PROTECTOR - Reanimation in Schweden


Wenn man an deutschen Thrash Metal der alten Schule denkt, fallen meistens Namen wie Sodom, Kreator und Destruction, aber auch Tankard oder Living Death. Eine Band, die ebenfalls schon sehr lange dabei ist, sind Protector aus Wolfsburg. Zu einer Zeit, da das dort hergestellte Auto einen großen Boom nach der Wende hatte und man sich mit Profifußball noch nicht so wirklich auskannte, fiel die Band vorerst auseinander und es war sehr lange ruhig um die Combo. Nun aber sind sie wieder da. Warum Martin Missy der Einzige ist, der noch von früher dabei ist, warum man aus einer Coverband hervorgegangen ist und warum aus einer Deutschen Band auf einmal eine Schwedische geworden ist, erfahrt ihr hier:

PROTECTOR logoDaniel: Hallo Martin! Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum neuen Album „Reanimated Homunculus“! Ich bin etwas überrascht, dass die Zeit so spurlos an Dir vorbei gegangen zu sein scheint, denn die neue Platte klingt zu 100 % nach Protector!

Martin: Vielen Dank! Freut mich sehr, dass dir unser neues Album gefällt, und dass Du findest, dass es nach Protector klingt.

Daniel: War es Dir eigentlich wichtig, dass das neue Album auch auf Vinyl erscheinen würde? Und wie seid Ihr mit High Roller Records in Kontakt gekommen? Kamen sie auf Euch zu oder hast Du bei ihnen angefragt?

Martin: Ja, das mit dem Vinyl war uns sehr wichtig. Vinyl gehört für uns einfach mit dazu. Den Tipp bezüglich High Roller hat uns Tormentor von Desaster gegeben. Da habe ich mich mit den Jungs von High Roller Records in Verbindung gesetzt, und wir haben uns so gut wie sofort sehr gut verstanden.

Daniel: Ich hatte zunächst ja die Befürchtung, dass die Platte etwas schwedisch ausfallen würde, hehe… Wobei wir gleich beim Thema sind: Du wohnst mittlerweile in Schweden. Seit wann? Warum? Und sprichst Du mittlerweile auch Schwedisch?

Martin: Meine Mutter ist aus Schweden und wir haben zu Hause in Wolfsburg immer auch Schwedisch gesprochen. 1995 bin ich dann in das Heimatland meiner Mutter gezogen, weil ich mal etwas Neues ausprobieren wollte. Seit 1997 wohne ich in Stockholm.

Daniel: Deine drei neuen Mitstreiter kommen ebenfalls aus Schweden. Ich habe alle Demos von Suicidal Winds in meiner Sammlung, ebenso wie die Split-7“ von Axis Powers mit Ill-Natured. Von daher war mir Mathias Johansson bereits ein Begriff. Wie bist Du mit ihnen in Kontakt gekommen? Kanntest Du ihre Combos zuvor auch schon?

Martin: Die Bands von Carl-Gustav, Michael und Mathias kannte ich vorher nicht. Ich habe 2005 auf einer Nifelheim-Aftershow Party in Stockholm einen Metaller Namens Jonas Svensson kennengelernt. Wir haben uns sehr lange über Metal im Allgemeinen und Protector im Speziellen unterhalten. Irgendwann kam dann die Idee auf, eine Protector-Coverband Namens Martin Missy & The Protectors zu gründen. Jonas fuhr zurück nach Uddevalla (500 km von Stockholm) und hat dann die drei anderen für die Coverband ins Boot geholt.

Daniel: Zunächst wart Ihr ja erst von 2006 bis 2011 als Protector Tributeband unter dem Namen Martin Missy & The Protectors unterwegs. Warum hast Du dann einen Schlussstrich gezogen und mit dieser Band als Protector weiter gemacht?

Martin: Wir wollten damit anfangen, neue Songs zu schreiben, und dies wollten wir dann nicht unter dem Namen Martin Missy & The Protectors tun, sondern den Fans neues Material von Protector kredenzen. Ich habe mich vorher mit Gründungsmitglied Hansi Müller unterhalten, und als er sagte, dass er die Idee gut findet, haben wir angefangen, neue Songs zu schreiben. Die ersten neuen Songs erschienen dann 2011 auf dem Demo „The Return Of Thrash And Madness“.

Daniel: Inwieweit waren denn Deine neuen Musiker am Songwriting beteiligt? Die Platte hat für mich keinerlei Schwedischen Einflüsse, was die Gitarrenarbeit oder den Sound angeht. Spielst Du ein Instrument? Oder wie hast Du Deine musikalischen Ideen weitergeleitet?

