VIRGIN STEELE - Noch mehr Zeug zum Hören


Anlässlich der hochwertigen Neuaufmachung des fünften, ursprünglich 1993 erschienenen Virgin Steele-Albums „Life Among The Ruins“ bekam ich Mitte Juni 2012 die Gelegenheit, ein Telefoninterview mit Sänger David DeFeis zu führen. Doch nicht nur über den Re-Release dieses etwas unterbewerteten Albums, sondern auch über die nahen Zukunftspläne der Band konnte ich dem Stimmwunder einiges entlocken. Viel Spaß beim Lesen dieser knapp 40-minütigen Konversation zwischen Mainz und New York City!

VIRGIN STEELE logoMarius: Hallo David! Zunächst möchte ich mit der Wiederveröffentlichung von „Life Among The Ruins” beginnen, die vor wenigen Wochen herauskam. Ich bin davon echt beeindruckt, weil es tonnenweise Bonusmaterial enthält; so wie es auch schon bei „Noble Savage“ und „Age Of Consent“ der Fall war! Warum sind da so viele Bonustracks drauf und wo kommen die alle auf einmal her?

David: Na ja, wir haben uns gefragt, warum wir das nicht tun sollten! Wir könnten doch einen Schritt weiter gehen und etwas im Stil des Albums schreiben. Wir wollten den Leuten noch mehr geben. Es ist schön für sie und für uns. Für uns war es eine Gelegenheit, auch mal Songs zu verwursten, die es sonst vielleicht nicht auf ein reguläres Virgin Steele-Album geschafft hätten. Wo die Sachen auf einmal herkommen, fragst Du? Sie sind alle neu und wurden speziell für diese Wiederveröffentlichung geschrieben und aufgenommen! Die Idee mit den Akustikversionen war hingegen schon etwas älter und der Song „Flesh And Blood” stammt sogar noch aus den „The Marriage Of Heaven And Hell Part I”-Sessions!

Marius: Das habe ich dem Booklet entnommen!

David: Ja, wir tun alles Mögliche, um uns zu beschäftigen!

Marius: Die ersten Bonusstücke sind Akustikversionen von Songs, die schon auf „Life Among The Ruins” enthalten waren, z. B. „Snakeskin Voodoo Man” und sogar ein Billy Idol-Cover, was mich etwas verwirrt hat, um ehrlich zu sein. Das hätte ich von einer Band wie Virgin Steele jedenfalls nie erwartet. Wie kam es dazu, dass Ihr so ungewöhnliche, metaluntypische Songs von Prince und Billy Idol gecovert habt?

David: Tja, der Grund für „Jet Black” und „Snakeskin Voodoo Man” war eigentlich, dass wir versucht haben, alles Mögliche aus unserem Backkatalog akustisch zu vertonen. Es macht uns einen Riesenspaß, zu sehen, ob das funktioniert oder nicht. Es klappt zwar nicht bei allen Songs, aber bei diesen funktionierte es ziemlich gut. So war es auch bei all den Coversongs: Wir hatten einfach Spaß daran und haben es schließlich probiert. Wir waren mit dem Endergebnis sehr zufrieden und wollten diese Songs verwenden. Wir haben etliche Rehearsal Versionen von allen Songs aufgenommen und uns später die besten herausgesucht.

Marius: Danach folgen die ersten fünf Songs der zweiten CD, sie beginnt mit „My Mourning Clothes”. Ich habe mich gewundert, dass Ihr bei so vielen Songs nicht eine separate EP daraus gemacht habt, weil dort auch komplett neue Coverversionen und neue Songs enthalten sind, die gar nicht aus der damaligen Zeit stammen. Warum habt Ihr diese neuen Songs gerade hier als Bonus verwendet?

David: Na ja, wie gesagt: Warum nicht? Ob es jetzt eine separate CD mit sechs oder sieben Songs wird, oder ein Haufen Bonustracks, ist doch im Prinzip egal. Jetzt habt Ihr halt noch mehr Zeug zum Hören, hehe! Aber wie bereits erwähnt: Wir haben uns mit unserem alten Material auseinander gesetzt und wollten wieder etwas in diesem Stil machen, was unseren damaligen Spirit widerspiegelt. Wir waren dann im Studio und haben viel gejamt; zum Teil auch mit Freunden. Und das sprang dabei heraus! „My Mourning Clothes” bekam halt dieses Blues-Feeling und klingt deshalb anders. Wir wollen mit der Band nicht engstirnig denken. Wir zeigen auch gerne mal andere Seiten von uns und das werden wir auch in Zukunft hin und wieder so machen.

