FIAT NOX - Die Nacht als Antagonist zur Schöpfungsgeschichte


Wer melodischen und atmosphärischen Black Metal mag, der wird in letzter Zeit häufiger mal über den Namen Fiat Nox gestolpert sein. Die Bremer Horde hat nun innerhalb eines halben Jahres drei CDs auf den Markt geworfen, die allesamt überzeugen können. Beim Recherchieren fand ich heraus, dass zwei Bandmitglieder auch bei Funeral Procession aktiv sind, von denen ich ebenfalls die alten Tonträger in meiner Privatsammlung stehen habe. Allerdings hätte ich musikalisch niemals beide in Zusammenhang gebracht. Es gab also viel über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu erzählen. Und Gitarrist und Sänger Desmotes gab sich auch sehr auskunftsfreudig und wortgewandt.

logoDaniel: HELL-ö Desmotes! Erzähl uns doch bitte zunächst, wie es zur Gründung von Fiat Nox kam!

Desmotes: Moin Daniel! Es ist die gleiche Geschichte, wie man sie schon tausendmal gehört und gelesen hat. Nach der Auflösung von Aszendent wollte ich ursprünglich alles als Soloprojekt weitermachen und habe „nur“ einen Schlagzeuger für die Aufnahmen gesucht, welchen ich in Erebos gefunden habe. Da wir die Lieder im Proberaum geübt haben, damit er sie spielen konnte, haben wir uns direkt Leute für ein komplettes Line-Up gesucht. Thousand Eyes und Lógos haben dann ihre Ideen in die Songs mit einfließen lassen, und so wuchs man einfach über die Zeit als Band zusammen.

Daniel: Was bedeutet der Name Fiat Nox überhaupt?

Desmotes: Er bedeutet „Es werde Nacht!“ und ist antagonistisch zu „Fiat Lux“ („Es werde Licht!“) aus der Schöpfungsgeschichte zu verstehen.

Daniel: Zwischen 2014 und 2016 hieß die Band noch Aszendent. Wieso kam es zur Umbenennung? Und habt Ihr mit Aszendent überhaupt schon etwas veröffentlicht?

Desmotes: Unter dem Banner von Aszendent habe ich mit zwei Freunden und einem Session-Schlagzeuger (namens Giacomo Torti) das „Sturmboten“-Demo aufgenommen. Zu dem Zeitpunkt spielte ich eigentlich nur die Gitarre(n). Das Demo wurde allerdings nie physisch veröffentlicht, da wir nur Angebote von Labels bekamen, mit denen wir aus verschiedenen Gründen nicht zusammen arbeiten wollten und eine Eigenproduktion finanziell zu diesem Zeitpunkt nicht zu stemmen war. Im Nachhinein haben wir die Songs dann als Pseudo-Split mit auf die „Light The Torches“ gepackt. Durch meinen Umzug in eine andere Stadt hat sich Aszendent dann endgültig aufgelöst, allerdings hatte ich schon fast das „The Archive Of Nightmares“-Album fertig geschrieben (da eben vieles in dieser Zeit komponiert wurde, sehe ich Fiat Nox auch als Nachfolge-Band und nicht komplett eigenständig) und wollte dieses gerne aufnehmen, allerdings fühlte es sich unter dem alten Namen nicht mehr richtig an, da zwei Drittel der Besetzung fehlten, also kam es zur Umbenennung in Fiat Nox; eine Art Neustart quasi.

Daniel: Bassist und Sänger Thousand Eyes und Du wart auch gemeinsam bei Funeral Procession aktiv, von denen ich zwei Demos, zwei 7“-Singles und eine LP besitze, seit sie draußen sind. Da ist aber ewig nichts mehr passiert. Ist Fiat Nox (bzw. war Aszendent) somit eine direkte Nachfolge-Band von Funeral Procession?

Desmotes: Die Bands existieren völlig unabhängig voneinander. Thousand Eyes und ich spielen auch jetzt noch bei Funeral Procession. Das da nichts passiert, stimmt nicht wirklich. Seit 2020 ist eine Tour zusammen mit Fyrnask und Verheerer geplant, die im April 2022 hoffentlich umgesetzt werden kann. Abgesehen davon erscheint bald über Ván Records ein Split-Album und über Millenial Visions wird zurzeit nach und nach der Funeral Procession-Katalog auf Vinyl und Kassette wiederveröffentlicht. An einem neuen Album wird ebenfalls gearbeitet. Kleiner Fakt am Rande: Funeral Procession wurde mir damals zum ersten Mal von P. (Sänger bei Aszendent) gezeigt. Da hätte ich nie ahnen können, dort selbst mal zu spielen.

Daniel: Welche Unterschiede siehst Du zwischen beiden Bands, sowohl musikalisch als auch textlich?

