RITUAL STEEL - Der Stellenwert von Musik und Menschlichkeit


Matin Zellmer ist eine rastlose Natur. Er lebt den Metal wie kaum ein zweiter, hat eine riesige Plattensammlung und verläuft sich auch immer mal in diverse Nebenprojekte. So kam es, dass wir auf das neue Album seiner Hauptband Ritual Steel mal eben sechs lange Jahre warten mussten. Das Warten hat sich aber definitiv gelohnt! Aus dem Quintett ist ein Trio geworden. Manchmal ist weniger mehr. Und „Immortal“ ist wirklich ein Oberkracher geworden. Warum es dieses Mal so lange gedauert hat, und was in der Zwischenzeit so alles passiert ist, schildert uns Herr Zellmer nun selbst:

RITUAL STEEL logo INTI 2013Daniel: Hallo Martin! Beginnen wir mal mit der Standarderöffnungsfrage: Erzähl uns doch zunächst etwas über die Gründung, den Werdegang und die Veröffentlichungen von Ritual Steel!

Martin: Ich hatte während meiner Zeit bei Red Fire Rain, mit denen ich zwei CDs und diverse Demos veröffentlicht habe, die Idee zu Ritual Steel und bis 2001 habe ich gebraucht, das passende Line-Up dafür zu finden. Wir haben dann auch noch im gleichen Jahr der Bandgründung unsere erste Single und bis 2004 in leicht veränderten Besetzungen zwei Alben herausgebracht, zweimal auf dem Headbangers Open Air, einmal auf dem Keep It True sowie viele andere interessante Gigs gespielt.

Daniel: Welche Bands haben Euch hauptsächlich beeinflusst?

Martin: Hauptsächlich Underground Metal Bands der Achtziger, US Metal und die New Wave Of British Heavy Metal.

Daniel: Wovon handeln Eure Texte? Gibt es eine Botschaft, die Ihr Euren Hörern übermitteln wollt? Oder geht es nur um die Erfüllung von bestimmten Klischees?

Martin: Eher letzteres, obwohl die Lyrics auch nicht zu banal sein sollten. Und von brauner Scheiße grenzen wir uns natürlich komplett ab, was für einige Bands mittlerweile nicht mehr ganz so selbstverständlich ist. Seit unserem neuen Album übernimmt John jetzt die Lyrics und ich denke, er hat das sehr gut gemacht.

Daniel: Lass uns mal ganz von vorne anfangen: Eure erste Veröffentlichung war die 7“ „Orchid Queen/Liquid Steel“. Warum nicht erst ein Demo, wenn Ihr so oldschool seid? Und gab es noch keine Möglichkeit, sofort eine komplette LP rauszubringen?

Martin: Nein, gerade ich wollte schnell was Ordentliches auf den Markt schmeißen! Von Demos halte ich nicht so viel. Es bringt einer Band eigentlich oftmals nicht so viel. Mit dieser Single konnten wir ja auch viel mehr Aufsehen erregen. Das wäre bei einem Demo definitiv nicht der Fall gewesen!

Daniel: Ihr habt bislang drei Split-7-Inch EPs gemacht: mit Metal Inquisitor, Reverend Bizarre und Forever Winter. Wie kamen diese Kontakte zustande? Habt Ihr das eingefädelt oder die Labels? Und ist es Dir wichtig, die Split-EPs mit Bands zu teilen, die Du selber gerne hörst?

Martin: Auf jeden Fall! Ich liebe solche Releases. Wir wurden damals von den Labels kontaktiert und haben dann natürlich sofort zugesagt.

Daniel: Früher hat man Ritual Steel in erster Linie über Hellion Records kennengelernt. Und Ritual Steel galten anfangs auch als eine Art Projekt von Hellion Records, da gleich mehrere Mitarbeiter des Ladens in der Band waren. War Ritual Steel für Dich von Anfang an eine richtige Band?

Martin: Auf jeden Fall! Unser damaliger Sänger und Bassist arbeiteten dort. Außerdem haben sie unser erstes Album vertrieben und das zweite direkt veröffentlicht. Von daher kam dann wohl dieser Gedanke. Es war von Anfang an eine Band, die ich seit vielen Jahren machen wollte. Aber für ihre damalige Arbeit bin ich ihnen sehr dankbar; auch für die beiden Gigs auf dem Headbangers Open Air!

RITUAL STEEL sven böge Daniel: Du bist das einzige noch verbliebene Urmitglied von Ritual Steel. Du bist jedoch der Schlagzeuger. Da ich selber Schlagzeug spiele, würde mich interessieren, wie Du dem Rest der Band klar machst, was sie zu tun hat. Spielst Du auch ein anderes Instrument?

