Daniel: Hallo John! Euer Gig auf dem H:O:A war großartig! Erzähl uns doch zunächst einmal etwas über Eure Eindrücke dieses Festivals! War es eigentlich der erste Leviathan-Gig in Deutschland?
John: Danke, dass Dir der Auftritt so gut gefallen hat! Das bedeutet uns sehr viel. Um ehrlich zu sein, haben wir alles so schnell organisiert, dass wir gar nicht wussten, wie wir ankommen würden. Aber wir hatten alle eine tolle Zeit auf dem H:O:A. Alle, die wir getroffen haben, waren begeistert, und wir wären auch gerne länger dort geblieben, statt wieder nach Hause zu fliegen. Es war unsere erste Reise nach Europa. Ich möchte dort hinziehen. Ich habe schon immer einen engen Bezug zu Deutschland gehabt. Ich fühle mich irgendwie dort hingezogen. Ich habe sogar herausgefunden, dass es dort eine Stadt mit dem Namen Lutzow gibt! Ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass Deutschland uns bisher am meisten unterstützt hat!
Daniel: Vor dem Gig auf dem HEADBANGERS OPEN AIR kannte ich Euch gar nicht. Erzähl uns doch etwas über die Anfänge, Werdegang und Veröffentlichungen von Leviathan bis heute!
John: Leviathan wurden 1989 in Colorado von Urmitglied Ron Skeen gegründet. Später kamen dann Tom Braden, James Escobedo, Steve Fugate und Ty Tammeus dazu. Ich stieg 1991 ein, kurz vor unserer ersten CD-Veröffentlichung. Ron und ich wollten uns immer treu bleiben und eine progressive Richtung einschlagen. Im Laufe der Jahre wurde es immer schwieriger, einen geeigneten Sänger für unsere Musik zu finden. Persönliche Differenzen führten ebenfalls zu einigen Besetzungswechseln bei uns. Am schwersten traf es uns, dass die Urmitglieder Trevor Helfer und Jeff Ward ersetzt werden mussten, weil sie aus persönlichen Gründen nach Europa ziehen mussten. Trevor trommelt immer noch bei uns, und Alex Simpson ist nur für das neue Album und die Tour eingesprungen. Trevor wird auf dem nächsten Album wieder bei uns sein. Und er hofft, dass er auf unserem nächsten Europa-Trip dabei sein wird. Er hat es verdient! Bis heute haben Leviathan offiziell vier Studio-Alben, eine EP und eine Live-CD/DVD des Reunion-Gigs veröffentlicht. Es gibt mittlerweile auch unsere ersten beiden Scheiben als Re-Release. Beide wurden remastered auf eine CD gepackt. Außerdem ist dort ein Bonustrack vertreten. Alle unsere Alben bekommt ihr in unserem Online-Shop: http://www.levaithanresurrected.com
DANIEL: Euer neuer Sänger Brice Cave ist phänomenal! Man hat gar nicht bemerkt, dass er zur Zeit des H:O:A erst fünf Monate in der Band war! Wie seid ihr auf ihn gestoßen? Und warum ist Euer alter Sänger Jeff Ward nicht mehr dabei?
John: Danke für das Lob an Brice. Wir sind sehr froh, dass er bei uns ist. Er ist ein toller Sänger, und was noch viel wichtiger ist: ein toller Mensch! Witzigerweise hat er viel mit seinem Vorgänger gemeinsam: Sie kommen beide aus der selben Stadt in Texas und haben an der selben Uni studiert. Sie sind sich von der Person her sehr ähnlich. Das ist schon etwas komisch. Ich bin Brice schon an den seltsamsten Orten außerhalb von Craigslist begegnet. Er hat eine Anzeige aufgegeben und suchte Leute zum Jammen, und ich rief ihn an. Wir hatten zuvor etwa 30 Sänger getestet, und ich wusste bereits nach dem ersten Song, den er vorgesungen hatte, dass er in die engere Auswahl fallen würde. Jeff Ward hat auf unserem letzten Album gesungen, aber er konnte sich wegen seiner Familie nicht genügend Zeit für die Band nehmen, weil er immer die weite Strecke von Texas nach Colorado aufnehmen musste.
Daniel: Welche Bands haben Euch beeinflusst? Gibt es heute andere Einflüsse als zu Eurer Anfangszeit?
