehr geiler Gitarrist. Das danach folgende „Metalians“ Mini-Album war gesangstechnisch für mich ein Höhepunkt. Meiner Meinung nach ist das doch reichlich unbekannte (und nicht wirklich eingängige) „Lonely Run“ eines der geilsten Stücke, die ich kenne. Philosophisch, melodisch, progressiv und doch traditionell. Kann vieles.“

Nico: „Leider gab es die „Metalians“ nie in Form eines physischen Tonträgers, was nicht nur mich massiv störte. Wir entschlossen uns somit kurze Zeit später, ein richtiges Full-Length-Album zu produzieren, wofür wir sowohl Songs der „Metalians“ noch mal neu aufnehmen, als auch neues Material verarbeiten wollten. Da unser Budget verschwindend gering war, und auch die technischen Gegebenheiten zu dieser Zeit noch keine „Allround-Selbstproduktion“ zuließen, schossen wir bei Ebay für ´nen Appel und ´n Ei ein paar Tage im „Metal-Sound-Studio“ Osterode. Diese stockten wir noch um ein paar Tage zu regulären Kurs auf, so dass wir genug Zeit hatten, dort das komplette Album einzuzimmern. Gemischt und gemastert haben wir das Ganze dann bei Pan im heimischen Wohnzimmer, was, wie ich finde, mehr als annehmbare Ergebnisse hervorbrachte. Nun steckten wir in einer kleinen Zwickmühle, denn trotz Low-Budget-Produktion reichte der Rest unserer Kohle leider nur für eine Standard-Pressung mit einseitigem Cover-Print. Da wir alle selbst Sammler und somit Freunde von Boxen, Limited Editions usw. sind, wollten wir jedoch mehr. Dank einer bekannten Internet-Suchmaschine landeten wir dann bei einem kleinen Presswerk in Tschechien, wo man uns für unsere mageren Kröten die CD in einem schicken Digipack verpacken konnte. Wir schickten somit übers Internet das CD-Image nach Tschechien. Da uns die „Hard’n‘ Heavy Summernight 2005“ im Nacken saß, wo wird das Album releasen wollten, war für den Versand keine Zeit mehr, so dass wir zwei Tage vorher selbst nach Tschechien rüber fuhren, wo unsere „Myths And Legends“ direkt aus der Presse in den Kofferraum wanderte. Die „Myths And Legends“ schlug dann in der Underground-Szene ordentlich ein, so dass es endlich mit dem Label klappte, auf welches wohl jede kleine Band insgeheim hofft. Songmaterial gab es inzwischen schon wieder mehr als reichlich, so dass wir kurz nach Vertragsunterzeichnung nach Aue aufbrauchen, wo wir in den „Erzschlag-Studios“ unser Album „Rebirth“ produzierten. Hier herrschten schon ganz andere Bedingungen, als bei der „Myths“-Produktion; man kann fast sagen, es war wie ein All-Inclusive-Urlaub. Im Prinzip wurde uns alles angenommen, ein schickes Coverartwork gab es von Timo Wuerz und nach Tschechien brauchten wir auch nicht rüber. Nur die Instrumente mussten wir natürlich noch selber spielen. *lach*. Wir freuten uns nun darauf, jetzt so richtig durchzustarten. Leider kamen jedoch ordentliche Querelen im Line-Up auf, so dass sich unsere Wege hier trennten. Zurück blieben lediglich Pan und ich. Zwar waren wir fest gewillt, Chimaera nicht sterben zu lassen, jedoch nahm uns dieser Umstand natürlich erst einmal allen Wind aus den Segeln. Wir schafften es zwar recht schnell, wieder eine Band auf die Beine zu stellen, eine harmonierende Truppe, wie sie für gute Resultate wohl essenziell ist, fand sich jedoch erst wieder 2010, nachdem es an den Gitarren und am Schlagzeug bis dahin ein fröhliches „Bäumchen wechsel dich“ gab.“

Daniel: Was bedeutet der Name Chimaera eigentlich genau? Und was ist Dir so wichtig an dem Namen, dass Du ihn trotz zahlreicher Besetzungswechsel bis heute behalten hast?

