PHANTOM - Falconetti´s Vita


Sind wirklich bereits zwanzig Jahre vergangen? Nur einige Heavy Metal Fans werden sich noch an die US Metal Band mit dem Namen „Phantom“ erinnern. Und wiederum nur ein kleiner Teil dieser Fans wird sich in den letzten Jahren mal wieder eines der drei Alben welches zwischen 1987 und 1993 veröffentlicht wurde zu Gemüte geführt haben. Aber warum eigentlich? Und wieso findet man nur so dürftige Informationen über diese unterbewertete und leider fast völlig vergessene Band? Um dieses zu ändern, habe ich den Kontakt zu Sänger „Falcon Eddie“ aufgebaut und mit ihm dieses bemerkenswerte Interview geführt.

PHANTOM logo INTI 2013Dirk: Hallo „Falcon Eddie“. Zunächst würde ich gerne mal wissen woher du überhaupt deinen Namen hast?

Falcon Eddie: Hi Dirk. Es freut mich mit dir über „Phantom“ sprechen zu dürfen. Nun, ich glaube der Name passt perfekt zu mir. Er entstand zu der Zeit als ich in Brooklyn, New York aufgewachsen bin. Mit offenen Armen wurde ich oft von meinen Freunden mit einem freudigem Schrei: „Fuckin’ Eddie“ empfangen. Später erfuhr ich dann von einem Bösewicht aus dem Film „Rich Man, Poor Man“ welcher „Falconetti“ genannt wurde. Die Ähnlichkeit zwischen „Fuckin’ Eddie“ und „Falconetti“ hat mich dann überzeugt. Das ist ein hervorragender Künstlername für mich.

Dirk: Ok, fantastisch. Erzähl doch mal. Wie fing damals alles an? Wie entstand die Band?

Falcon Eddie: Bevor unser Debüt „Dead Or Alive“ erschienen war, gab es die Band eigentlich gar nicht richtig. Unser Original Drummer Mike Gandia wollte ein Demo aufnehmen, um sich selbst als Musiker zu präsentieren. Also tat er sich mit Gitarrist Neil Santell und Keyboarder Andre Pasquarelli zusammen und nahm in den Homegrown Studios in New Jersey einige Instumental Songs auf. Der Besitzer des Studios liebte die Songs und fragte, ob er diese an einige Plattenfirmen senden darf. Die Musiker sagten zu, machten sich jedoch keinerlei große Hoffnungen, da es sich ja lediglich um Instrumental Songs handelte. New Renaissance Records nahmen den Kontakt auf und teilten den Musikern mit, sie sollten bitte einen Sänger finden, welcher zu diesen guten Instrumental Tracks passt. Wenn das gelingt, dann würden sie einen Song auf ein Compilation Album mit verschiedenen anderen Bands veröffentlichen. Die Jungs kontaktierten mich, aber ich war gerade mit einem Solo Projekt beschäftigt, das ich nicht aufgeben wollte. Deswegen sagte ich zunächst ab. Sie versuchten es mit einem anderen Sänger. Aber wie ich später erfuhr, brauchte er zwei Wochen nur um einige wenige Lyrics zu schreiben. Also haben sie ihn gefeuert und mich erneut gefragt. Diesmal sagte ich zu. Es existierte also gar keine richtige Band bevor die Plattenfirma auf uns zu kam und einen Song veröffentlichen wollte. Erst danach entwickelte sich alles.

Dirk: Und wie entstand der Name Phantom?

Falcon Eddie: Wir waren vier Musiker aus vier verschiedenen Bands. Wie ein Phantom sind wir sozusagen entstanden, weil die Plattenfirma einen Song von uns veröffentlichen wollte. Diese Idee fanden wir sehr gut und so entschieden wir uns für diesen Namen. Wir haben monatelang gewartet, doch dieses Compilation Album ist niemals entstanden. Als wir nachfragten, bot man uns schließlich an, ein komplettes Album einzuspielen. Das ist der Moment, worauf du als Musiker ein Leben lang wartest. Es gab zu dem Zeitpunkt lediglich zwei Songs. Aber wir sind Musiker und hatten keine Probleme damit, zügig ein paar Songs zu schreiben. Innerhalb von einem Monat hatten wir alle Tracks des „Dead Or Alive“ Albums fertig, und dieses dann innerhalb von elf Tagen in den Homegrown Studios aufgenommen.

Dirk: Was passierte 1987, nach der Veröffentlichung des Albums? Habt ihr gute Kritiken bekommen und konntet ihr auf Tour gehen?