Martin: Wir wollten von Anfang an, dass alles nach Protector klingen sollte; keine modernen Einflüsse, extrem tiefer gestimmte Gitarren, Keyboards oder Ähnliches. Das fiel uns auch gar nicht schwer, da sämtliche Bandmitglieder größtenteils auch „privat“ fast ausschließlich Metal aus den Achtzigern hören. Die Songs bzw. die Riffs, sind größtenteils von unserem Gitarristen Michael Svensson und unserem Basser Mathias Johansson geschrieben worden. Ich habe mich allerdings auf dieser Platte, übrigens zum ersten Mal, auch am Songwriting beteiligt. Ich spiele leider kein Instrument, und so musste ich meinen Bandkollegen die Riffs vorsummen, und Mathias und Michael mussten das Gesumme dann in Akkorde umwandeln. Die Songs auf „Reanimated Homunculus“, zu denen ich die Riffs beigesteuert habe, sind das Titelstück und „Calle Brutal“.

PROTECTORDaniel: Was sagen eigentlich Deine Ex-Protector-Kollegen dazu? Hatten sie absolut kein Interesse mehr an der Band? Oder warum hast Du mit den Schweden die Band wiederbelebt? Streng genommen warst Du ja zwar der Sänger der ersten beiden Alben, bist aber auch kein Originalmitglied…

Martin: Das stimmt. Die Band wurde 1986 von Michael Hasse (Gesang/Drums), Hansi Müller (Gitarre) und Michael Schnabel (Bass) gegründet, und in dieser Besetzung haben sie auch das erste Demo aufgenommen. Ich kam erst ca. neun Monate später hinzu. Weitere zwei bis drei Monate später haben wir dann die EP „Misanthropy“ aufgenommen. Hansi findet es gut, dass wir Protector wiederbelebt haben. Wäre Michael Hasse noch am Leben, hätten wir ihn selbstverständlich auch gefragt, ob es für ihn okay ist, dass wir unter dem Namen Protector weitermachen. Alle anderen ehemaligen Protectoren finden es auch gut, dass wir weitermachen, und keiner von ihnen hat ein motivationsmäßiges Interesse daran, die Band weiterzuführen.

Daniel: Euer Ex-Schlagzeuger Marco Pape hatte Protector noch bis 2003 immer noch irgendwie versucht, am Leben zu erhalten. Hast Du das überhaupt bis zum Ende verfolgt? Musstest Du Dir so etwas wie eine „Genehmigung“ für die Weiterführung Protectors einholen oder so?

Martin: 1994 haben sich Protector dazu entschlossen, eine einjährige Pause einzulegen. Daraus wurden dann zwei Jahre, und zu dem Zeitpunkt war dann nur noch Marco Pape motiviert genug, die Band weiterzuführen, was er dann  auch mit einem neuen Line-Up getan hat. Unter anderem nahm dieses Line-Up auch ein Demo mit dem Namen „Resurrected“ auf (2000). Von diesem Demo haben wir übrigens auf dem neuen Album einen Song („The End“) gecovert, um so zu sagen eine Brücke zu dem letzten Line-Up herzustellen. Bezüglich der Genehmigung, so habe ich, wie gesagt, hierüber nur mit Hansi gesprochen, und die anderen anschließend über die Neugründung informiert.

Daniel: Kommen wir jetzt mal zu Dir: Wann und wie bist Du denn 1987 überhaupt mit Protector in Kontakt gekommen? Kanntest Du ihre Demos schon, bevor Du dort eingestiegen bist?

Martin: Ich kannte das 1986er Demo schon, bevor ich bei Protector eingestiegen bin, und ich fand es sofort genial. Dass so eine harte Band aus meiner (kleinen) Heimatstadt kommen konnte, hat mich ganz schön stolz gemacht. Ich kannte Michael Hasse schon ein wenig vorher, da ich u. a. einen Artikel über Protector für eine Schülerzeitung geschrieben hatte, aber für die Band interessant wurde ich erst, als Michael irgendwann Anfang 1987 ein Rehearsaltape von meiner damaligen Speed/Thrash Band Inzest gehört hat, woraufhin er mich angesprochen hat, ob ich nicht bei Protector einsteigen wolle. Ich habe sofort ja gesagt.

Daniel: Wieso kam es denn 1989 überhaupt wieder zur Trennung? Wie lief falsch?

Martin: Damals war ich dumm genug, Drogen zu nehmen. Zwar kein härteres Zeugs, aber der Haschisch-Konsum hat Anfang 1989 dennoch dazu geführt, dass ich extreme Angstzustände und Panikattacken bekommen habe. Es war die härteste Zeit in meinem Leben. So etwas wünsche ich nicht mal meinem schlimmsten Feind an den Hals. So wie es mir damals ging, konnte ich bei Protector nicht weitermachen. Im Sommer 1989 ging es mir allerdings wieder etwas besser, und ich kam zurück und habe den Gesang für die „Urm The Mad“ aufgenommen. Aber irgendwie waren der Spirit und die Motivation weg. Die anderen haben das wohl auch mitbekommen und haben mich dann durch Olly Wiebel ersetzt.