Martin: Keyboards und Blockflöte ;-) Wenn ich neue Songs geschrieben habe, dann fahre ich zu unserem Gitarristen Sven Böge, der auch Ivory Tower spielt, ins Studio und zeige ihm die Riffs und Melodien. Daraufhin machen wir dann gemeinsam eine Pre-Production, die wir als Pilot für die Aufnahmen verwenden. Diese Arbeitsweise ist sehr entspannend und stressfrei. Und wenn du solche Musiker in der Band hast, dann hast du auch schnell ein Live-Programm geprobt. Ich möchte diese Arbeitsweise nicht mehr missen! Es ist auch wahnsinnig vorteilhaft, mit Musikern arbeiten zu dürfen, die ein ordentliches Equipment haben und z. B. nicht jahrelang auf verrosteten Saiten spielen oder mit einem Handkoffer, der sich Verstärker nennt, im Proberaum erscheinen!

Daniel: Hattest Du als einzig verbliebenes Urmitglied jemals den Drang, alles komplett hinzuschmeißen? Und war Dir von Anfang an klar, dass Du auf jeden Fall unter dem Namen Ritual Steel weitermachen würdest; egal, was passiert?

Martin: Nein, denn das, was damals passiert war, war extrem krass! Ich bin kein Heiliger, habe viel Scheiße von mir gegeben und unnötiger Weise für Stress gesorgt. Heute schäme ich mich für gewisse Dinge, die ich damals gesagt habe; auch für mein Verhalten gegenüber anderen Menschen! Aber all das stand nicht im geringsten Gegensatz zu dem, was ich erleben durfte! Als dann die "Zellmer - Dead Or Hospitalized"-Website online war, meine Tochter große Angst hatte, dass mir was passiert (was kein Wunder nach dem Überfall hier war), wollte ich alles hinschmeißen! Mir wurde bewusst, wie schlimm dieses elitäre Gehabe in dieser Szene wirklich ist; dass es kaum noch um die Musik geht, sondern überwiegend um Geld, Ansehen, Macht und Cliquen-Wirtschaft! Aber ändert man deswegen seinen Musikgeschmack, seine Einstellung zu seiner Musik? Ich habe dann durch Zufall Sven Böge von Ivory Tower kennengelernt und er half mir, wofür ich ihn mein Leben lang dankbar sein werde! Es kommt nicht darauf an, wie „true“ ein Mensch ist, sondern, ob er auch Menschlichkeit besitzt. Dann kam von seiner Band noch Stefan Ikert dazu und John, mit dem ich schon bei meinem Projekt Z-Iron zusammen gearbeitet habe, und wir waren wieder komplett. Und seitdem bringt es richtig Spaß! Kannst du dir vorstellen, dass es innerhalb der Band seit 2005 keinen einzigen Stresspunkt gab? Und sowas gebe ich nicht mehr her. Ich bin dankbar, solche Mitmusiker zu haben. Ohne sie würde es Ritual Steel längst nicht mehr geben!

Daniel: Nach dem Split der ersten Ritual Steel-Besetzung machte der Rest unter dem Namen Titan Steele weiter und brachte noch ein Album („The Force“) raus. Hast Du das Album mal gehört? Und hast Du den Werdegang Deiner Ex-Kollegen noch weiter verfolgt?

Martin: Ich fand deren Single sehr stark, das Album darauf dann nicht mehr so ganz, was aber auch Geschmackssache ist. Alles Weitere ist mittlerweile eher uninteressant für mich.

Daniel: Kommen wir nochmal zurück zu Ritual Steel: Was können wir von dem neuen Album erwarten? Wie heißt es? Wann kommt es? Wie klingt es? Warum hat es ganze drei Jahre gedauert, bis es endlich fertig wurde? Und wird es auch wieder eine Vinylversion geben?

Martin: Du hast es ja mittlerweile gehört und besprochen. Ich denke mal, dass es Dir gefällt… ;-) Es heißt „Immortal“ und wir haben uns diesmal gut fünfmal so viel Zeit gelassen und unseren Stil weiterentwickelt. Herausgekommen ist ein Album, das wesentlich abwechslungsreicher und mit einer Spielzeit von fast 72 Minuten wesentlich länger geworden ist! Den Rest müssen die Fans beurteilen. Killer Metal Records werden selbstverständlich auch eine Doppel-LP pressen, die allerdings erst ein paar Monate später kommen wird. Es dauerte leider so lange, da ich in andere Projekte involviert war. Mit Steel Maid habe ich 2010 ein Album rausgebracht und ich hatte noch ein Doom Metal Projekt am Start, wo ich mittlerweile aber ausgestiegen bin. In Zukunft wird es keine anderen Projekte mehr geben und wir sind mittlerweile sogar wieder im Studio und arbeiten an unser nächstes Album!