Falcon Eddie: Was passierte? Von Seiten der Plattenfirma passierte nichts. Ja, wir hatten gute Kritiken bekommen, in denen aber immer wieder der etwas schwache Sound bemängelt wurde. Aber wie sollte der Sound auch perfekt sein? Wir mussten von unserem eigenen Geld die Studioaufnahmen bezahlen. Zumindest war das Album überall in den USA erhältlich. Wir hatten sogar unser eigenes Fach im Plattenladen, haha. Wir spielten ein paar Gigs rund um New York und sind überall gut angekommen. Es lief alles sehr gut. Dafür, dass wir ein paar Monate zuvor als Band noch überhaupt nicht existierten. Aber ansonsten hatten wir leider keinen großartigen Support erhalten. Irgendwann machten New Renaissance Records mal einen schwachen Versuch, uns zu unterstützen. In einem Club in New Jersey sollten wir eine von vier Label-Bands sein, die dort einen Gig spielen sollten. Es war eine Katastrophe. Der Besitzer des Ladens war sehr wütend. New Renaissance Records haben ihn nicht informiert, dass dieser Gig an dem Abend dort stattfinden sollte. Normalerweise hatte er immer viel Werbung für seine Veranstaltungen gemacht, aber diesmal wusste er von nichts. Also machten die Bands das Beste daraus, und so spielte jede Band für die restlichen Bands. Publikum war so gut wie nicht anwesend. Der Club Besitzer entschuldigte sich und gab uns allen zumindest Benzingeld. Wann immer wir es uns finanziell leisten konnten, haben wir auch live gespielt. Einmal sollten wir eine Show für Skid Row eröffnen, aber die Band ist nicht aufgetaucht. Also waren wir auf einmal der Headliner, haha. Dann kamen New Renaissance Records auf uns zu und baten uns, einen weiteren Label-Gig in Detroit zu spielen. Wir hätten diese Show gerne gespielt, allerdings hatten wir für denselben Tag bereits eine Show in New York gebucht. Wir hatten also die Möglichkeit, uns für achtzehn Stunden ins Auto zu setzen und nach Detroit zu fahren, um dort vielleicht ein weiteres Desaster zu erleben oder den Gig in unserer Heimatstadt zu spielen, der bereits lange gebucht war. Wir entschieden uns für den Gig in New York. Die Plattenfirma war dann sauer und hat uns daraufhin zwei Jahre lang für dumm verkauft. Sie haben zum Beispiel das Studio gebucht, um das nächste Album aufzunehmen, und uns dann ein Tag vorher mitgeteilt, dass der Termin wieder gecancelt ist. Zum Glück kannte ich die Besitzer des Studios gut genug. So sind uns wenigstens keine eigenen Kosten entstanden. Das war dann das Ende unserer Beziehung zu New Renaissance Records.

Dirk: Euer zweites selbstbenanntes Album wurde 1991 vom deutschen Label Shark Records veröffentlicht. Warum habt ihr den Bassisten und den Drummer ausgetauscht?

Falcon Eddie: Das hat damit zu tun was ich vorher gesagt habe. Bands können ohne Support der Plattenfirma nicht überleben. Es war eine Tragödie, dass jeder unsere Musik liebte, aber dieselben Leute oft auch den Sound des Debütalbums kritisierten. Das belastete auch die Musiker und so entstanden mit der Zeit leider auch einige Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Band. Nach dem anfänglichem Erfolg gab es keine Vorwärtsbewegung mehr. Es gab und es gibt immer noch eine Menge Ärger zwischen den Mitgliedern der Original Besetzung. Es war damals sehr schmerzhaft, und das ist es auch heute noch. Das ist wirklich Mist, aber was soll man machen? Wir hatten dann einen neuen Bassisten und einen neuen Drummer eingearbeitet. Ken Kriete, ein Konzertveranstalter liebte unser Debütalbum und wollte uns auf eine Tour bringen, um für eine größere Band zu eröffnen. Neil (Gitarrist von Phantom) und ich waren begeistert. Aber die neuen Musiker (Bassist und Drummer) waren es leider nicht. Sie fanden, dass wir dafür zu wenig Geld bekommen würden. Ich musste Ken Kriete also leider absagen. Er war nicht glücklich darüber. Wir hatten ihm angeboten, nach neuen Musikern zu suchen und die alten zu ersetzen. Leider hatte Ken Kriete danach kein Interesse mehr an uns. Ich kann es ihm nicht übel nehmen. Ich hätte vielleicht genauso reagiert. Wir wollten uns aus den Trümmern retten. Neil und ich haben neue Songs wie „Technicolor Nightmare“, „Bonecrusher“ oder „Metal Heart“ geschrieben, während unsere Trommelschläge auf den Küchentisch den Drummer ersetzten. Wir mussten einfach weitermachen, oder wir waren vielleicht einfach nur zu dumm „Phantom“ sterben zu lassen, haha. Dann kamen Charley Buckland (Bass) und John Bellon (Drums) an Bord und für einige Zeit waren wir endlich wieder komplett. Vielleicht hätten wir den Namen der Band ändern sollen. Wir hatten zu lange nichts veröffentlicht und keiner in den USA gab noch irgendetwas auf uns.