Pan: „Nun ja... Ich hab früher Paper & Pen-Rollenspiele gespielt. Und in einem Bestiary stand dann eben genau jedes Vieh drin. Zwei Kumpels gründeten daraufhin eine Hardcore-Band namens MantiCORE... Und der Mantikor war (so das Bestiary) der Erzfeind der Chimaera. Der Drache lebt ewig! *lacht* Und damit hat eigentlich so alles begonnen. Irgendwie war es eine gewisse Genugtuung zu sehen, wie aus MantiCORE genauso viel wurde, wie aus der Hardcore Welle. Und der Drache fliegt noch heute durch die Himmel.“

Daniel: Welche Bands haben Chimaera hauptsächlich beeinflusst? Und haben sich die Einflüsse über all die Jahre hinweg geändert?

Pan: „Viele, um genau zu sein: sehr viele. Dadurch, dass immer wieder neue Musiker dabei waren, die durch die Bank weg überdurchschnittlich gut waren, sind neue Einflüsse en masse hinzugekommen. Jeder Wechsel hat somit neue Ideen, neue Impulse und auch eben neue Einflüsse gebracht. Also tatsächlich ist es schwer, da wirklich eine definitive Antwort zu geben. Mich persönlich haben stark Iron Maiden, Helloween (bis Ende Kiske), Böhse Onkelz (ja, kein Scherz!) und Judas Priest beeinflusst. Zumindest, was Metal-Einflüsse angeht. Ich bin jemand, der gerne und viel lernt und analysiert. Gerade in den Charts gibt es da viel Arbeitsmaterial. Es kann echt interessant sein, als Musiker einen Song zu zerlegen, darauf wie Instrumente zum Einsatz kommen, Harmoniebereiche/ -folgen, Abmischung der Instrumente und Wirkung daraus. Man kann dadurch einiges lernen, wie man besser Gefühle transportieren kann. Das ist doch die Grundlage von Musik: Gefühlsäußerung.“

Daniel: Wovon handeln Eure Texte so? Steckt da ein bestimmtes Gesamtkonzept hinter? Oder erfüllt ihr einfach nur typische Metal-Klischees? Einige Eurer Songtitel sind ja schon recht plakativ…

Pat: „Die Songs handeln von Titten und Krieg!“ :)

Pan: „Und noch mehr Titten und noch mehr Krieg! Haha! Nein, im Ernst: Es sind einige Fun-Texte dabei, die Dinge behandeln, die mich (als Haupttexteschmied) irgendwie beeinflusst haben. „Battlemaster“ handelt von Battletech, der „Darkwolf“ ist halt eben ein Werwolf, etc... Ansonsten erzählen die meisten Texte aus meinem Leben. Ich bin der Warlord, mein Leben ist „The Battle“ usw. Es geht ja auch nicht darum, dass jeder versteht, was ich da erzähle. Vielmehr inspiriert mich mein eigenes Leben, das Märchen des „Warlords“ weiter zu erzählen und somit den Hörer in eine kleine Fantasiewelt zu entführen.“

Daniel: Ich weiß, dass Du überzeugter Christ bist. Ich will Dich jetzt nicht nach Deiner Weltanschauung befragen (das würde hier echt den Rahmen sprengen!), aber macht sich die Religion auch in Deinen Texten bemerkbar? Und würdest Du so weit gehen, CHIMAERA sogar als White Metal-Band zu bezeichnen?

