STORM SEEKER - Auf in neue Gewässer!


Es gibt sie mit wechselnder Besetzung seit dem Jahr 2013. Die Neusser Folk Metal-Band Storm Seeker kam aber erst sechs Sommer später mit dem Debütwerk („Beneath In The Cold“) um die Ecke. Schnell hatte man sich auf die Piraten-Schiene à la Alestorm eingeschossen, aber man steuerte anscheinend den richtigen Kurs zur richtigen Zeit an, denn trotz der bevorstehenden Corona-Phase konnte man zwei Jahre später mit der Veröffentlichung von „Guns Don´t Cry“ erfolgreich landen und servierte sogar Strandkorbauftritte. Das war nicht vielen vergönnt. Vorher (2020) gab es auch eine Mini-Tour mit Mono Inc. und das Online Music Festival. Nun will man den musikalischen Horizont erweitern und lässt die Kompositionen etwas aus dem Piraten-Schema ausufern. Selbst das muss ihnen gelungen sein, denn ihre aktuelle Scheibe „Nautic Force“ wurde vom Kollegen Thorsten Roggenbuck mit Begeisterung bewertet. Wohlan, ein nettes Treffen im Engel zu Düsseldorf gab Dagmar und mir die Möglichkeit, an Fabienne „Fabi“ Kirschke (Drehleier, Blockflöte, Gesang) und Fronter und E-Basser Timo „Timothy“ Bomfleth Fragen zu stellen.

logoSteve: Könnt Ihr ein paar Sätze zur Bandgeschichte erzählen?

Timo: Klar. Die Gründung ist mittlerweile zehn Jahre her. Natürlich in ganz anderer Besetzung und ohne Drehleier. Wir waren noch jung, alle zwischen sechzehn und achtzehn, und darum wechselten wir auch ständig Mitglieder. Im Jahr 2016 haben wir mit „Pirate Scum“ eine erste EP rausgebracht und drei Jahre später in Eigenregie das Debütwerk. Das war echt viel Arbeit. Dann kam das Label No Cut um die Ecke. Der Rest ist Geschichte. Na ja, wegen Corona lief auf dem Live-Sektor noch nicht so viel. Aber es gab immerhin die Strandkorbkonzerte.

Steve: Genau, dazu habe ich noch eine Frage. Einen Auftritt habe ich als Snippet in einem Eurer Videos gesehen. Wie wirkt denn so ein Gig?

Fabi: Also, es war schon etwas seltsam, haha! Die Bühne war sehr hoch, und die Abstände zwischen den Zuschauern untereinander und den Zuschauern zu uns war ziemlich groß. Das gab echt ein komisches Gefühl. Es ist so ziemlich schwierig, mit den Menschen zu kommunizieren und eine gewisse Nähe aufzubauen. Aber es hat tatsächlich geklappt. Die Leute waren ausgehungert genug, um was erleben zu wollen.

Timo: Wir konnten die Leute doch schon mitnehmen und von unserem Sound überzeugen. Aber die Bühne war circa sechs Meter hoch, und man muss eigentlich an der Kante stehen, haha! Deshalb waren links und rechts auch Leinwände. Das erste Mal, dass wir auf Leinwand waren, hey! Sonst hätte niemand was sehen können. Das war durchaus verrückt. Wir haben in Wiesbaden im Stadion gespielt. Es waren circa zweihundert Zuschauer wegen den riesigen Abständen da. Aber wir haben im Stadion gespielt.

Steve: Kenne ich. Ich habe in Duisburg im Schwelgern-Stadion gespielt...vor siebzig Leuten, haha! Aber im Stadion!

Dagmar: Wo waren jetzt die letzten Nach-Corona-Events?

Timo: Also, cool waren die Auftritte in Wacken, auf dem Wave Gotik Treffen und auf dem Rock Hard Festival in Gelsenkirchen.

Steve: Wie war die Resonanz auf dem Wave Gotik Treffen?

Timo: Erstaunlich gut.

Fabi: Wir haben im heidnischen Dorf gespielt.

Timo: Genau, da sind die Leute einfach folkig drauf.

Steve: Also besoffen, haha!

Timo: Genau. Nein, wir haben das Festival eröffnet, ergo die erste Band. Die Sonne brannte heiß, und es waren erstaunlich viele Leute da.

Steve: Ja, ich finde es immer erstaunlich, wie viele Menschen heute Musik händeln, gerade im Metal. Früher hat man gemeckert, wenn der Nachbar türkische, indische oder andere traditionelle Musik gedudelt hat, aber wenn es in die heutige Kategorie „Folk-Metal“ verpackt wird, wie bei Hu oder Otyken, ist es cool. Schlager ist bah, aber wenn Feuerschwanz Gas gibt, gehen beide Daumen hoch.

Timo: Ich finde es echt gut, dass jemand mal Feuerschwanz als Schlagermusik deklariert, haha. Aber das ist so: Man vermischt Stile, und wenn es klappt, ist es voll cool.