PHANTOM falcon eddie INTI 2013Dirk: Die musikalische Ausrichtung eures Zweitwerks hatte sich gegenüber dem Debüt nicht allzu sehr verändert. Der Sound und die Songs sind jedoch wesentlich besser. Auch wurde keinem Trend gefolgt, wie es so viele andere Bands zu dieser Zeit getan hatten. Stand das nie zur Debatte?

Falcon Eddie: Ich bin niemals irgendwelchen Trends gefolgt. Ich mag was ich mag und gebe nicht viel darauf was andere denken. Vielleicht hört es sich schrecklich an, aber ich habe immer Songs für mich selbst geschrieben. Es muss mir selbst gefallen, und wenn es dann auch noch anderen gefällt, dann ist das wunderbar. Es liegt schließlich in den DNA eines Musikers, seine Musik mit anderen zu teilen. Aber es muss mir selbst auch gefallen. In irgendeiner Art und Weise muss mich Musik immer irgendwie berühren. Es ist niemals nur ein Hintergrundsound für mich.

Dirk: Aber eure Musik war stets powervoller Heavy Metal mit deiner unglaublichen melodiösen kraftvollen Stimme.

Falcon Eddie: Ich liebe die donnernde Qualität des Hardrock und Heavy Metals, sofern es richtig gemacht wird. Auf der klanglichen und der körperlichen Ebene. Es ist wie bei einem Erdbeben während eines Gewitters, sobald die Musik beginnt. Meine Lieblingssongs und Bands waren immer solche, die harte Musik mit starken Melodien vermischt haben. Diese besondere Mischung wo das Blut in Wallung gerät.

Dirk: Mit dem zweiten Album „Phantom“ (1991) habt ihr einen großen Schritt vorwärts gemacht. Hattet ihr mit der neuen Plattenfirma Shark Records auch einen Schritt vorwärts gemacht?

Falcon Eddie: Die Musik wurde immer besser, weil wir mehr Zeit für die Songs hatten. Neil und ich kannten uns nun so gut, dass jeder genau wusste was er zu tun hatte. Dass wir nun bei Shark Records waren, hatte keinen Einfluss auf das Songwriting. Wir hatten mehr Songs fertig als wir brauchten. Daraufhin hat Shark Records einen großartigen Song namens „Lost in L.A.“ gegen das Instrumental „Straitjacket“ ausgetauscht. Dieses Instrumental, das es nicht auf das Debüt geschafft hatte, aber vielleicht ein wenig Sinn auf dem zweiten Album machte. Shark Records haben die Songs „Bonecrusher“ und „Metal Heart“ ein bisschen bearbeitet (gekürzt) was ich bis heute nicht wirklich verstanden habe. Der größte Schritt für uns war in ein Aufnahmestudio zurückzukehren, und vielleicht eine zweite Chance zu bekommen. Das war riesig nach vier Jahren Abwesenheit! Als „Phantom“ erschien, bekamen wir wirklich großartige Kritiken.

Dirk: Konntet ihr denn dann wenigstens eine Tour oder ein paar Gigs machen?

Falcon Eddie: Uns wurde gesagt, wir können auf einem großen Festival in Holland spielen und dieses für Metallica eröffnen. Neil und ich dachten wir sind wieder auf dem richtigen Weg, nachdem wir so viel Pech hatten. Wir hatten aber schnell lernen müssen, dass es leider nicht so war. Uns wurde gesagt Metallica wollten nicht, dass wir das Festival eröffnen. Ich war und werde immer sehr skeptisch sein bezüglich dieser Begründung. Ich bezweifle stark, dass Metallica etwas von uns zu befürchten hatte. Aber das ist die Geschichte, die man uns erzählte. Wir haben niemals eine Tour oder auch nur einen einzigen Gig in Europa gespielt. Und das nicht, weil wir keine Lust dazu hatten. Wir hatten eine gute CD veröffentlicht und großartige Kritiken dafür bekommen. Warum durften wir diese CD nie mit einer Tour promoten? Egal wie klein die Tour auch gewesen wäre. Uns wurde immer gesagt, es sei zu teuer die Band auf Tour zu bringen. Aber warum holen sie uns dann rüber, um ein Album aufzunehmen? Das macht alles keinen Sinn für mich.

