CUSTARD - Stell Dir vor, wir singen über heroische Schlachten und tragen dabei einen Adidas-Hoodie!


Auch wenn es Custard schon seit den glorreichen Achtzigern gibt, sind sie aus dem Underground nie so richtig herausgekommen. Dabei sind sie keinen Deut schlechter als die großen Namen des Teutonen Power Metals aus Deutschland. Die Ruhrpottler legen heuer ihr siebtes Album „Imperium Rapax" vor, ein Konzept-Album über das Römische Reich; so wie man es von ihnen gewohnt ist, mit viel Doublebass und heroischen Chören. Ich sprach mit Schlagzeuger Chris Klaper, dem einzigen noch verbliebenen Urmitglied von Custard, über den kompletten Werdegang bis heute!

logoDaniel: Hi Chris! Lass uns mal ganz von vorne anfangen: Wie kam es 1987 zur Gründung von Custard?

Chris: HiHo, das ist dann aber wirklich ganz vorne, haha! Wir waren halt einfach ein Haufen Kumpels, die permanent auf Partys unterwegs waren und Metal gelebt haben. Also Musik war uns allen schon sehr wichtig; und natürlich waren wir meistens stramm wie die Haubitzen. Irgendwann haben wir im leicht angeschwipsten Zustand (räusper) halt diskutiert, ob man so geile Musik nicht auch selbst machen könnte. Dumm, dass keiner ein passendes Instrument spielen konnte. Anyway, irgendwann waren die Rollen verteilt, und ich selbst muss wohl ´nen Moment nicht aufgepasst haben. Zack: Drummer! Hat dann natürlich noch einige Zeit gedauert, bis wir Instrumente und einen Proberaum an den Start gebracht hatten. Böse Zungen behaupten gar, dass unsere damalige Gesangsanlage sehr große Ähnlichkeit mit der Durchsage-Technik des lokalen Freibads hatte. Ein bezahlbarer Proberaum konnte auch nicht mal so eben gefunden werden. Wir haben dann den Keller einer alten Zechen-Maschinenhalle entrümpelt und umgebaut. Na ja, dann ging es halt los.

Daniel: Hattet Ihr zuvor schon in anderen Bands gespielt?

Chris: Nein, absolut nicht. Wir hatten echt absolut null Ahnung, was wir da tun. Außer mächtigem Enthusiasmus und -aus heutiger Sicht betrachtet- instrumentalem Gerümpel hatten wir nichts.

Daniel: Musikalisch seid Ihr hauptsächlich im typischen Teutonen Metal angesiedelt (auch wenn ich z. B. bei den Snarefiguren von „Sign Of Evil“ an „Syn. Kill 1“ von Annihilator denken muss). Aber kann man überhaupt sagen, dass es die deutschen Bands wie Helloween, Blind Guardian oder Scanner beeinflusst haben? Schließlich habt Ihr ja ungefähr alle zeitgleich angefangen.

Chris: Das hat sich letztendlich erst später geprägt. Wir haben ja zunächst unter dem Namen A.M.F. (Alcoholic Metal Front) losgelegt. Dann der übliche Werdegang mit Covertracks etc. Das war natürlich alles sehr einfach gehalten; wir waren ja nun keine Musiker und mussten uns alles selbst hart erarbeiten. Kein Geld für Unterricht oder so, aber eben Bock und Zeit. Die Fähigkeiten haben also maximal für alte Sodom-Songs oder ähnliches gereicht. Helloween und Blind Guardian fanden wir natürlich extrem geil, aber das war einfach fünf Level zu hoch für uns.

Daniel: Hattet Ihr denn damals auch Kontakt zu ähnlich „alten“ Bands? Gab es schon so etwas wie eine Szene, in der Ihr involviert wart? Oder habt Ihr mal als Support für eine größere Band gespielt?

Chris: Das kam echt langsam in Gang, obwohl wir die erste Bühne schon runde 6-7 Monate nach der ersten Probe bekommen haben. Ein lokales Festival – und das nicht mal als Opener. Wir waren stolz wie Oskar; das war tatsächlich toll. Wir haben dann schon mal hier und da gespielt; alles lokal in der Nähe und alles natürlich sehr überschaubar. Für 2 Mark in irgendeinem kleinen Jugendzentrum; hat dennoch Spaß gemacht. Nach gefühlten 3.000 Besetzungswechseln und den üblichen Demo-Tapes in grandioser 4-Spur Technik konnten wir tatsächlich irgendwann eine EP („God Of Storm“) aufnehmen. Das war dann schon weniger Thrash- und eher Power- oder traditioneller Metal. Erst damit konnten wir uns dann einen Support-Slot sichern. Das war direkt Skyclad und eine super Sache für uns. Auf der Tour haben wir mächtig abgeräumt. Uns kannte keine Sau, und wir haben echt abgeliefert. Zumindest hatten wir nach der Tour eine Booking Agentur und ein Plattenlabel, was ein Album mit uns machen wollte (Point Music).

Daniel: Eure Texte behandeln meist Fantasy und historische Themen. Welche Bücher, Autoren, Filme usw. beeinflussen Eure Texte?