John: Die Bands, die mich heute beeinflussen, sind eigentlich immer noch die selben, die ich schon vor Jahren gehört habe. Bei einigen hört man es ganz eindeutig, wie z. B. Fates Warning, Rush, Dream Theater und Queensryche. Einige andere sind für unsere Musik eher ungewöhnlich: The Beatles, U2, Police, Ben Harper, Jellyfish, Counting Crows, Tori Amos, Shawn Colvin, Jeff Buckley, Martin Sexton, Bob Marley und die Black Crowes. Ich mag auch ein paar neuere Bands, wie z. B. Coheed and Cambria, Avenged Sevenfold und Rodrigo Y Gabriella. Als Ron Skeen damals noch in der Band war und Songs mitgeschrieben hat, vermischten sich unsere Einflüsse, weil sie unterschiedlich waren. Ich kompensiere sein Fehlen, indem ich bei meinen Songs überlege, was er daran verändert hätte. Er liebte vor allem Bands wie Psychotic Waltz, Riot und Mystic Force. Die anderen Leute in der Band, wie z. B. Derek Blake und Brice, werden an den Songs unseres nächsten Albums ebenfalls beteiligt sein. Mir gefällt diese Art von Zusammenarbeit einfach. Es ist sogar möglich, dass wir ein paar Gäste auf unserem nächsten Album in Form von Colorado-Power Metal-Legenden dabei haben. Ich kann dazu aber noch nichts genaues sagen, weil wir noch an den letzten Details feilen müssen. Ich glaube, die Leute werden das nächste Album lieben.
Daniel: Ihr seid handwerklich sehr fit! Wie wichtig ist es für Euch, dass Eure Songs technisch versiert sind? Habt ihr da einen bestimmten Anspruch als Musiker?
John: Colorado scheint weltbekannt dafür zu sein, großartige Metal-Musiker hervor gebracht zu haben. Als ich noch auf der High School war, war Metal sehr populär. Und Musik zu machen, war genauso beliebt, wie Sport zu treiben. Wir nahmen das alles sehr ernst. Ich habe jeden Tag mindestens vier Stunden geübt. Und den Rest der Zeit habe ich dafür genutzt, Songs zu schreiben und zu hören. Musik war wie ein Wettkampf für uns. Mein größter Rivale in der Stadt war Chris Broderick. Ich freue mich sehr für ihn, dass er es endlich geschafft hat, erfolgreich zu sein. So merken Leute, dass wir hier in den USA wirklich große Talente haben. Auf jeden Fall war es sehr wichtig für uns, musikalisch topfit zu sein. Wir wollten immer das gesunde Mittelding zwischen spielerischem Können und Songwriting verbinden, das möglichst viele Leute erreicht. Das tun wir bei jedem Song und jedem Album. Wir holen auf den Alben immer das Bestmögliche heraus, achten aber auch darauf, es live genauso spielen zu können. Wir haben live immer viel Spaß. Die Musik hält uns aufrecht, und das Publikum inspiriert uns.
Daniel: Wovon handeln Eure Texte genau? Gibt es eine Art Gesamtkonzept, die sich als roter Faden durch die Band-Geschichte zieht? Oder behandelt ihr Themen eher wahllos?
John: Unsere Texte werden von allen möglichen Dingen beeinflusst. Eine progressive Band zu sein, setzt Dir da keine Grenzen. Ich merke, dass unsere Obskurität es erlaubt, über alles Mögliche zu schreiben. Mir als Schreiber ist es wichtig, dass die Texte keine Selbsttherapie oder auf uns selbst bezogen sind. Früher habe ich nur Texte geschrieben, die auf mich selbst bezogen waren. Ich finde heute aber, dass man mit Intelligenz, Kreativität oder Leidenschaft jede Situation erläutern oder eine gute Geschichte schreiben kann. Ich weiß, dass sich meine Texte sehr von denen vieler anderer Metal-Bands unterscheiden. Das einzige Konzept, das ich von Beginn an bei Leviathan habe, ist, dass es uns bewegt und wir einen Text mit Leidenschaft schreiben können. Auf unserem nächsten Album habe ich erstmals auch politische Themen verwertet. Der Song “Third Rail To The Third World” handelt von den Ausgestoßenen in China und Indien durch die westliche Welt.