Dirk: Und das Pech hielt euch leider die Treue. Für das dritte Album „Cyberchrist“ (1993) gab es wieder Veränderungen in der Besetzung der Band. Original Gitarrist Neil Santell und Drummer John Bellon waren nicht mehr dabei. Aus welchem Grund diesmal diese Umbesetzung?

Falcon Eddie: Aus welchem Grund, Dirk? Das ist die große Frage die ich mir selbst stelle. Nach jeder Veröffentlichung hatten wir diesen Umstand zu verdauen. Manche stiegen aus, um Soloprojekte zu starten, andere ohne eine großartige Erklärung. Ich weiß auch nicht, aber es war wirklich ermüdend für mich. Das hat mich alles sehr mitgenommen. Bis heute weiß ich nicht, warum Neil die Band verlassen hat. Wir waren dabei, die Songs für das dritte Album zu schreiben und die Hälfte der Tracks war bereits fertig. Wir waren gerade dabei einen neuen Song aufzunehmen, als Neil die Kassette aus dem Rekorder nahm und sagte: „Die bekommen keine einzige weitere Note von mir!“. Nach ein paar Tagen sagte Neil dann zu mir, dass er die Band verlässt. Ich war am Boden zerstört. Neil und ich waren wie Brüder. Wir sind gemeinsam durch die Hölle gegangen und haben Songs auf seinem Küchentisch aufgenommen, während jeder andere vernünftige Mensch in dieser hoffnungslosen Situation längst alles hingeschmissen hätte. Wir hatten so viel gemeinsam durchgemacht. Ich dachte wir sind die letzten beiden Kämpfer, welche für immer die Stellung halten würden. Wir hatten uns geschworen, niemals mehr irgendetwas auf dem Label zu veröffentlichen, das uns damals so sehr beschissen hat. Jahre später musste ich erfahren, dass Neil genau dies dann doch noch mal getan hat. Das war ein heftiger Tritt für mich. Ich versuche nicht mehr herauszufinden, warum Menschen Gründe habe,n so zu handeln. Ich habe überlegt, ob es vielleicht an mir lag. Vielleicht ist es so. Aber es ist mir mittlerweile egal. Nachdem Neil ging, verließ auch John die Band. Der Heavy Metal war leider niemals wirklich tief in seinem Herzen. Ich habe großen Respekt vor ihm, dass er so ehrlich zu mir war. Es war traurig, ihn auch gehen zu sehen. Das alles passierte im Februar 1992 und wir sollten bereits im Mai nach Deutschland kommen, um „Cyberchrist“ aufzunehmen. Ich gab der Plattenfirma Bescheid, sie mussten es akzeptieren und verschoben den Termin in den November 1992. Es lag nun an Bassist Charley Buckland und mir, wohin unser weiterer Weg gehen würde. Wir arbeiteten uns durch viele Demo Tapes. Wir brauchten einen Gitarristen, der in der Lage war, kraftvolle Riffs zu schreiben und nicht nur die ganze Zeit in Lichtgeschwindigkeit zu spielen. Wir trafen dann Fate Taylor in einem Studio, welcher gerade an seinem Solo Projekt arbeitete. Wir hörten ihn spielen und nahmen ihn in unsere Band auf. Unser neuer Schlagzeuger Tony Borsellega fand den Weg zu uns durch eine Anzeige. Er stand dann irgendwann vor meinem Haus und ich wusste, dass er der richtige Mann für uns ist. Er ist ein toller Kerl und ein Monster-Drummer! Ich liebe sein Schlagzeugspiel. Einige Leute von der Presse standen mal begeistert im Studio und nannten ihn eine Maschine! Und das war er wirklich! Endlich waren wir wieder komplett und konnten an unserem neuen Album „Cyberchrist“ arbeiten.

Dirk: Das alles ist jetzt zwanzig Jahre her (Happy Birthday Jungs!). Und der Sound des dritten Albums „Cyberchrist“ hört sich auch heute noch unglaublich frisch und powervoll an. Wie habt ihr das hinbekommen?