Pan: „Hahaha! Nein, wirklich nicht. Dafür bin ich mit meiner Meinung in dieser Form schon reichlich allein. Also eine White Metal-Band sind wir definitiv nicht! Natürlich hinterlässt eine Überzeugung ihre Spuren. Diese haben sich über die Jahre natürlich verändert. Als Teen hatte ich mit Religion nicht viel am Hut und fand es cool, Odin & Co. in meine Texte mit einzuflechten. So etwas wird man heute beim besten Willen nicht mehr finden. Höchstens eine beiläufige Erwähnung der hellenischen Götterwelt. Aber wirklich nur beiläufig. Eine Passage in „Kahlenberg“ könnte man vielleicht ins Christliche interpretieren. Aber auch nicht aktiv. Bevor hier jemand etwas falsch versteht: Ich habe weder mit Katholiken noch mit Protestanten viel zu tun. Wenn überhaupt, dann mit griechisch-orthodox, aber auch das wird noch durch einige Merkmale erweitert, die eigentlich keine Kirche abdeckt. Wer wirklich wissen will, was dahinter steckt: Ich trinke gerne in Gesellschaft ein Bierchen und werde dann, wie Du schon erfahren hast, reichlich redselig. Hahaha!“

Daniel: Euer erstes Album (wenn man so will) „Blade Master“ war für Eure Verhältnisse sehr schnell und thrashig. Die Demos, und auch Eure späteren Alben, waren viel melodischer und hymnischer. Was war damals der Grund dafür?

Pan: „Wie schon gesagt: Da waren viele Einflüsse dabei. Dieser zornige Sound wurde stark vom Michael Dietz geprägt, der zusammen mit dem Drummer Björn da sehr aktiv war. Und das war die einzige Phase; in der wir auch mal politisch wurden. Gegen die amerikanische Kriegspolitik, die der Texaner so extrem vorangetrieben hat…“

Daniel: Kommen wir mal zu Eurem „Metallions“-Album von 2004: Ihr habt das Album seinerzeit lediglich zum Download angeboten. Wie kam es zu dieser Entscheidung? Ist es für einen Musiker nicht viel schöner, einen richtigen Tonträger in den Händen zu halten? Habt ihr keinen Vertrieb dafür gefunden? Wie waren die Reaktionen auf dieses „Format“ bei Euren Fans?

Pan: „Es war einfach ein Experiment. Die Szene war am motzen, dass Musik immer so teuer ist, und dass alle ja viel mehr kaufen würden, wenn die Musik günstiger zu haben ist. Und es wurde echt oft runtergeladen, dazu kamen echt ganz gute Reviews über das Projekt. Klar, wenn man das Ganze auf freiwilliger Basis macht, kann man als kleiner Act nicht gnadenlos Kohle rein pumpen. Sound hätte besser sein können. Fakt ist, dass das Experiment gnadenlos schief gegangen ist! Nicht mal ein Prozent derjenigen, die geladen haben, waren auch bereit, etwas zu spenden. Dafür waren dann ein paar dabei, die mehr als krank waren und Unmengen überwiesen haben. Mein persönliches Fazit ist, dass (quasi) alle schön reden können, aber sobald es etwas umsonst gibt, wird auch der Metalhead geizig und hortet seine Kohle, um sie für etwas auszugeben, was etwas kostet.“

Daniel: Wie kam es eigentlich zu dem Deutschsprachigen Song „Werwolf“? Alle Eure Texte sind ansonsten immer auf Englisch verfasst gewesen. Wird es solche Experimente auch in Zukunft wieder geben? Da Du ja griechischer Abstammung bist, könnte ich mir z. B. auch einen griechischen Text über die alte Mythologie bei Chimaera vorstellen. Und stammen die Growls bei „Werwolf“ eigentlich auch von Dir?