Daniel: Leviathan ist der Name eines Seeungeheuers der jüdisch-christlichen Mythologie. In der Dämonologie ist Leviathan einer der sieben Höllenfürsten und der Torwächter am Höllenschlund. Er wird oft in Gestalt eines Krokodils, eines Drachen einer Schlange und eines Wals beschrieben. Das Wort wird heutzutage aber auch für Seeungeheuer oder große Meerestiere allgemein verwendet. In der klassischen Literatur (wie z. B. im Roman “Moby Dick” von Herman Melville) bezieht sich der Ausdruck auf die großen Wale. Im modernen Hebräischen bedeutet Leviathan auch einfach nur „Wal“. Wieso habt ihr diesen Namen für Eure Band gewählt? Und inwiefern passt er zu Euch?
John: Als Ron Skeen den Namen Leviathan vorgeschlagen hat, bezog er ihn auf unseren Freund und Colorado-Musiker Harry Conklin. Er sang zu der Zeit gerade bei Satan´s Host und hat den Namen dort verwendet. Ron mochte den Namen so sehr, dass er ihn wählte, um uns damit zu repräsentieren. Für uns war klar, dass unsere Musik immer nur unter dem Namen Leviathan laufen würde: kraftvoll, wuchtig und Respekt bestimmend zugleich.
Daniel: Stört es Dich eigentlich gar nicht, dass es tonnenweise Bands mit dem Namen Leviathan gibt? Bei Metal Archives sind allein sechs Bands aus den USA mit diesem Namen verzeichnet?! Kam es da schon einmal zu Verwechslungen?
John: Doch, und ob mich das stört! Aber ich finde, dass wir die beste und am besten wiedererkennbare Band mit diesem Namen sind. Die erste Band, die diesen Namen benutzt hatte, war aus Kalifornien und hatte die Rechte an diesem Namen nur bis 1991. In diesem Jahr hat Ron die Rechte für den Namen angefordert, was aber bis 2001 gedauert hat. Die Band löste sich ja zwischendurch auf, und dadurch verlief das alles im Sand. In dieser Zeit hat ein Anderer die Rechte für den Namen bekommen. Für uns stellt sich die Frage nicht: Alles wird immer unter Leviathan laufen. Progressive Metal-Fans wissen, wer wir sind. Wir haben zwar nicht so viele Alben verkauft, wie die Deathmetal-Band, die auch so heißt. Aber wir haben trotzdem eine große Anhängerschaft, für die wir sehr dankbar sind!
Daniel: Welche Zukunftspläne habt ihr mit Leviathan?
John: Wir arbeiten gerade bereits an einem neuen Album. Ich hoffe, wir können unseren Markt noch weiter ausbreiten und eine größere Anhängerschaft für uns gewinnen, die das anerkennt, was wir machen. Wir suchen noch weitere Auftrittsmöglichkeiten in Europa für nächstes Jahr. Wenn also jemand Leviathan live sehen will, dann kontaktet uns. Wir werden da sein!
Daniel: Zum Schluss würde ich gerne wissen, welche Deine zehn Lieblingsalben aller Zeiten sind! Im Falle von Leviathan wäre das bestimmt sehr interessant!
John: Ich würde sie wohl nicht immer in dieser Reihenfolge nennen. Aber diese 10 Alben würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen:
- Loudness - Thunder In The East
- Jellyfish - Spilt Milk
- Jellyfish - Bellybutton
- Black Crowes - Three Snakes, One Charm
- Black Crowes - Before The Frost, Until The Freeze
- Fates Warning - Awaken The Guardian
- Dream Theater - Octavarium
- Tori Amos - Songs From The Choir Girl Hotel
- Crimson Glory - Transcendence
- Barenaked Ladies - Gordon
Daniel: OK, John! Die letzten Worte gehören Dir!
John: Danke, dass Du uns geholfen hast und für Deine lobenden Worte an die Band! Bitte besucht unsere Homepage http://www.leviathanresurrected.com. Findet heraus, ob ihr unsere gut durchdachte und leidenschaftliche Musik mögt.
Nach all den Jahren bin ich doch immer wieder überrascht, dass ich auch heute immer noch Bands für mich entdecken kann, die bereits einige Jahre auf dem Buckel haben! So ging es mir auch bei Leviathan auf dem H:O:A. Aber ich finde, die Jungs haben unsere Unterstützung auf jeden Fall verdient! Es ist mir eine Ehre, dass wir sie auf unseren Seiten verewigen konnten! In die Mucke rein hören könnt ihr hier:
http://www.myspace.com/progressiveleviathan.