Falcon Eddie: Wow, zwanzig Jahre. Es ist mir bewusst, dass es so lange her ist. Aber dies von jemand anderem zu hören ist gut, haha. Ich kann dir nur zustimmen. Selbst nach dieser langen Zeit kann ich mir immer noch die CD auflegen und bin noch immer begeistert vom Sound. Ich bin sehr stolz auf diese CD. Es gab große Meinungsverschiedenheiten zwischen Shark Records und Phantom bezüglich dieses Projektes, einschließlich der Songauswahl. Sie wollten von uns Material, das sich  wie Judas Priest´s „Painkiller“ anhören sollte. Mein Argument war, das „Painkiller“ bereits existiert und ich wollte niemals eine armselige Kopie einer anderen Band sein. Es gab Songs wie „Psycho Zoo“ und „Violence Of Twilight“ welche die Plattenfirma nicht auf dem Album haben wollte, weil sie in deutscher Sprache für sie „keinen Sinn“ ergaben. Ich schreibe aber Songs in englischer Sprache. Meine Muttersprache. Also was sollte das? Sie sagten uns, sie würden „Violence Of Twilight“ ganz hinten als letzten Song auf die CD packen, weil sie ihn so sehr hassten. Als letzten Song? Um eine großartige CD würdevoll zu beenden? Fantastisch! Genau dort wollte ich den Song auch haben! Leider haben sie sich durchgesetzt und der Song fand nicht den Weg auf die CD. Für uns war der Song das Kronjuwel des Albums. Wir waren so stolz auf diesen Song. Mehr als auf jeden anderen der CD. Es gab auch einige ernsthafte Diskussionen mit Shark Records, das wir „Under The Gun“ und einige andere Songs unseres Debüt Albums noch Mal neu aufnehmen sollten. Aber ich war der felsenfesten Überzeugung, dieses auf keinen Fall zu machen. Wir wollten uns musikalisch nur vorwärts bewegen, und nicht zurück in die Vergangenheit schauen. „Cyberchrist“ war die schwierigste CD-Aufnahme meines Lebens. Die Aufnahmen entstanden während vieler persönlicher Schicksale. Mein Vater war schwer krank als wir uns im November 1992 aufmachten, um in Deutschland mit den Aufnahmen zu starten. Ich tätigte ständig Anrufe nach Hause, um Neuigkeiten über seine Gesundheit zu erfahren. Diese Gedanken überschatteten ständig den Aufnahmeprozess. Ich arbeitete immer in einer sehr professionellen Art und Weise, aber die schwere Krankheit meines Vaters belastete meine Arbeit enorm. Ich benötigte oft mehrere Anläufe, um irgendetwas einzusingen. Meine Stimme konnte sich nie richtig entfalten, da ich mit den Gedanken ständig bei meinem Vater war. Trotz monatelanger guter Vorbereitung fühlte ich mich in diesem Moment völlig unvorbereitet und war einfach nicht richtig bei der Sache. Ungefähr nach der Hälfte der Aufnahmen sprach man mit mir und die Studioleute hatten viel Verständnis, warum ich nicht meine volle Leistung bringen konnte. Die Gespräche haben mir sehr geholfen und mit viel Ausdauer haben wir die Aufnahmen äußerst zufriedenstellend beenden können.

PHANTOM bandDirk: In der Tat. Unter diesen Umständen muss man deine ohnehin grandiose Gesangsleistung noch viel höher einstufen. Aber hast du eine Erklärung dafür, warum ihr selbst mit diesem Meisterwerk keinen Schritt vorwärts gemacht habt? Und warum hat man danach nie wieder etwas von Phantom gehört?