Pan: „Jaaaahhhh!!! Das war eine geile Sache. Bierselig haben wir auf einer Party angefangen, alle Songs, die liefen, auf Deutsch simultan zu übersetzen. Dabei kam einige Scheiße raus. „Fear of the Dark“ klingt auf Deutsch mindestens genauso bekloppt wie „Enter Sandman“. Der DJ hatte das natürlich spitz bekommen und jagte just die Lieder rein, die der ganze Haufen kannte. Und zu eben jenen gehörte damals auch der „Darkwolf“. „Ich bin eins mit dem Dunkeln, ich bin eins mit der Naahaaacht...“ Weiter kam ich nicht. Da schaute mich Thommy an und meinte „Das klingt ja geil! Mach das mal!“. Und so kam es dann auch. Dann aber mit deutlich weniger Bier im Kopf! Hahaha! Eben jener Thommy hat auch die Grunts gesungen. Wer sich für geilen Grunz-Thrash interessiert: Thommy „singt“ für Godslave. Prinzipiell gibt es den Text auch auf Griechisch und auf Spanisch. Ich denke, der „Darkwolf“ ist eine schöne Ausnahme, die er auch bleiben sollte. Aber mehr Sprachen dürfen gerne her. Wer Lust hat, den Text zu übersetzen, meldet Euch bei uns!“

CHIMAERA band 2 INTI 2012Daniel: Ihr habt Euer letztes Album „Rebirth – Death Won´t Stay Us“ 2007 über Pure Steel Records veröffentlicht. Wie seid ihr damals an den Deal gekommen? Und weißt Du, wie viele Einheiten ihr von dem Album abgesetzt habt?

Nico: „Bzgl. des Deals muss ich jetzt ein bisschen ausholen. Unser Album „Myths And Legends“, welches  wir 2005 releasten, schlug ja wie gesagt damals, nicht zuletzt durch die gemeinsame Deutschland/Schweiz-Tour mit Rebellion, recht große Wellen. Zu dieser Zeit arbeiteten wir zudem mit Volker Raabe zusammen, welcher für uns Management, Booking und Promotion übernahm. Dieser stand wiederum mit Pure Steel Records in Kontakt, welche als „junges Label“ noch einen Scout und ein paar Bands suchten, um richtig durchzustarten. Und so gab es für PSR mit Volker und Chimaera direkt ein Doppelpack. Was den Absatz der „Rebirth“ angeht…wenn die Silberlinge nicht im heimischen Keller, sondern im Lager des Labels stehen, wird das mit dem Überblick leider etwas schwierig. Hast Du da eine Ahnung, Pan?“

Pan: „Öhm… Nö! Sorry. Ich habe mit den Zahlen mal gar nichts am Hut. Aber ich habe was gehört, dass die Erstauflage abverkauft worden ist. Muss ich leider passen.“

Daniel: Seid ihr zufrieden Pure Steel Records? Wird das nächste Album auch wieder bei ihnen erscheinen?

Pan: „Wir haben gut mit PSR zusammengearbeitet. War streckenweise sogar recht ulkig. Während der Aufnahmen zu „Rebirth…“ haben wir abends in unserer Unterkunft in der Küche gesessen, zusammen mit Markus, und haben uns einen gepichelt. Die Szene wie Markus „Vuchelbeerbaam“ (Vogelbeerbaum) stinkbesoffen trällert, werde ich wohl nie vergessen. Wir lagen vor Lachen unterm Tisch! Über die Veröffentlichung des nächsten Albums haben wir uns noch keine genauen Gedanken gemacht. Der Vertrag ging ja auch nur über ein Album. Wir werden das Neue jetzt erst einmal fertig produzieren und uns dann mit dem fertigen Stück an die Labels wenden. Du hast ja schon die neuen Stücke gehört, und ich denke wir werden da kein Problem haben, ein Label zu finden.“

Daniel: Bist Du heute mit allen Chimaera-Veröffentlichungen zufrieden? Oder gibt es etwas, was Dich an den alten Aufnahmen stört? Bist Du auf irgendeine Aufnahme besonders stolz?