Marius: Dann folgen vier weitere Songs und „The Vertical Soul Suite”, ein Cover von „Wild Thing” und noch zwei weitere Songs. Sie sind aber erst vor wenigen Wochen bzw. Monaten aufgenommen worden. Waren die Songs ursprünglich damals schon für „Life Among The Ruins“ geplant?

David: Nein, das wurde alles erst vor wenigen Wochen geschrieben und aufgenommen. Das ist alles neu: von „When The Levee Breaks” bis hin zu „The Vertical Soul Suite“.

Marius: Zum Schluss der Bonus-CD haben wir dann den New York-Mix des kompletten Albums. Was mich interessieren würde, ist, ob diese Aufnahmen auch 1993 entstanden sind und warum sie dann letztendlich über Bord geworfen wurden!

David: Ja, das war tatsächlich der ursprüngliche Mix des Albums. Wir haben es in New York gemischt. Unser altes Label Shark Records wollte aber, dass wir nach Deutschland fliegen und es neu abmischen. Das ist alles auf CD 1 enthalten. Sie mochten den neuen Sound lieber und haben den anderen Mix schließlich verworfen. Mir gefällt der alte Mix aber besser, weil er sehr viel rauer und direkter klingt. Der Bass klingt auf der späteren Version fetter und der Gesang klingt auch sauberer als auf den New York-Mixen. Es hatte einfach eine bessere Studioqualität. Ich wollte die ursprüngliche Version aber immer irgendwie verwenden, weil ich sie persönlich besser finde und das jetzt war dafür der perfekte Zeitpunkt. Es ist schön, beide Mixe jetzt im direkten Vergleich zu haben. Die Leute können nun selbst entscheiden, welche Version sie besser finden und lieber hören.

VIRGIN STEELE bandMarius: Den Mix habt Ihr in Deutschland gemacht, genauer gesagt in Gelsenkirchen. Für uns ist der Ruhrpott, wo Gelsenkirchen liegt, eine Art Valhalla des Metal. Welche Erinnerungen hast Du an die Gegend, als Ihr dort wart? Hast Du dort auch Virgin Steele- oder generell Metal-Fans angetroffen?

David: Um ehrlich zu sein, waren wir nur zwei Wochen im Studio und haben dort niemanden getroffen. Wir haben nur den Toningenieur gesehen! Wir sind nur mal im Umkreis des Studios umher gewandert und waren in einem Laden namens „Nudel Land“, haha! Ansonsten haben wir dort aber niemanden gesehen. Wir gingen nur kurz hinein und wieder raus. Es war nur ein Arbeitstrip; mehr nicht.

Marius: In Gelsenkirchen findet ja auch das Rock Hard Festival statt, wo ich jedes Jahr hingehe.

David: Ja, da haben wir schon häufiger mal gespielt. Für uns ist es fast wie ein zweites Zuhause.

Marius: Lass uns mal über die musikalische Ausrichtung von “Life Among The Ruins” reden! Warum habt Ihr im Vergleich zu Euren Vorgängeralben auf einmal solch klassischen 80er-Hard Rock gespielt? Welche Bands haben Euch damals dazu beeinflusst? Gab es bestimmte Bands, die Ihr zu dem Zeitpunkt häufiger gehört habt?

David: Nein, eigentlich nicht. Es hat sich einfach so ergeben. Zu dem Zeitpunkt hatten wir keinen Plattenvertrag und haben uns von unserem damaligen Manager getrennt. Die Platte ist eigentlich direkt beim Songwriting entstanden. Wir sind alles locker angegangen und haben die Songs wachsen lassen. Wir haben zu dem Zeitpunkt sehr viel Led Zeppelin, Black Sabbath und Deep Purple gehört. Wir wollten simple Songs im Stile der ersten beiden Led Zeppelin-Alben schreiben und haben sie alle spontan und live im Studio aufgenommen. Alles wurde viel geprobt und wir haben dann die besten Versionen für das Album genommen. Wir haben nächtelang geprobt und gejamt. Es war eine völlig neue Erfahrung für uns, aber das war nicht von Anfang an so geplant. Mir war sofort klar, dass die Songs ganz anders werden als „The Burning Of Rome”, „Noble Savage” und „We Rule The Night”. Es war etwas komplett Anderes! Wir haben uns einfach vorgenommen, ein cooles Album einzuspielen. Niemand hat das Album in dieser Form erwartet, aber so war es nun einmal. Man kann es halt nicht jedem recht machen…

Marius: OK, lass uns mal zum Anfang Eurer Karriere zurück gehen, zu Euren ersten beiden Alben „Virgin Steele” und „Guardians Of The Flame”! Ich kenne viele US Metal-Fans, die diese beiden Alben wegen ihrer Rohheit besonders mögen. Wird es von beiden Alben auch noch Wiederveröffentlichungen über Steamhammer geben?

