BLUTTAT, STAHLSCHWESTER, ANTIPLUG

Mühlheim an der Ruhr, Altes Schilderhaus, 20.04.2013

BLUTTAT flyer 2013Wir schreiben das Jahr 1981. Die späteren Toten Hosen nannten sich noch ZK und auch sonst nahm in Deutschland die Anarcho Punk Szene gerade erst richtig Fahrt auf. Zu den frühen Mitbegründern zählte auch Bluttat aus Mühlheim. ZK durfte auf einem Festival noch als Anheizer herhalten, während die vier Bluttäter den Headliner machten. Aber das ist Vergangenheit. In den Jahren 1982 bis 1986 brachte man es auf insgesamt drei Veröffentlichungen, welche im einschlägigen Milieu für reichlich Aufsehen sorgen konnten. Das Außergewöhnliche an den Mühlheimern war stets, dass man mit Anja „Atti“ Mülders eine Sängerin an Bord hatte. Die alten Scheiben sind rar und wurden deshalb jüngst wiederveröffentlicht. Zudem finden sich seit einigen Jahren, die mittlerweile viele hundert Kilometer voneinander entfernt wohnenden Musiker, zu vereinzelten Reunion Shows in Originalbesetzung zusammen. So auch an diesem Wochenende mit einem Auftritt in Berlin und einem Gig in der Heimatstadt, in der alles seinen Anfang nahm.

 

ANTIPLUG brianDie erste Überraschung gab es gleich an der Abendkasse. Für schlappe neun Euro bekam man eine farbige Hardcover Eintrittskarte überreicht, was endlich wieder Schule machen sollte. Zunächst durften Antiplug auf die Bretter steigen und ihre Vorstellung von Punkrock zum Besten geben. Das Trio aus dem Ruhrpott begann mit „Inside“ und „Bis Es Schmerzt“ aus ihrer selbstvertriebenen Mini CD. Die Musik, welche perfekt alten englischen Punkrock wie auch amerikanischen Melodic Core verschmelzen ließ, wurde mit häufig mehrstimmigen Gesängen in deutschen und englischen Lyrics angereichert. Das noch sehr verhaltene und mit großem Abstand zur Bühne anwesende Publikum, belohnte die Darbietung mit Applaus, ließ sich aber trotz guter Performance und souveräner Ansagen nicht weiter aus der Reserve locken. Unbeeindruckt dessen spielten die drei Jungs sich durch ihr vierzigminütiges Programm. Amtliches Songmaterial, wie beispielsweise das anspruchsvolle und rockige „Gasoline Alley“ oder das mit feinen Breaks versetzte „Drive Far Away“, wussten zu überzeugen. Mit „Kaltes Bier“ gab es zudem einen einprägsamen Gassenhauer. Obwohl die Truppe erst seit einem Jahr musiziert, darf man dem Dreier schon jetzt reichlich Potenzial bescheinigen und mit Spannung auf die demnächst angekündigte neue CD blicken.

 

STAHLSCHWESTER pepples LIVE 2013Eine kurze Umbaupause später durften dann Stahlschwester aus Hamburg ihr erst wenige Monate altes Debut Album „Ja &  Amen“ live vorstellen. Wie der Bandname vermuten ließ, gab auch bei den 2008 gegründeten Hanseaten eine Frontfrau den Ton an. Krawallpunk mit ordentlichem Hardcore Einschlag, sowie leichten Crust Einflüssen gab es dann für eine knappe Stunde lang auf die Lauscher. Die Zuhörer behielten auch hier ihren Sicherheitsabstand zur Bühne, was die Sängerin Peppels jedoch für sich ausnutzte und den Gig zum Großteil überaus agil vor der Rampe absolvierte. Sie hüpfte, tanzte und schrie sich dabei die Seele aus dem Leib. Dass man in diesem Zusammenhang die Texte nur bruchweise verstehen konnte, interessierte beim Anblick des hübschen Paradiesvogels kaum jemand. Totale Vernichtung dröhnte derweil aus den Boxen und eine extrem harte Snaredrum peitschte die Musiker in rasanter Geschwindigkeit nach vorne. Von der Agilität beeindruckt und dem steigenden Alkoholkonsum gelenkt, fanden sich nach kurzer Zeit schließlich auch die ersten pogowilligen Punks zusammen, die zu Songs wie „Lüge“, „Euer Freisein“, “Obacht“ oder auch „Arbeitslager“ ordentlich abgingen. Eine durchaus energiegeladene Show, auch wenn mir persönlich die heftige Mucke des Quartetts zeitweise ein wenig zu lärmig war.

 

BLUTTAT jörg LIVE 2013Nun war es Zeit für eine unverkennbar andere Klangfarbe. Die gut einhundert Punks, Metalheads und restlichen Schaulustigen, wollten den kultigen Spirit der frühachtziger Deutschpunk Phase einatmen und Bluttat demonstrierten an diesem Abend in Perfektion, dass man dies auch im fortgeschrittenen Alter noch verwirklichen kann. Endlich bekamen die Musiker auch die Nähe der Zuhörerschaft zu spüren und so mancher Spätzünder bemerkte sogar, dass Gitarrist Jörg bereits das zweite Mal „on Stage“ BLUTTAT anja LIVE 2013präsent war. Seine aktuelle Gruppe trägt nämlich den Namen Antiplug und damit hat er persönlich an diesem Abend den Opener- und Headliner Part übernommen. Frontmaus Anja bot eine routinierte und selbstsichere Performance und erinnerte mit ihrer leicht rauchigen Stimme, besonders in ruhigeren Momenten wie beim großartigen Song „Wen Störts“, nicht selten an die rockige Frühphase der Nina Hagen. Den ein oder anderen kleinen Spielfehler verzieh man gerne, zumal das Üben im Proberaum ja aufgrund der großen räumlichen Distanz der Musikanten nur sporadisch möglich war. Der abgefuckte Sound der Combo hat die drei Dekaden gut überlebt und am Schauplatz bewies die getreue Anhängerschaft ausreichend Textsicherheit. Als nach zweiundzwanzig gespielten Nummern die Setlist ein Ende nahm und der Mob nach mehr verlangte, entschied man sich kurzerhand nochmal den heimlichen Hit der Band mit dem Titel „Nötigung“ (gesungen von Gitarrist Jörg) wiederholt zu zelebrieren. Da gab es dann kein Halten mehr und viel würdiger hätte der vielfältige Punk Abend mit durchweg gutem Sound auch nicht beendet werden können.



Autor: Dirk Determann - Pics: Dirk Determann