Falcon Eddie: Ich denke, darüber schulde ich allen unseren Fans, egal ob Vergangenheit oder Gegenwart, eine Erklärung. Und danke, dass ich hiermit die Möglichkeit dazu bekomme. Das ist nicht in wenigen Worten erklärt. Mein dunkelster Moment war der Anruf, dass mein Vater gestorben ist, während wir auf einer Tour mit Dead Serios und Fatal Opera in den USA waren. Nach den ganzen Jahren der harten Arbeit waren wir endlich auf einer Tour und dann kam dieser Anruf. Die Musiker aller Bands und die Roadcrew waren fantastisch, versammelten sich um mich und haben mir viel Trost gespendet. Trotz dieser schrecklichen Nachricht habe ich den Gig professionell zu Ende gebracht. Aber es war furchtbar. Die Leute vor der Bühne erwarteten ein Spektakel und ich hatte diese grauenvolle Nachricht im Kopf. Mein alter Freund Anthony Bramante kam gerade als Gitarrist in unsere Band. Nuclear Assault hatten ihn zuvor sehr unsanft aus der Band geschmissen. So schlecht die Dinge für mich persönlich auch liefen, Anthony brachte eine neue Power und neues Leben in die Band. Wir sind in derselben Nachbarschaft aufgewachsen. Sein Einstieg eröffnete uns neue Wege. Wir hatten auf einmal wieder den Respekt,  den wir benötigten. Nach der Beerdigung kehrte ich zurück zur Band und wir begannen neue Songs für die nächste CD zu schreiben. Ein zweiter Gitarrist, Eddie Campbell wurde aufgenommen. Er brachte eine Art Gary Moore Gitarrensound in die Band, während Anthony für die etwas thrashigeren Sachen zuständig war. Das zusammen ergab einen großartigen und interessanten Sound. Unsere Musik klang nun dunkler und gefährlicher. Wir erforschten neue musikalische Wege. Ich bin überzeugt, dass unsere Fans es geliebt hätten. Und auch die Fans des alten Phantom Sounds wären keinesfalls enttäuscht gewesen. Glaubt mir, die letzte CD war nur ein Schatten dessen, was noch gekommen wäre. 1994 spielten wir in L.A. (Concrete Foundations), als eine von vielen, vielen Vorbands für die Scorpions. Wir waren immer ein sehr bescheidener Haufen. Bei uns gab es kein Rockstar Gehabe, aber dieser Tag brachte uns etwas Aufmerksamkeit was uns wirklich gut tat. Nach einiger Zeit wurde Anthony wieder zu Nuclear Assault gelockt, aber das hat uns nicht daran gehindert, dennoch ins Studio zurückzukehren und mit den Vorab-Aufnahmen der vierten CD „Apocalypse Cafe“ zu beginnen. Und damit begann dann leider auch unser Ende. Shark Records hassten die neuen Songs und wollten wieder ein „Painkiller“-lastiges Album von uns haben. Aber auf diesem Feld hatten wir uns bereits ausgetobt und wir wollten nicht umkehren. Im Winter 1994/1995 lief das Fass dann über. Wir kämpften mit dem Label um unsere musikalische Freiheit, und das hinterließ auch tiefe Spuren in der Band. Der Tod meines Vaters und die ganze angespannte Situation mit der Band und der Plattenfirma gaben den Ausschlag dafür, dass ich endgültig genug hatte und nur noch alles beenden wollte. Einige Monate später hatte ich mich besonnen und wollte ein Solo Projekt starten. Dafür wollte ich Songs nutzen, die ich bereits für das neue „Phantom“ Album schrieb, sowie einige Songs, die ich niemals der Band vorgestellt hatte. Leider war niemand bereit,  den Kampf gemeinsam mit mir wieder aufzunehmen. Also legte ich dieses Vorhaben endgültig zu den Akten.

Dirk: Was sehr schade ist. Ok, Themawechsel. Vinyl ist heutzutage ja wieder schwer angesagt. „Cyberchrist“ wurde als einziges „Phantom“ Album leider nie auf LP veröffentlicht. Gab es jemals eine Anfrage ob man so etwas nachträglich noch realisieren könnte?

Falcon Eddie: Leider hat unsere Plattenfirma irgendwann nur noch CD´s veröffentlicht. Sie müssten wohl immer noch die Rechte haben. Also dürfte es wohl nicht einfach werden, so etwas in Gang zu bringen. Nach ein paar anfänglichen Zahlungen von Warner Chappell haben wir nie wieder einen Penny für unsere Musik bekommen. Uns wurde gesagt, dass die Kosten nicht reingeholt wurden. Ich hätte nie gedacht, dass wir eine solch saftige Rechnung zu verantworten hätten. Ja, nun werde ich sarkastisch. Zwischen unseren Kontinenten fliest eine Menge Wasser. Also können wir von hier aus leider nur sehr wenig dagegen machen.

Dirk: Ist da tief in dir irgendein Gefühl der Ungerechtigkeit, wie das Kapitel „Phantom“ abgelaufen ist?