David: Oh, aber die wurden doch schon vor Jahren wiederveröffentlicht! Da waren auch Rohfassungen von Songs wie „Life Of Crime”, „Burn The Sun”, „The Lesson” usw. drauf. Die kamen jedoch noch bei Sanctuary Records raus.

Marius: Ja, ich weiß. Besteht aber die Idee, über Steamhammer vielleicht auch eine Doppel-CD davon zu machen?

David: Ich weiß, ehrlich gesagt nicht genau, ob das wirklich Sinn machen würde, weil eine neue Version ähnlich ausfallen würde. Wir könnten natürlich noch einmal ins Studio gehen und neue Songs im alten Stil aufnehmen. Ich glaube zwar nicht, dass das in absehbarer Zeit passieren wird, aber frag mich morgen noch einmal. Vielleicht denke ich dann wieder anders darüber!

Marius: Wenn Ihr chronologisch Alben wiederveröffentlicht, müssten ja als Nächstes die beiden „Marriage Of Heaven And Hell”-Alben an der Reihe sein…

David: Ja, und so ist es auch!

VIRGIN STEELE davidMarius: Wann werden sie erscheinen? Wird es eine Doppel-CD oder werden sie einzeln herausgebracht?

David: Der Plan ist schon, sie als großes Ganzes als Doppel-CD zu veröffentlichen. Es wird auch wieder Bonustracks im jeweiligen Stil geben. Wann das genau erscheint, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Es könnte allerdings sein, dass vorher noch ein komplett neues Album von uns ansteht. Wir sind uns da noch nicht ganz sicher, aber sie werden definitiv noch erscheinen; so viel steht fest.

Marius: OK, dann hat ein guter Freund von mir, der auch ein großer Virgin Steele-Fan ist, noch eine Frage zu dem Song „Emalaith”: Auf welcher Mythologie basiert er? Er konnte nämlich nichts darüber finden…

David: Auf meiner eigenen Mythologie, haha! Nein, im Ernst: Er basiert nicht auf der Griechischen, Römischen oder Nordischen Mythologie, sondern war eine eigene Idee von mir. Aber Danke der Nachfrage! Freut mich!

Marius: OK, dann lass uns jetzt zu meinem Lieblingsalbum von Virgin Steele, „Noble Savage”, kommen! Viele meiner Freunde sind derselben Meinung. Kannst Du das nachvollziehen, warum gerade „Noble Savage“ für viele Fans das Virgin Steele-Album überhaupt ist oder gibt es Deiner Meinung nach ein Album, das besser oder stellvertretender für die Band ist?

David: Oh, mein Gott! Gute Frage! Ich kann schon nachvollziehen, warum gerade diese Platte bei Fans so gut ankommt. Mir haben schon sehr viele Fans erzählt, dass „Noble Savage“ ihr Lieblingsalbum von Virgin Steele ist. Andere wiederum finden aber auch „Visions Of Eden“ am besten. Es kommt immer drauf an: Meistens hat es ja damit zu tun, mit welchem Album man eine bestimmte Band für sich kennenlernt. Das hat auch viel mit Nostalgie zu tun, weißt Du? Ich finde das Album auch großartig! Ich bin immer noch sehr stolz darauf und habe sehr viele schöne Erinnerungen an die Zeit im Studio und die Probleme, die wir zu der Zeit mit der Band hatten. Das bedeutet mir sehr viel, aber all unsere Platten sind wie meine eigenen Kinder für mich. Du lebst und wächst mit ihnen. Ich versuche auch bei Fans immer nachzuvollziehen, wo das genau herkommt. Ich habe kein Problem damit, wenn mir Fans ein anderes Lieblingsalbum von uns nennen. Es ist so, wie es ist und das ist auch gut so!

Marius: Du hast vor wenigen Minuten etwas von einem neuen Virgin Steele-Album erzählt. Für wann ist das geplant? Für dieses oder eher nächstes Jahr?

David: Na ja, es war ursprünglich schon für Oktober/November geplant. Wann es allerdings genau kommt, weiß ich nicht. Unser Label hat immer wieder neue Pläne. Das ändert sich fast täglich, aber es wird definitiv nicht wieder drei weitere Jahre dauern; vielleicht noch zum Jahresende hin. Eventuell ändern sie ja auch ihre Meinung und bringen „The Marriage Of Heaven And Hell“ zuerst raus, das ist durchaus möglich. Wir müssen uns da nach ihnen richten. Wir haben echt viel geschrieben und aufgenommen in der letzten Zeit. Das reicht locker für die nächsten paar Alben! Im Moment sind wir mal wieder damit beschäftigt, neuen Songs ihren letzten Schliff zu verpassen.