Daniel: Werdet Ihr auch endlich wieder verstärkt live unterwegs sein?

Martin: Ich hoffe es sehr! Wir sind gerade fieberhaft dabei, für dieses Jahr Gigs zu organisieren. Über gute Angebote wären wir sehr dankbar!

RITUAL STEEL john cason Daniel: Gut, lass uns mal bitte etwas über Deine Nebenprojekte reden, die ich ebenfalls sehr gerne mag! 2004 hast Du mit Isen Torr eine 10“ EP mit dem Titel „Mighty And Superior“ veröffentlicht, die bis heute leider das einzige Lebenszeichen dieses Projektes blieb. Ursprünglich war es geplant, drei EPs als Trilogie zu veröffentlichen und dann auf dem Keep It True Festival alle drei EPs am Stück zu spielen. Warum ist daraus nichts geworden?

Martin: Weil ich mich mit der politischen Aussage dieses Projekts nicht identifizieren konnte! Außerdem gab es anderweitigen Stress, über den ich nicht mehr sprechen möchte, denn ich bin in den letzten Jahren genug angefeindet worden! Aber mir ist bewusst, dass wir was wirklich Geniales erschaffen haben und ich bin nach wie vor wahnsinnig stolz, mit jemandem wie Tony Taylor gearbeitet haben zu dürfen! R.I.P., my Friend!

Daniel: Sänger von Isen Torr war Tony Taylor (auch Twisted Tower Dire), der leider 2010 verstorben ist. Wie hast Du von seinem Tod erfahren? Und was für ein Mensch war er? Wart Ihr eng befreundet?

Martin: Auch wenn er zum Schluss große Probleme hatte, war er für mich ein großartiger Mensch! Für mich auch einer der besten US Metalsänger zu dieser Zeit! Er sollte auch Backing Vocals zu unserem neuen Ritual Steel-Album übernehmen, aber dazu ist es ja leider durch seinen Tod nicht gekommen. Groß befreundet waren wir eher nicht, aber wir kannten uns, haben gelegentlich gemailt und auf dem einen oder anderen Festival über Metal geredet und ein paar Bierchen gemeinsam getrunken; das Normale halt…

Daniel: Ein weiteres Projekt von Dir war Z-Iron, von denen, ebenfalls 2004, eine Split-12“ EP mit Not Fragile erschien. Zwei der drei enthaltenen Z-Iron-Songs waren Coversongs („Set The Stage Alight“ von Weapon und „Godz Of Thunder“ von Malice). War es Euer Anliegen, mit diesem Projekt hauptsächlich zu covern? Und wann kommt endlich mal wieder was Neues von Z-Iron?

Martin: Diese Split-LP sehe ich heute eher als pre-Ritual Steel/Mark II… ;-) Wir hatten das Angebot, eine Split-LP mit Not Fragile zu machen. Da meine damaligen Bandkollegen aber kein Interesse hatten, habe ich das Projekt Z-Iron gegründet. Später habe ich dann ja u. a. mit John Ritual Steel neu formiert. Die Coverstücke sind halt einige meiner Lieblingssongs aus den 80ern. Das Cover von Weapon hatte damals Jürgen Hegewald vorgeschlagen, das Malice-Cover ich. Ich denke zwar nicht, dass da noch was kommen wird, aber man sollte niemals nie sagen… ;-)

Daniel: 2010 hast Du auch die „Raptor“-CD von Steel Maid eingetrommelt, die ebenfalls bis heute das einzige Lebenszeichen dieses Projektes blieb. Geht es mit diesem Projekt noch weiter? Oder war das eine einmalige Angelegenheit?

Martin: Da musst du Dirk Johannsen fragen! Er ist da der Bandleader. Ich weiß, dass er neue Songs geschrieben hat. Die hat er mir vorgespielt und sie sind sehr stark geworden. Aber ich denke mal nicht, dass ich das nächste Album eintrommeln werde, da ich auch so genug ausgelastet bin. Wenn es um das drum herum geht, da helfe ich ihm natürlich gerne. Aber ich wünsche ihm und seine Band alles Gute für die Zukunft. Er ist ein lieber Kerl und hat es definitiv verdient!

RITUAL STEEL martin zellmerDaniel: Du hattest mir letztes Jahr geschrieben, dass Du ein neues Projekt namens Agrimm Doomhammer hattest, das gerade an einer EP arbeitete. Ich habe lange nichts mehr davon gehört. Was ist aus diesem Projekt geworden?