Desmotes: Funeral Procession ist in jeder Hinsicht einfach old school: purer, eiskalter Black Metal und wesentlich rauer als Fiat Nox. Letztere hingegen legen mehr Wert auf die Kombination verschiedener Einflüsse und Entwicklungen des Genres. Lyrisch gehen die Bands insofern auseinander, dass die Texte von Funeral Procession eher den Fokus auf Tod und Nacht bzw. Dunkelheit legen, wobei bis inklusive des Albums auch ein antireligiöser Aspekt eine Rolle spielte. Fiat Nox ist lyrisch entweder wesentlich privater oder beschäftigt sich mit den Werken von Autoren wie H. P. Lovecraft.

Daniel: Ich finde, dass Fiat Nox einen sehr eigenständigen Sound haben. Welche Bands haben Euch beeinflusst?

Desmotes; Sowas hört man natürlich gern! Da sind wir alle sehr verschieden... Svartidauði und Dragged Into Sunlight sind bei mir Dauerbrenner, aber auch Dissection. Im Grunde kommt aber vieles aus den letzten Jahrzehnten zusammen, anhand von ein paar Bands, kann man das, denke ich, nicht wirklich fest machen.

fiat noxDaniel: Eure Songs unterschreiten nur selten die magische Sieben-Minuten-Grenze! Ist das Absicht, oder passiert es eher zufällig, dass Eure Songs im Songwriting-Process „wachsen“?

Desmotes: Das ist reiner Zufall. Ich schreibe die Songs einfach so, dass sie sich für mich „komplett“ anfühlen. Für mich braucht bestimmte Musik einfach Zeit, um sich zu entfalten, daher kommt die Länge oftmals automatisch.

Daniel: Zwischen dem Demo „Light The Torches“ (2016) und dem Debüt „The Archive Of Nightmares“ sind fünf Jahre vergangen. Warum hat es so lange gedauert, bis der Stein endlich ins Rollen kam?

Desmotes: Die Gründe waren mannigfaltig... Es läuft leider nie so, wie man sich es wünscht. Viel ist unserem Anspruch alles selbst zu erledigen zu schulden, was durch Umstände wie Vollzeitjobs, Studium und Familie sehr verzögert wurde. Wenn man außerdem ohne viel Erfahrung versucht, ein Album (und zusätzlich eine separate EP) von Grund auf im eigenen Proberaum aufzunehmen, stellen sich einem eine Menge Hindernisse und Probleme in den Weg. Die ganze Produktion wurde im Endeffekt ein einziger Albtraum. Daher ist der Name gleich doppelt stimmig. Ursprünglich wollten wir das Album auch selbst mastern, haben uns dann aber glücklicherweise umentschieden.

Daniel: Seit dem Debüt sind dagegen erst knapp sieben Monate vergangen. Seitdem habt Ihr aber mit „In Contemptuous Defiance“ (2021) und „Demanifestation (Hymns Of Destruction And Nothingness)“ (2022) schnell noch zwei EPs nachgelegt. Warum geht auf einmal alles so schnell? Sind die Songs alle zum gleichen Zeitpunkt in derselben Session entstanden und wurden dann erst nach und nach veröffentlicht? Oder was steckt dahinter?

Desmotes: So ähnlich stimmt das tatsächlich. Unser Album sowie die „Demanifestation“ wurden in einer Session aufgenommen, gemischt und gemastert. Während des Prozesses kam aber die Anfrage von Personal Records, und wir haben dann kurzer Hand die „In Contemptuous Defiance“ aufgenommen. Zwei der Songs waren schon länger fertig, zwei weitere sind in recht kurzer Zeit entstanden. Ursprünglich war die EP als kurze Zwei-Song EP geplant, was mir allerdings bei der Länge schlussendlich zu wenig erschien.

Daniel: Im Booklet des Albums steht, dass es auch ein Vinyl-Mastering gibt. Bislang gibt es aber nur die CD-Version. Wann soll die LP denn folgen? Gibt es schon konkrete Pläne dafür?

Desmotes: Als wir das Album und die jetzige EP mastern ließen, wollten wir keine halben Sachen machen. Ich sammle selbst Tonträger, und das eigene Zeug auf Platte in der Hand zu haben, ist einfach eine verdammt großartige Vorstellung. Leider ist eine Vinylproduktion jedoch mit erheblichen Kosten und Wartezeiten verbunden. Und als kleine, noch recht unbekannte Band muss man einfach sehen, inwiefern sich bzw. ob sich das überhaupt rechnen würde. Das Thema Vinyl ist zurzeit mit unserem Label im Gespräch, und wir werden in Kürze auswerten, wie das ganze umsetzbar sein könnte.

Daniel: Wie seid Ihr mit Crawling Chaos Records aus Köln in Kontakt gekommen? Kanntet Ihr schon andere Veröffentlichungen des Labels?

Desmotes: Ich habe mich mit MC von Hexer über die Label-Suche unterhalten, und so schlug er mir Crawling Chaos vor, bei dem er mit seiner Band selbst schon etwas veröffentlicht hatte. Da auch Vvytcher und Sargeras nur positives zu berichten hatten, habe ich das Label kurzerhand angeschrieben und gefragt, ob Interesse besteht. Ein paar Releases sagten uns schon etwas, vor allem weil ich auf der „Return Of The Dancing Whores“ den Bass eingespielt habe und dementsprechend auch wusste, über wen das Album erscheint. Ein schöner Zufall war, dass uns Holger bereits vorher live gesehen hat und sich nicht gerade negativ an uns erinnern konnte.