Daniel: Und was hast Du in Deiner Protector-freien Zeit zwischen 1989 und 2006 so getrieben? Warst Du noch in der Metalszene aktiv?

Martin: In den ersten Jahren nicht allzu sehr. Aber ganz kommt man von der Musik nicht weg, wenn man einmal in einer Band war. In Wolfsburg habe ich in einer Projekt-Band namens R.A.U. und in einer Metal-Coverband (u. a. mit Ede Belichmeier am Bass) namens Energyant gesungen. In Schweden hat es dann bis 2001 gedauert, bis ich wieder in einer richtigen Metalband aktiv wurde. Die erste Band hieß Ruins Of Time (Metal), aus der sich später Phidion (Death Metal) entwickelte. Kurze Zeit später bin ich in die Thrashband Talion eingestiegen, und mit einigen Mitgliedern aus dieser Band habe ich die Stoner-/Doom Band Obrero gegründet. Zeitweilig habe ich in vier Bands gleichzeitig gesungen. Heute singe ich „nur“ noch bei Obrero und Protector.

PROTECTORDaniel: Schlagzeuger Michael Hasse starb 1994 mit nur 26 Jahren an einer Überdosis, Protector beendeten noch die Aufnahmen zu „The Heritage“. Es folgte noch die Best Of-Compilation „Lost In Eternity“. Alles deutet auf das Ende von Protector hin. Wie wichtig war denn Michael für die Band? Und hattest Du noch bis zum Schluss zu ihm Kontakt?

Martin: Zwischen 1989 und 1994 hatte ich fast gar keinen Kontakt mehr zu Michael. Er kam aber im Sommer 1994 zu zwei Gigs von meiner Coverband Energyant, und da haben wir uns nochmal ein wenig miteinander unterhalten können. Kurze Zeit später war er tot. Das war ein großer Schock für mich. Michael war sehr wichtig für die Band. Ich denke, dass Protector mit (einem drogenfreien) Michael Hasse bestimmt noch länger weitergemacht hätten.

Daniel: Wieso ist eigentlich ausgerechnet mein Lieblingsalbum von Protector, „Urm The Mad“ als einziges Album nicht auf der Best Of berücksichtigt worden? Gab es da rechtliche Probleme? Die Alben sind doch alle auf einem Label erschienen…

Martin: Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, da ich zu dem Zeitpunkt, als die „Lost In Eternity“ raus kam, bereits sechs Jahre aus der Band raus war.

Daniel: Du hast ihm die neue Platte auch gewidmet. Glaubst Du, er hätte gewollt, dass Du das Erbe von Protector weiterführst? Und wenn ja: Warum hast Du so lange damit gewartet?

Martin: Ui, das ist ganz schwer zu beantworten. Ich hoffe zumindest, dass er, genau wie Hansi, die Wiederbelebung von Protector durch mich und meine Schwedischen Mitstreiter, befürwortet hätte. Warum ich so lange mit der Neugründung von Protector gewartet habe? Zunächst bestand die Band ja noch bis ca. 2003. Anschließend haben wir dann das Ganze als Coverband gemacht, weil ich mir nicht sicher war, ob die Fans uns als Protector akzeptieren würden, wenn nur noch ein Mitglied aus der Guten alten Zeit in der Band aktiv ist. Während der Zeit mit den Protectors habe ich jedoch immer wieder bemerkt, dass uns die meisten Fans mehr als Protector, denn als Coverband gesehen haben. Als der Zeitpunkt gekommen war, an dem wir anfangen wollten eigene Songs zu schreiben, hat mich dies dann auch bestärkt, das Ganze wieder unter dem Namen Protector zu machen.

Daniel: Welche Zukunftspläne hast Du noch mit Protector? Werdet Ihr bald wieder live in Deutschland zu sehen sein? Und wird es noch weitere Alben von Euch geben? Oder war „Reanimated Homunculus“ nur eine Eintagsfliege?

Martin: Ein großes Ding werden wir aus Protector nicht machen. Wir werden weiterhin so ca. vier bis sechs Gigs pro Jahr machen und an neuen Songs für ein kommendes Album schreiben. Auftritte in Deutschland für 2014 sind im Moment noch nicht gebucht. Zu schreibender Stunde haben wir Gigs in Frankreich (Chaulnes Metal Fest, Ostern 2014) sowie Dänemark (Metal Magic Festival, 12. Juli 2014) am Start.

Daniel: OK, Martin! Die letzten Worte gehören Dir!

Martin: Vielen Dank, dass Du das Interview mit mir gemacht hast. Ich möchte auch ein großes Dankeschön an alle alten und neuen Protector-Fans richten, dass sie der Band die Treue halten. Ihr seid die „Sons Of Kain“, und ich hoffe, dass wir uns bald bei einem unserer Auftritte sehen werden!

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Autor: Daniel Müller