Falcon Eddie: Nein, solche Gefühle habe ich nicht. Die Welt schuldet mir nichts. Ich habe den Fans meine Musik geschenkt und zu wissen, dass Leute wie Du unsere Musik mochten und noch immer mögen, gibt mir einiges an Genugtuung. Letztendlich war ich derjenige, der alles beendet hatte. Ob ich das heute bereue? Ja, das bereue ich! Aber ich kann mich auch heute noch genau daran erinnern, wie leer und ausgebrannt ich mich damals fühlte. Das rückt dann alles wieder in die richtige Perspektive. Es ist nun Vergangenheit und kann nicht rückgängig gemacht werden. Ich kann nur nach vorne in die Zukunft blicken. Heutzutage entscheidet nicht das Talent der Musiker über den Erfolg, sondern verschiedene andere Komponenten. Das richtige Timing zu haben und die richtigen Leute zu kennen, sowie die Beziehung zur Plattenfirma zu pflegen ist leider wichtiger geworden. Ich glaube wir hatten genug Talent. Schließlich hat unsere Musik nun mehr als zwanzig Jahre überlebt. Wir haben jetzt eine neue Generation von Fans. Viele von ihnen waren nicht einmal geboren als unsere Musik entstand. Und sie interessieren sich nun für unsere Musik. Großartig! Das einzige Gefühl das mich belastet, ist, dass ich die Fans im Stich gelassen habe, welche auf die nächste CD gewartet hatten. Ich bedauere, dass mich damals niemand packte und zu mir sagte: „Wirf nicht dein Lebenswerk weg“.

Dirk: Lass uns mal über eure Cover-Artworks reden. Alle Eure drei Alben zeigen eine Art Monster oder vielleicht besser Phantom. Hat das einen besonderen Hintergrund?

Falcon Eddie: Nun, beim ersten Album bekamen wir verschiedene Vorschläge unterbreitet. Einige von denen waren okay. Wir entschieden uns dann für dieses große blaue „Beast“ mit all den feuernden Waffen, haha. Das Cover vermittelte zumindest ungefähr, um welche Musik es sich handelte. Das Cover des zweiten Albums mochten wir sehr. Dieser Cyber-Wolf passte hervorragend zum Titel „Wolves At The Door“. Das machte Sinn. Von dem „Cyberchrist“ Cover sind wir wenig begeistert. Unsere Idee die super zum Titel „Cyberchrist“ gepasst hätte, war der Plattenfirma leider zu düster. Wir hatten keine Entscheidungsfreiheit. Die Plattenfirma zwang uns zu dem Cover. Sie sagten: „Das ist das Cover! Keine Diskussion!“ Wenn ich mir heutzutage das Cover anschaue denke ich: „Was zum Teufel hat dieses Cartoon-Bild mit diesem dunklen Albumtitel zu tun?“ Wir sind unglücklich damit. In meinen Augen müssen Cover und Musik zusammenpassen. Wenn ich nur dieses lächerliche Bild sehe und die Musik dazu nicht kennen würde, dann käme ein Kauf doch nie in Frage. Das Cover ist oft eine Kaufentscheidung. Dieses würde ich sofort wieder wegstellen und mich gar nicht weiter mit der CD beschäftigen. Das alles ist sehr bedauerlich.

PHANTOM bandDirk: Deine Stimme wurde von der Presse oft mit „Rob Halford“ (Judas Priest) verglichen. Ist er denn ein großer Einfluss für dich? Ich halte deine Stimme eher für sehr eigenständig.

Falcon Eddie: Danke für die netten Worte. Meine größten Einflüsse sind Ian Gillan (Deep Purple) und Robert Plant (Led Zeppelin). Als ich diese zum ersten Mal gehört habe, wollte ich genauso wie sie singen können. Während meiner Karriere bin ich nicht nur mit Halford, sondern auch mit Ronnie James Dio, Glenn Hughes oder auch Robert Plant verglichen worden. Um nur einige zu nennen. Das alles sind großartige Namen in die sich wohl jeder gerne einreihen lässt. Leute lieben es nun mal, Vergleiche zu erstellen. Damit habe ich aber kein Problem.

Dirk: Im Jahr 2000 hat Shark Records Eure drei Alben auf einer Doppel-CD wiederveröffentlicht. Sie nannten das Album „The Best Of The Rest“. Wurdet ihr bei dieser Veröffentlichung irgendwie involviert?

Falcon Eddie: Bei solchen Veröffentlichungen ist es doch immer dasselbe. Wir wurden nicht informiert oder irgendwie mit eingebunden. Andere Leute erzählen uns dann irgendwann davon. Wir haben noch nicht einmal eine Kopie der CD erhalten.

Dirk: Das griechische Label „Cult Metal Classics“ hat dann im Jahre 2008 Eure drei CD´s mit einigen Bonustracks wiederveröffentlicht. Kannst du uns etwas über diese Bonustracks sagen?