Daniel: Wie kommt es eigentlich, dass zwischen dem Album und der neuen EP, die beide bei Crawling Chaos rauskamen, die EP dazwischen, „In Contemptuous Defiance“, bei dem mexikanischen (!) Label Personal Records erschienen ist? Das ist ja schon sehr weit vom Schuss… Wäre es nicht einfacher gewesen, alles bei einem Label unterzubringen? Wie kam es dazu?

Desmotes: Das Album und die EP waren bereits verplant, da erreichte uns irgendwann mal eine Nachricht von Personal Records, ob wir nicht Interesse hätten, ein Album über sie zu veröffentlichen. Jacobos Angebot für uns einfach so gut, dass wir uns kurzer Hand auf eine EP geeinigt haben (natürlich in Absprache mit beiden Labels, die in der Hinsicht mehr als entspannt waren). Alles über ein Label zu bringen, scheint auf den ersten Blick recht sinnvoll, aber man muss schließlich seine Produktionskosten auch wieder rein bekommen, und als quasi Newcomer-Band direkt mehrere Veröffentlichungen im Extrem Metal-Bereich in dem gefühlt jeden Freitag zehn neue Alben erscheinen, ist einfach sehr riskant. Daher sind wir mehr als froh über diese doppelte Unterstützung.

Daniel: Spielt Ihr eigentlich auch live? Oder ist Fiat Nox eine reine Studio-Band? Bei drei Tonträgern in knapp einem halben Jahr wäre der Gedanke ja gar nicht so abwegig…

Desmotes: Unser letzter Auftritt, welcher auf dem Odyssey To Blasphemy III stattfand, ist nun schon über zwei Jahre her, aber prinzipiell spielen wir auch (gerne) live. Das Demo ist eigentlich nur – und zwar sehr spontan – entstanden, damit wir etwas hatten, womit wir uns für Konzerte bewerben konnten. Darauf haben wir uns dann hauptsächlich konzentriert (vielleicht auch einer der Gründe, weshalb die Album-Produktion länger als geplant andauerte).

Daniel: Kommen wir mal kurz zu Dir: Laut Metal Archives spielst Du zeitgleich bei Fiat Nox, Vomit Division, Voreus und Funeral Procession. Alle Bands sind – grob gesehen – im Black Metal angesiedelt. Warum? Interessieren Dich keine anderen Stilrichtungen? Und wie bekommst Du die überhaupt alle unter einen Hut?

fiat noxDesmotes: Für mich unterscheiden sich die Bands trotz des ähnlichen Genres immens. Vomit Division ist rotziger Black-/Thrash mit Heavy Metal- und Punk-Einschlägen, Voreus ist pechschwarze Zerstörung, Funeral Procession kalter Old School Black Metal und Fiat Nox eine Ausgeburt auf fast vier Dekaden eines sich stetig entwickelnden Genres. Ich habe mich nie bewusst auf ein Genre limitiert und auch nie bewusst nach (mehr) Black Metal-Bands gesucht, jedoch scheint dieses Genre mich einfach in fast all seinen Facetten anzuziehen. Da Vomit Division (trotz mittlerweile vollständiger Besetzung) immer noch mein Soloprojekt ist, kann ich mir die Zeit dort so einteilen, wie es mir passt. Voreus hat zwar einen Gig für 2022 bestätigt, ist aber zurzeit noch recht inaktiv, und auch wenn ich ein-zwei Lieder zu der Band beigesteuert habe, wird es immer das Kind von Thousand Eyes und Void bleiben, weswegen ich dort nicht immens viel Zeit zu investieren habe. Bei Funeral Procession wird aktuell wieder für die kommende Tour geprobt, aber da jegliches Organisatorische sowie das Texten und Schreiben der Musik nahezu komplett bei Count Gothmog bleibt, lässt man mir auch hier recht viel Freiraum. Fiat Nox ist, was am meisten Zeit in Anspruch nimmt; logischerweise. Was andere Genres angeht: Am liebsten würde ich noch bei einer Heavy Metal-Band als Sänger agieren, sehe da aber zurzeit noch keine Möglichkeit. Ich selbst schaffe es nicht, Stücke in der Richtung zu schreiben, die mich begeistern, und aktiv nach einer neuen Band suchen, ist zurzeit auch Schwachsinn. Vielleicht findet sich in der Zukunft mal etwas Passendes...

Daniel: Was steht denn in Zukunft noch bei Fiat Nox an?

Desmotes: Wir haben mittlerweile eine Menge Material. Für 2022 sind bisher zwei EPs geplant, wovon eine wahrscheinlich eine Split mit einer uns sehr vertrauten Band sein wird. Darauf wird unser zweites Album folgen.

Daniel: Na gut, Desmotes! Das Schlusswort gehört Dir

Desmotes: Light the torches – Fiat Nox!

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Autor: Daniel Müller