Marius: Oh ja, da freue ich mich schon drauf!

David: Ja, ich auch! Es wird etwas anders als unsere bisherigen Alben sein. Ein paar Sachen sind schneller ausgefallen, andere eher straight, andere haben auch klassische Einflüsse. Wir verbinden dort viele Stile, die die Band ausgemacht haben. Im Moment wollen wir wieder so lange wie möglich ins Studio und alles hinter uns bringen. Das nächste Album ist schon komplett im Kasten und das darauf folgende Langeisen ist auch schon fast fertig!

Marius: Du bist ein Arbeitstier, haha!

David: Ja, wir versuchen immer, so viel wie möglich zu machen und das ist nur ein Teil davon. Wir haben auch viele neue Bonustracks eingespielt, was wir nicht unbedingt machen mussten. Wir hätten die Alben auch so wiederveröffentlichen können, wie sie waren, aber jeder von uns wollte unbedingt etwas Neues dazu beitragen. Es fühlte sich gut an. Wir stehen hinter jedem dieser Songs. Uns ist egal, was Andere von uns denken. Wir wollen uns nicht immer nur selbst kopieren und immer wieder dasselbe Album herausbringen. Das kann immer mal wieder passieren, aber wir wollen uns auch jederzeit weiter entwickeln.

VIRGIN STEELE bandMarius: Gibt es schon Pläne für eine Tour durch Europa oder speziell Deutschland?

David: Nein, leider nicht. Wir haben absolut keine Pläne dafür im Moment. Wir wollen schon zurück nach Südamerika und Italien. Es geht immer weiter, aber im Moment ist da noch nichts geplant. Wir werden erst einmal wieder ins Studio gehen und alles fertig stellen. Zurzeit entdecken wir unser „Beatles-Gesicht“ und nehmen einfach alles auf, was uns in den Sinn kommt. Wir haben auch vor, irgendwann mal wieder raus zu kommen und live zu spielen.

Marius: Kann eine Band wie Virgin Steele eigentlich von ihrer Musik leben oder habt Ihr auch gewöhnliche Jobs?

David: Nein, wir machen nur Musik. Die anderen Bandmitglieder geben noch zusätzlich Unterricht, machen Sessions oder übernehmen Studioproduktionen.

Marius: Vor ein paar Jahren gab es ein Revival für klassischen Metal und Epic Metal. Interessierst Du Dich auch für neue Bands und kannst Du uns welche weiter empfehlen?

David: Na ja, ich bekomme zwar viele Demos und CDs zugesteckt und höre mir auch alle mindestens einmal an, aber ich behalte Bandnamen sehr schlecht. Hauptsächlich höre ich die Sachen von The Cult, Queen, Led Zeppelin, Type O Negative, Black Sabbath usw. Eine neue Band, die mir gerade einfällt, ist Leprous. George hat sie mir einmal im Auto vorgespielt. Die sind ziemlich interessant und spielen eine Mischung aus Metal, altem Progressive Rock und einem bisschen Frank Zappa. Sehr cool!

Marius: Nun kommen wir zur obligatorischen Frage am Schluss jedes meiner Interviews: Welche Scheiben sind Deine fünf Lieblingsalben aller Zeiten?

David: OK, kein Problem! Ich würde zwar nicht behaupten, dass ich diese Alben noch tagtäglich höre, aber sie haben mich am meisten für meine Musik inspiriert: Queen - I & II Led Zeppelin - I & II T-Rex - Electric Warrior

Marius: Das klingt doch ganz gut!

David: Ich bin mit diesen Platten aufgewachsen und sie waren für mich immer eine große Inspiration; vor allem die erste Led Zeppelin und das zweite Queen-Album.

Marius: OK, David! Die letzten Worte gehören Dir!

David: Ja, ich möchte mich bei allen Fans bedanken, die uns in all den Jahren immer die Treue gehalten haben. Wir arbeiten jetzt erst einmal an den Wiederveröffentlichungen, werden aber auch bald mit einem neuen Album am Start sein und wieder auf Tournee gehen, um Euch persönlich anzutreffen. Wir haben das in unserer ganzen Studiozeit wirklich vermisst! Wir werden bald wieder da sein!

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Autor: Autor: Marius Gindra – Übersetzung: Daniel Müller