220V - WALKING IN STARLIGHT


Label:AOR HEAVEN
Jahr:2014
Running Time:60.24
Kategorie: Neuerscheinung
 

Häufig ist es ja eine zwiespältige Angelegenheit, wenn alte Helden nochmal ein Album unters Volk werfen. Entweder stilistisch komplett anders als der Backkatalog, oder ein lauwarmer Aufguss des selbigen sind meist das Ergebnis. Nicht so im Fall der schwedischen Melodic Rock Könige 220 Volt, die in den 1980er Jahren einen sehr guten Ruf in der Szene besaßen, aber es nie auf die ganz große Bühne geschafft haben. Den meisten dürfte das kommerziell erfolgreichste Album der Band „Eye To Eye“ von 1988 ein Begriff sein: eine Perle aus dem Land der Elche und Kiefenregale. Zu meiner großen Freude versucht die Band mit Neu-Sänger Anders Engberg von Lions Share beziehungsweise Therion gar nicht erst, in diese erfolgreiche Phase zurück zu rudern, sondern geht hier deutlich klassischer zu Werke. Das heißt nicht, dass uns nicht hoch melodische Hooklines wie in „Take A Good Look“ oder „The Waiting“ serviert werden, aber es wird im Großen und Ganzen deutlich straighter gerockt als dazumal. Da mischt sich bluesiges wie bei „Stranded“ oder „One Good Reason“ mit Purple-esquem wie in „Alive“, bei „Get Me Out“ oder „Through The Wasteland“ meint man fast ein Pretty Maids-artiges Brett zu vernehmen. Es wird also eine sehr schmackhafte Mischung kredenzt, die trotz unterschiedlicher Lagerung der jeweiligen Songs immer homogen und nie zusammengewürgt klingt. Ein im besten Sinne klassisches (skandinavisches) Hard Rock Album, vielfältig, sehr kompetent umgesetzt, garniert mit grandioser Gitarrenarbeit, die den Spagat zwischen songdienlich und virtuos glanzvoll schafft und mit vielen Twin Leads erfreut, massenhaft Refrains, die sich zu brutalsten Ohrwürmern entwickeln und genug Abwechslung von der ersten Sekunde bis zum Abschluss, den die Powerballade „Guiding Light“ bildet, ein sehr dynamischer und kraftvoller Song voller Strahlkraft. Dieser leidet allerdings auch am meisten am einzigen wirklichen Schwachpunkt des Albums: der etwas kraftlosen Produktion. Nein, das Teil klingt keinesfalls schlecht oder dünn, aber die etwas saftlosen Gitarren und das pappig daher kommende Schlagzeug rauben gerade einer solchen Nummer etwas den Zauber. Glücklicherweise ist das Material, das 220 Volt hier bereit haben so stark, dass dieser Lapsus wirklich gut zu verschmerzen ist. Für Anhänger von lecker-melodischen Schwedenhappen mit erhöhter Halbwertszeit eine absolute Empfehlung!

Note: 9 von 10 Punkten
Autor: Tammo Krauß


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