Falcon Eddie: Auch von diesen Veröffentlichungen hörten wir nur durch andere Personen. Aber es ist dennoch schön zu wissen, dass da wohl noch Interesse bestand um unser Material nochmals neu zu veröffentlichen. Das alles wurde mit Shark Records ausgehandelt. Die Bonustracks sind wohl Vorproduktion-Demos die wir mal an unser Label geschickt hatten. Ich kann mich teilweise gar nicht mehr an diese Tracks erinnern. Die Sachen waren noch gar nicht richtig ausgearbeitet worden. Wir wollten die Plattenfirma damit nur zeigen, in welche Richtung die neuen Songs tendieren. Über „Violence Of Twilight“ haben wir bereits gesprochen. Wir lieben den Song. Das was man da als Bonustrack hört, ist eine schreckliche und unfertige Vier-Track Vorpruduktion. Meine Stimme klingt fürchterlich, denn ich war bei den Aufnahmen stark erkältet. Dafür, dass Shark Records diesen Song so sehr hassten, ist es schon erstaunlich, dass sie ihn als Bonustrack freigaben.

Dirk: Viele ältere Bands haben sich für irgendwelche Festivals wieder zusammengefunden und Reunion Shows gespielt. Habt ihr daran kein Interesse?

Falcon Eddie: Wir wurden niemals danach gefragt. Wenn die Frage wäre: „Hättet ihr Interesse an so etwas?“ dann wäre die Antwort: „Ja, aber es müsste gut überlegt werden, ob man so etwas in Betracht ziehen kann“.

Dirk: Was nimmst du im Nachhinein mit an positiven und negativen Gesichtspunkten?

Falcon Eddie: Das Positive ist, dass wir viele außergewöhnliche Menschen kennenlernt haben und wir der Welt unsere Musik geben durften. Das Negative ist, das ich mein Lebenswerk aufgegeben habe. Aber getan ist getan.

Dirk: Das Internet hat die Musikwelt ziemlich verändert. Wie stehst du dazu?

Falcon Eddie: Ich würde mich als großen Musikfan bezeichnen. Ich höre alle Arten von Musik. Von Mozart bis Motörhead. Es kommt ganz auf meine Stimmung an. Es gibt gute und es gibt schlechte Musik. Das Internet unterbreitet eine große Auswahl verschiedenster Musik und da muss man sich schon durchkämpfen um gute Musik zu finden. Man lernt aber Bands kennen, auf die man sonst nie aufmerksam geworden wäre.

Dirk: Um auf Phantom zurück zu kommen: Was sind Deine persönlichen Lieblingstracks?

Falcon Eddie: Wie bereits erwähnt ist „Violence Of Twilight“ in der fertigen Version einer meiner Lieblingssongs (unveröffentlicht). Ein anderer ist mit Sicherheit „Alive And Well“ (vom „Cyberchrist“ Album) und auch „The Pleasure Of Pain“ vom zweiten Album ist ein großer Favorit von mir. Dieser Song erlaubte mir mit meiner Stimme zu experimentieren. Das war fantastisch. Aber jeder hat seine eigenen Favoriten und das ist gut so.

Dirk: Ich hoffe, Du machst auch heute noch irgendetwas das mit Musik zu tun hat?

Falcon Eddie: Ich habe die Musik-Szene niemals richtig verlassen. Ich habe eine Menge Studioarbeiten gemacht. Zum Beispiel die Background Vocals für verschiedene Projekte. Im Moment arbeite ich in einer Band mit dem Namen Dance Half Done, in welcher ich der Sänger und Bassist bin. Wir spielen unsere Lieblingssongs von Aretha Franklin bis hin zu Led Zeppelin in kleinen Clubs rund um New York. Ich bin nicht an einem besonderen Musikstil gebunden. Es muss mir einfach nur gefallen und Spaß machen. Ich schreibe auch ein paar Songs. Einfach nur für mich selbst. Wer weiß, vielleicht werden sie irgendwann mal veröffentlicht,  wenn es den Leuten gefällt. Ich bin ein Vollblutmusiker und ich muss einfach Musik machen.

Dirk: Das ist schön zu hören. Möchtest du noch einige persönliche Worte an deine Fans richten?

Falcon Eddie: Ja, sehr gerne. An alle, die unsere Musik mögen. Ich möchte einfach nur mal sagen, dass ich Euch dafür sehr dankbar bin. Ich möchte mich auch bedanken für all die netten Worte und guten Wünsche. Ich freue mich sehr, dass unsere Musik so viele Leute berührt hat, und dass dies nach der ganzen langen Zeit wohl immer noch so ist. Vielleicht sehen wir uns ja doch irgendwann, irgendwo auf einem Hardrock/Heavy Metal Festival und unsere Fans können zusammen mit uns an diesem Ort etwas „magisches“ erleben. Danke Dir Dirk, dass Du Dich an uns erinnert hast und ich die Möglichkeit zu diesem Interview hatte.



Autor: Dirk Determann