Steve: Also, ich habe mal ein bisschen recherchiert und auch die Kritiken vom Thorsten bei uns mal nachgelesen. Ihr werdet ja stets mit Alestorm verglichen. Stört Euch das? Und wie steht ihr zum Begriff Pirate Metal?

Fabi: Wir versuchen gerade, vom Pirate Metal etwas wegzukommen. Deswegen haben wir das Album auch „Nautic Force“ genannt, um anzukündigen, dass wir unsere musikalische Range etwas erweitern, also auch noch Pirate Metal, aber wir wollen mit den Grenzen spielen.

Timo: Früher hat uns das mehr gestört. Wir sagten immer, wir sind Alestorm mit echten Instrumenten. Wir können es wirklich, haha! Inzwischen sind wir da echt selbstbewusster. Wir stellen uns lieber etwas breiter auf...singen über Fernweh, Heimweh, über Weite. Auf dem neuen Album sind ein Orchester und ein Chor dabei. Das kommt epischer rüber als die handelsüblichen Sauflieder.

Steve: Obschon ihr mit dem Song „Wellerman“ ordentlich dazu beigetragen habt.

Timo: Das stimmt, aber „Wellerman“ war ja ein Glücksgriff. Da sind wir als eine der ersten Bands aufgesprungen. Das hat uns beim letzten Album sehr nach vorne gebracht. Das hat einfach Spaß gemacht. Es gab einen Trend, eine Challenge...es war ein Shanty und da konnten wir nicht nein sagen.

Steve: Also der richtige Schachzug?

Timo: Na ja, es war nicht als Schachzug geplant, aber damit haben wir viele Leute erreicht.

Fabi: Selbst die Fans von Mono Inc. standen auf den Tischen und haben mitgesungen.

Timo: Genau, wenn wir unsere Version heute live spielen, macht halt jeder mit.

storm seekerSteve: „Calm Seas Vol. 1“...da wird es ja wohl noch Episode zwei und drei geben, oder?

Fabi: Wer weiß, haha!

Timo: Mal sehen, aber wir wollten uns das offen halten. Wir hatten da einfach Spaß dran und haben sofort losgelegt. Von der Entscheidung bis zum fertigen Produkt lagen nur sechs Monate. Das ging richtig schnell. Wir saßen wegen Corona zu Hause, konnten keine Konzerte spielen, und dann haben wir uns gedacht, wir gehen zu den Leuten ins Wohnzimmer und nehmen ein akustisches Werk auf. Wir haben ein paar unserer Tracks genommen und haben sie sehr echt gelassen und nur ganz wenig bearbeitet. Alle Gesangsaufnahmen sind One-Take. Ich habe mich einfach vor das Mikrofon gestellt und losgelegt. Wir hatten echt Spaß. Dazu gab es unsere Lieblings-Shanties.

Steve: Ich habe gelesen, auf Wunsch der Fans gab es viel Druck zu dieser gewünschten Aktion.

Fabi: Na ja, wir haben halt immer akustische Versionen unserer Songs auf YouTube hochgeladen, und das kam immer gut an. Viele wollten natürlich mehr davon.

Steve: Diese Idee hatten natürlich kaum irgendwelche anderen Bands...also während der Corona-Zeit. Ich glaube, wir sind wöchentlich in Live-, Akustik- und Compilation-Alben erstickt.

Fabi: Haha, kann ich mir vorstellen!

Dagmar: Gibt es denn Fans, die Euch akustisch bevorzugen?

Timo: Nee, ich denke, das ist eher die Nische. Die originalen Tunes werden bevorzugt.

Steve: Jon Bongiovi hat in den 1980er Jahren mal gesagt, dass ein Song nur gut ist, wenn man ihn akustisch am Lagerfeuer spielen kann.

Timo: Genau das wollten wir auch ausprobieren.

Steve: Auf „Guns Don´t Cry“, Eurem zweiten Release habt Ihr sehr viele Gäste eingeladen. Warum entscheidet man sich für so viele Einflüsse in den eigenen Songs?

Timo: Da hatten wir einfach Bock drauf. Das wurde superbunt. Wir hatten Mr. Hurley von Mr. Hurley & Die Pulveraffen dabei. Das war sehr naheliegend, denn sie kommen aus der Gegend und spielen in unserem Stil.

Steve: Wäre es da nicht interessanter jemanden aus einem völlig anderen Genre mit ins Boot zu nehmen?