Pan: „Als Musiker bist Du nie zufrieden! Es gibt immer etwas, was Dich wurmt oder wo Du in der Aufnahme Kompromisse eingehen musstest. Meistens wegen der Zeit, weil ein gutes Studio einfach ein Schweinegeld kostet, das man nicht hat. Stolz bin ich auf alle Aufnahmen, wie es auch jeder Musiker sein sollte. Es ist ein Teil Deiner persönlichen Entwicklung, und für Lehrstücke muss man sich nicht schämen.“

Daniel: Warum hat es eigentlich nie Chimaera-Alben auf Vinyl gegeben? Bist Du kein Vinyl-Fan? Oder hat sich das einfach nur nie ergeben?

Pan: „Ich? Kein Vinyl-Fan? Daniel belieben zu scherzen! Ich mühe mich schon seit Jahren darum, mal ein Vinylstück (und sei es „nur“ eine 7'') zu veröffentlichen. Aber leider hat es sich nie ergeben... Wenn jemand in der Richtung etwas machen will, dann soll er uns gerne ansprechen!“

Daniel: Ich weiß, dass ihr mal in Spanien und auf dem Swordbrothers gespielt habt. Seid ihr live viel unterwegs? Was kann man live von Euch erwarten? Viel Show oder eher technische Versiertheit? Spielt ihr auch viel altes Zeug aus Demo-Zeiten? Oder gibt es auch Phasen der Band, die live heute gar nicht mehr von Euch berücksichtigt werden?

Pat: „Mittlerweile ist endlich wieder ein Stein ins Rollen gekommen. Nach über 2 Jahren Live-Abstinenz kommen so nach und nach die nächsten Gigs, und ich kann nur sagen: Dem Publikum wird etwas geboten - und zwar alles, was du hier aufgezählt hast! Wir haben einige "Rampensäue" vor dem Herrn bei uns am Start, worunter allerdings die Filigranität in den Songs absolut nicht leidet. Geile Mucke geil rübergebracht - das klingt zwar tierisch dick aufgetragen, aber wer mir nicht glaubt, kann sich gerne bei kommenden Gigs live davon überzeugen. Ach - und von mir aus können wir ruhig mal „Lightnings“ spielen, nur so aus Spaß ;)

Pan: „Also, prinzipiell habe ich nichts dagegen, auch mal ganz tief in der Kiste zu kramen und Uralt-Stücke (die inzwischen kaum noch ein Schwein kennen dürfte, weil sie nie aufgenommen wurden... haha) auszupacken. Ihr könnt uns ja mal buchen, und wir werden uns mit ganz altem Material beschäftigen.

Daniel: Eure Veröffentlichungen erscheinen recht unregelmäßig. Seid ihr Perfektionisten? Oder warum dauert es immer so lange, bis bei Euch endlich mal etwas passiert?

Pan: „Sowohl als auch. Einerseits steckt viel Perfektionismus im Songwriting-Prozess. Andererseits ist es auch echt schwer; ein Album einzuzimmern, wenn man kein festes Line-Up hat. Außerdem haben wir beschlossen, uns nicht mehr unter Druck zu setzen, nur um fertig zu werden. Ich denke, das wird sich auch auf den kommenden Releases widerspiegeln. Wenn ich mir die Demos für die neuen Stücke anhöre und die mit den Alben vergleiche, gibt mir das Ergebnis doch Recht. In der Metal-Szene ist diese mangelnde Hektik auch nicht schlimm, weil der Metalhead mehr auf Qualität denn auf Quantität steht, oder?