Martin: Wie du sicherlich weißt, haben wir mit Ritual Steel 2008 auf dem Swordbrothers und dem Ragers Elite Festival gespielt; mit einem Ersatzsänger, was ein sehr großer Fehler war. John konnte damals nicht nach Deutschland kommen und so habe ich mich dann leider für einen Ersatzsänger entschieden. Lies die Reviews diesbezüglich durch und du weißt, dass es der Band sehr geschadet hat... . Dieser Sänger hat anfangs sogar die beiden Songs für den "Metal Or Death"-Sampler eingesungen und wir hätten dadurch beinahe unseren Plattendeal verloren! Ich musste die Reißleine ziehen und habe John gebeten, wieder einzusteigen. Heute ist es wesentlich realistischer, dass John für Ritual Steel Gigs nach Deutschland kommt. Egal, ich habe dann mit unserem ehemaligen Ersatzsänger, mit dem ich damals befreundet war, dieses Doom Projekt ins Leben gerufen. Leider ist dann nach kurzer Zeit unser Gitarrist ausgestiegen, da er aus beruflichen Gründen umziehen musste. Und da wir auch keinen Bassisten hatten, habe ich dann zwei ehemalige Ritual Steel-Kollegen ins Projekt geholt. Leider ist es ein weiteres Mal eskaliert, was aber mit dem Umfeld eines Bandkollegen zu tun hatte. Weiteres möchte ich dazu nicht sagen, da ich dieser Person keinesfalls schaden möchte! Das es so weit gekommen ist, liegt an dem Umfeld dieses Menschen und diese Sache hat mich sehr traurig gemacht, mein komplettes Leben verändert. Der Song "Satisfy Your Dreams" vom neuen Ritual Steel-Album "Immortal" ist diesem Menschen gewidmet. Bis heute habe ich mir diesen Song auch nicht mehr anhören können. Der Bandname war eigentlich der ursprüngliche Bandname von Ritual Steel. Ich habe das Projekt gegründet, den Namen gegeben und wir haben ein Demo beim Ritual Steel-Gitarristen Sven Böge aufgenommen, was ich auch eingetrommelt habe. Zwei Songs vom Demo habe ich geschrieben und sie werden für das nächste Ritual Steel-Album neu eingespielt werden. Ich habe sie mir auch rechtlich schützen lassen. Heute spielen sie mit einem neuen Drummer und man wird sehen, was passiert. Diese Sache ging mir sehr an die Nieren, weil es halt um einen Menschen geht. Doch leider stirbt die Menschlichkeit in unserer heutigen Gesellschaft immer mehr aus. Und wie die Leute heute mit diesem Gesang zurechtkommen, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich wollte damals was Gutes tun, was ich auch getan habe, aber die Sache ist leider eskaliert. Doch es gibt leider Menschen, denen es am wichtigsten ist, sich am Leid Anderer zu ergötzen oder das Schicksal eines Menschen skrupellos auszunutzen! Des Weiteren möchte ich damit nichts mehr zu tun haben! Von daher versuche ich auch, so gut es geht, mich emotional von dieser ganzen Sache zu distanzieren! Egal, was ich nun sage: Ich möchte gewissen "Menschen" nicht unnötig Futter geben! Ich könnte jederzeit zeigen, wie es wirklich war, denn ich habe alles schwarz auf weiß! Aber das ist jetzt egal, denn ich möchte keineswegs diesen Menschen schaden, was ich dadurch täte. Das liegt nicht in meinem Interesse! Ist doch „Klasse“, wenn Musik bei einigen Menschen über alles steht; sogar über der Menschlichkeit, oder?

Daniel: Wie sehen Deine Zukunftspläne mit Ritual Steel und Deinen weiteren Projekten aus?

Martin: Am 17. Mai erscheint nun endlich das neue Ritual Steel-Album "Immortal" Ich hoffe, dass es den Leuten gefällt und das wir eine Chance bekommen! Ich will mich endlich von dem ganzen Rotz der Vergangenheit lösen und in Ruhe Musik machen. Es soll wieder Spaß machen! Ich hoffe, dass es ein echter Neustart wird, und dass wir auch die Gelegenheit bekommen, live unsere Songs zu zeigen. Wir sind für alle Angebote offen!

Daniel: OK, Martin! Die letzten Worte gehören Dir!

Martin: Ich kann mich nur immer wieder über solchen Support bedanken! Auch wenn ich gedruckte Magazine lieber mag, schätze ich eure Arbeit sehr! Das ist wahrer Metal! Ich hoffe, dass es noch viele Jahre echte Fans gibt, die sowas machen! Und selbst das „That`s Metal“ gibt es wieder. Was habe ich dieses Fanzine damals geliebt! Egal, kauft das neue Ritual Steel-Album "Immortal"! Und glaubt nicht jeden Scheiß, der verbreitet wird! Gib jedem eine Chance und habt eine eigene Meinung! Geht euren eigenen Weg und macht das, was ihr alleine für richtig hält!

http://www.ritualsteel.net

http://www.myspace.com/ritualsteelnet



Autor: Autor: Daniel Müller