Timo: Das wäre natürlich auch noch mal ein Ding. Aber da wir das erste Mal mit Features gearbeitet haben, sind wir bei unserem Genre geblieben. Mit dabei war Sebastian „Seeb“ Levemann, der Sänger von Orden Ogan. Das war ein persönlicher Wunsch von mir und meinem Bruder, da man sich schon seit Ewigkeiten kennt. Tja, und dann war da noch der Teufel von Tanzwut. Er wurde vom Label vorgeschlagen, und wir waren selbstredend sofort begeistert, da er selber über eine solch kratzige Stimme verfügt, wie ich es selber auch mache. Die ähnliche Gesangstechnik hat sich da mal nicht zum Schlechten gewandt. Es war sowieso ein deutscher Text, und das hat gepasst. Heuer haben wir gedacht, Storm Seeker ist uns genug. Wir waren nach dem Songwriting einfach zufrieden mit den Liedern, dass wir auf keine anderen Stimmen zurückgreifen wollten. Vielleicht eine Gegenbewegung dazu, dass im Moment alle mit Features arbeiten, haha!

Steve: Ihr habt einen neuen Drummer. Kann denn einer von Euch mal vorstellen?

Timo: Wir haben vor allem einen neuen Gitarristen. Unser Drummer ist der, der vorher Gitarre gespielt hat, haha!

Steve: Moment! Ihr hattet doch auch zwei Frauen im Line-Up.

Timo: Genau, Sandy (Sandra Schmitt - Cello) ist gegangen, da sie etwas anderes machen wollte. Sie hatte nur noch wenig Zeit, und das war traurig, da sie ja zu den Gründungsmitgliedern gehört. Mein Bruder Marius hat dann das Instrument gewechselt. Er hat halt Drums studiert und früher schon öfters gewechselt. Paul „Paulie“ Martens ist unser neuer Mann an der Klampfe, der aber eigentlich Basser ist.

Steve: Leute machen Sachen, die sie nicht gelernt haben. Das kenne ich aus der Politik, haha!

Timo: Paul hat bei unseren drei Live-Auftritten zu „Calm Seas Vol. 1“ den Akustik-Bass gespielt. Daher kannten wir ihn schon. Er ist studierter Bassist, aber wir brauchten einen Six-Stringer. Ich fragte ihn, ob er sich das vorstellen könne. Er sagte ja, lernte in zwei Wochen Gitarre, haha, und war im Line-Up. Er ist echt krass. Er hat direkt seinen ersten Auftritt auf dem Wave Gotik Treffen gehabt.

Steve: Ihr wolltet Euch musikalisch breiter aufstellen. Wo seht Ihr denn jetzt die Weiterentwicklung beziehungsweise die Unterschiede zwischen den letzten beiden Releases?

Fabi: Wir sind ja drei studierte Musiker in der Band und versuchen uns immer weiterzuentwickeln. Wir integrieren alle unsere verschiedenen Musikstile mit und kombinieren alles. Wir klingen natürlich etwas anders, wo wir jetzt den Paulie dabei haben. Vorher waren wir eher folkig-partymäßig, und jetzt wirken die Tracks epischer und mehr ausgeweitet.

Steve: Eine homogene Symbiose.

Timo: Das klingt sehr, sehr gut, haha! Wir haben diesmal noch mehr darauf geachtet, eingängigere Melodien dabei zu haben. Das war schon immer so, aber wir haben den Fokus diesmal nicht nur auf die Refrains gelegt, sondern das selbst die Strophen melodisch gesteigert werden. Da ist sehr viel Arbeit reingeflossen.

Steve: Wir als Webzine bekommen mittlerweile gefühlte fünfzig Wiederveröffentlichungen pro Woche. Euer Label No Cut hat das Erstlingswerk noch mal neu aufgelegt (2020). Brachte Euch das noch mal den gewünschten Push? Oder bleibt so ein Thema unter ferner liefen?

Timo: Es lohnt sich immer, mehr herauszubringen. Wir wollen aber nicht ständig das alte Zeugs spielen. Wir möchten neue Ufer erforschen, uns weiterentwickeln und das auch live bieten. Das ist uns diesmal sehr gut gelungen. Wir haben, soweit ich das empfinde , das beste Album bislang herausgebracht. Ich weiß, das hört sich auf einem solchen Pressetermin wahrscheinlich blöd an.

storm seekerSteve: So etwas habe ich in meiner ganzen Zeit als Schreiber nie gehört, haha! Wenn ich jedes mal für diese Aussage zehn Euro bekommen hätte, ziehe ich doch noch nach Toronto.

Timo: Warum sollten wir denn sonst neue Musik machen? Wir wollen das Beste geben. Wir sind noch nicht so groß, dass wir die Kuh nur melken wollen.

Steve: Ein Blick in die Zukunft?

Timo: Auf jeden Fall keine Strankorbkonzerte mehr, haha! Wir gehen pünktlich zum Album-Release mit Mono Inc. auf Tour. Das wird richtig gut! Zwölf Termine auf der Tour in Deutschland in relativ großen Hallen. Und dann kommt der Festival-Sommer. Dieses Jahr spielen wir auf dem Summer Breeze Open Air, und da freuen wir uns sehr drauf. Die Überlegung ist auch eine eigene Headliner-Tour; zumindest für nächstes Jahr.

Steve: Dann viel Glücksgriff!

Timo & Fabi: Danke!



Autor: Steve Burdelak