Daniel: Du bist seit Jahren das einzig verbliebene Ur-Mitglied von Chimaera. Soweit ich weiß, hast Du auch immer nur in der Band gesungen (also kein Instrument gespielt). Wie bringst Du jedem neuen Chimaera-Musiker bei, was er zu spielen hat? Ihr habt immerhin zwei Gitarristen und sogar einen Keyboarder mit im Boot…

Pan: „Viel Arbeit. Ich habe mich mal irgendwann hingesetzt und habe alle Songs ausnotiert. Genau diese Noten sind nicht nur für neue Musiker von Vorteil, sondern auch, wenn man sich nicht einig ist, wie man was spielen muss.“

Pat: „Wichtig ist dabei vor allem, dass jedes neue Mitglied seine Hausaufgaben ernst nimmt. Entweder man hat es im Blut und kann jeden Song gleich mitspielen und herumexperimentieren, oder aber man setzt sich auf den Hosenboden und spielt das Zeug zu Hause so lange, bis einem die Finger qualmen, und dann noch weiter. Dass so viel Material existiert und wirklich jede auf dem Album gespielte Note nachvollziehbar notiert ist, ist ein Segen, aber auch ein Fluch, denn der Herr Kapellmeister hat ein verdammt gutes Gehör“ ;)

Pan: „Auf das ich auch sehr stolz bin! Und ein Fluch ist es nur, wenn Deine faule Haut die Überhand über den Arbeitswilligen übernimmt.“

Daniel: Hingen die Besetzungswechsel eigentlich auch damit zusammen, dass Du vom Saarland ins Ruhrgebiet übergesiedelt bist?

Pan: „Ich würde jetzt wirklich gerne „Ja!“ sagen, aber das wäre wohl größtenteils gelogen. Viele dieser Wechsel hängen damit zusammen, dass ich ein sehr schwieriger, exzentrischer Mensch bin.“

Nico: „…wie Recht er da doch hat“ *lach*

Pan: „Wie schon Pat angemerkt hat, der Herr Kapellmeister hat sehr genaue Vorstellungen und auch recht krasse Ausfälle. Das schmeckt so nun mal nicht jedem.“

Daniel: Eine Frage muss ich Dir unbedingt noch zu Eurem neuen Gitarristen Taros stellen! Wie Du ja weißt, war er von 1994-1997 der Gitarrist meiner allerersten Band Mooncircle, von denen es leider nur ein paar Rehearsals und Live-Mitschnitte auf VHS gab. Er hat lange nach einer neuen Band gesucht. Mit Chimaera hat er sie endlich gefunden! Wie und wo seid ihr auf ihn aufmerksam geworden?

Pan: „Wir haben ihn bei seiner Arbeit im Zug getroffen. Da stand, während Schoppen (Bassist von Chimaera; Anm. d. Verf.) und ich ein Bierchen schlabbern wollten, auf einmal so ein Kontroletti im Weg und sagte „Die Fahrkarten, bitte!“. Hochgeschaut, da sah ich Johnny Depp! Nein, Kontroletti, der ausschaut wie Johnny Depp und einen „Black Label Society“ Schlüsselanhänger aus der Hose baumeln hat. So sind wir dann über Metal ins Gespräch bekommen, dann dass wir in einer Band spielen und einen Gitarristen suchen. Als solcher bot er sich dann an. Eigentlich völlig bekloppt, oder?“

Daniel: Wie zufrieden bist Du mit dem neuen Line-Up? Bist Du guter Dinge, dass es endlich über längere Zeit hinweg Stabilität hat?

Pat: „Sag jetzt nichts Falsches!“ ;)

Pan: „Klar bin ich zufrieden! Und ich hoffe auch mal, dass das die letzte Formation (zumindest für möglichst lange Zeit) wird. Es macht einfach einen Höllenspaß mit der Truppe zusammen zu arbeiten.“

Daniel: Was treibt Dich, trotz der zahlreichen Besetzungswechsel, immer wieder von neuem dazu an, mit Chimaera weiter zu machen? Hast Du nie darüber nachgedacht, die Band komplett hinzuschmeißen? Und war für Dich immer von Anfang an klar, dass das, was Du machst, immer unter Chimaera laufen würde?

Pan: „Hahaha! Ich habe schon mehr als einmal daran gedacht, die Brocken hinzuschmeißen. Keine Frage! Ist immer schwer, wenn man sich immer wieder hochrappeln muss, um die neuen Musiker einzuarbeiten. Und es geht auch echt mal an die Substanz, wenn man die gleichen Songs immer und immer wieder spielt. Ich bin heilfroh, wenn wir neues Material spielen können! Aktuell beispielsweise. Es war nicht klar. Im Gegenteil. Anfangs gar nicht. 1995 schien es, als sei Chimaera tot. Das begann sich 1999 wieder zu ändern, und als dann das Ganze einen Stil zu bekommen begann, als die Songs besser wurden, hat der Traum vom ewigen Drachen begonnen. Dass das jedoch so schwer werden würde, konnte damals keiner ahnen.“

Daniel: Soweit ich weiß, war Chimaera immer Deine Hauptband, in der Du Dich komplett ausgetobt hast. Gab es jemals Nebenprojekte, in denen Du musikalische Einflüsse verbraten hast, die nicht in das teutonische Power Metal-Konzept von Chimaera passten?

Pan: „Oh ja, sehr viel sogar. Ich betreibe viele Studien, sowohl was Rhythmik angeht, als auch was Harmoniegefüge betrifft. Wenn man etwas lernen will, kann man nicht immer nur bei einer Stilrichtung bleiben. Das würde „auf der Stelle treten“ bedeuten. So kam Einiges zu Stande. Lovestealer ist irgendwas zwischen Rock und Blues, Lakedaimon ist reichlich thrashig, Istid symphonischer Black Metal. Dann kommen da eben noch völlig ungeordnete Studien dazu, denen ich keinen Namen gegeben habe, die ich höchstens mal im engsten Freundeskreis angespielt habe. Streckenweise recht lustig, aber meistens unfertig.“

CHIMAERA cover INTI 2012Daniel: Welche Zukunftspläne stehen über kurz oder lang mit Chimaera an?    

Pat: „Ganz klar: Rocken, bis der Arzt sich den Nackenwirbel ausrenkt! Wir werkeln fleißig am Album, zocken ordentlich live und sehen zu, dass wir am Ball bleiben!“

Pan: „Ja, das kann ich so unterschreiben. Wir möchten natürlich wieder viele Gigs spielen. Wir sind verdammt hungrig. Ins Ausland wollen wir natürlich auch. Ich hab gehört, dass es in Japan zum guten Ton gehört, den Groupies an die Möpse zu gehen… Hahaha! Nein, nur Spaß. Trotzdem würde ich gern mal das japanische Publikum zum ausrasten bringen. So prinzipiell sollten die ja eigentlich auf unsere Mucke tierisch abgehen. Es ist ein kleiner Traum von mir, wie Hansi Kürsch, zu plärzen „Helloooo Tokiooooo!!!“ und „Domo arigato, Tokioooo!!!“

Daniel: OK, Pan! Die letzten Worte gehören Dir!

Pan: „Diesem ewig langem Interview ist nicht mehr viel hinzuzufügen. Danke für Eure Zeit und Eure Arbeit, danke an den schwermetallenen Leser, der den ganzen Haufen gelesen hat, und danke natürlich an die ganzen Metalheads, die immer auf die Konzerte pilgern und sich die Grütze aus dem Schädel bangen. Headbangen ist keine Frage des Alters, sondern des Geistes. Und, um mal dem guten Tequila zur Seite zu stehen, Metal ist garantiert keine ewige Toleranz! Metal ist aus Zorn entstanden. Und daraus entstand ein Stolz darauf, etwas Besonderes zu sein. Metalians – denying the life of the dead ones, glorious our life in the night!“

Bei Interesse könnt ihr hier den Klängen von CHIMAERA lauschen:

www.myspace.com/chimaerasteel

www.facebook.com/home.php#!/Chimaeraofsteel

http://www.chimaera.at



Autor: Daniel Müller