Chris: Das variiert. Für die Texte ist Olli federführend. Er recherchiert schon echt viel, liest, schaut Filme. Wenn wir uns dann innerhalb der Band auf ein übergeordnetes Konzept geeinigt haben, dann suchen wir entsprechende Szenen heraus, die wir dann verarbeiten. Zum aktuellen Album („Imperium Rapax“) konnten wir natürlich nicht die komplette Geschichte des Römischen Reiches verwursten, oder beim Vorgänger-Album („A Realm Of Tales“) war es auch nicht möglich, alle interessanten Märchen in Songs zu verwandeln.

Daniel: Lass uns mal ein bisschen in der Geschichte der Band wühlen: Eure erste EP erschien 1996, also erst neun Jahre nach der Gründung. Warum hat das damals so lange gedauert?

Chris: Wie geschildert, mussten wir ja nun erst die geeignete Besetzung finden, und aus meiner Perspektive: Ich musste erstmal Trommeln lernen, verdammt nochmal! Ist auch schwierig, erstmal einen gemeinsamen Nenner bei der Musik zu finden. Wir wollten ja nicht kopieren. Das dauert. Außerdem lag der Fokus tatsächlich noch eher beim Saufen/Party/Weiber klar machen. Heavy Metal!

custardDaniel: Euer Debüt „Kingdoms Of Your Life“ (1999) war damals bei Point Music erschienen. Wie kam der Kontakt zustande?

Chris: Oh, da habe ich oben schon vorgegriffen. Die Skyclad-Tour lief astrein, der Tourbooker fand uns dermaßen geil, dass er einem Kumpel vom Label einen Tipp gegeben hat. Der kam dann zu einer Show und war ebenfalls angetan. Nach der Tour noch mal telefoniert, zack, Vertrag. So ging das damals ohne Internet und E-Mail.

Daniel: Im Jahr 2000 wart Ihr auf dem „A Tribute To The Scorpions“ von Nuclear Blast vertreten. Dort habt Ihr „Send Me An Angel“ gecovert. Das Original ist – genau wie das von vielen Metalheads gehasste „Wind Of Change“ – auf dem „Crazy World“-Album (1990) vertreten. Wieso hattet Ihr Euch ausgerechnet für eine kommerzielle Ballade entschieden anstatt für einen Rocksong, den Ihr Power Metal-mäßig hättet aufbrezeln können?

Chris: Das war damals eine bewegte Zeit. Irgendwann waren wir dann bei einem Schwäbischen Label unter Vertrag, und der Verlag wurde von einem A&R von Nuclear Blast geführt. So kam der Kontakt zustande, und wir wurden für viele Tribute-Alben angefragt. Haben die damals viel gemacht. Fand ich eigentlich doof, aber hat geholfen, bekannter zu werden. Wir haben das eher als Promo gesehen. Den speziellen Song haben wir uns ausgesucht, weil unser damaliger Schreihals, Guido Brieke, einfach astrein seine Stärken ausspielen konnte in dem Track. Viel hoch, viel lange Töne - hier konnte er brillieren.

Daniel: Auf Eurem zweiten Album „For My King“ (2000) und auf dem Nachfolger „Wheels Of Time“ (2005) hat Guido Brieke gesungen, der in meiner Nachbarstadt Unna wohnt und den ich von seiner vorherigen Band Avalanche her kenne (eine gute Helloween-Kopie der Kiske-Ära). Wie seid Ihr damals auf ihn aufmerksam geworden? Kanntet Ihr Avalanche?

Chris: Wir haben die EP („God Of Storm“) tatsächlich in Fröndenberg aufgenommen; in einem Keller-Studio von irgendeinem Kumpel von einem Kumpel. Exakt da hatten auch Avalanche zuvor ein Album aufgenommen, und das lag da rum. Haben wir uns angehört und fanden den Sänger große Klasse. Als wir dann für das zweite Album („For My King“) im Studio in Dortmund waren, haben wir festgestellt, dass unsere Fähigkeiten am Gesang einfach nicht ausreichend waren für die Songs. Damals haben unser Gitarrist (Dirk) und der Basser (Magga) gesungen. Wir waren dann echt nicht happy bei den Aufnahmen, und wir haben die Aufnahmen erstmal gestoppt. Krisensitzung… na ja, irgendwann habe ich dann Guido angerufen und ihn erstmal ins Studio eingeladen, um „ein paar Backings“ für uns zu singen. Hier haben wir dann herausgefunden, dass wir echt ins gleiche Horn stoßen und er bei Avalanche eh nicht happy war… zack, neuer Custard-Sänger! „Wheels Of Time“ hat Guido dann mit geschrieben, und damit waren wir auch mächtig live unterwegs.

Daniel: Drei Jahre nach „Wheels Of Time“ erschien „Forces Remain“ (2008). Es ist das einzige Album von Custard, das heute kaum noch erhältlich ist (bei Discogs steht es momentan gar nicht drin und bei Ebay nur einmal gebraucht für 48 €!). Weißt Du, warum das Teil so rar und teuer ist? War die Auflage deutlich kleiner als die aller anderen Custard-Alben? Oder womit hängt das zusammen?

Chris: Nach der „Wheels Of Time“ und den entsprechenden Touren hatten wir einen echt großen Umbruch in der Band. Es gab ziemlich Zoff, und letztendlich sind drei Leute gegangen oder gegangen worden - das war nicht so nice. Glücklicherweise konnten wir astreinen Ersatz finden, und auch die „großen Stiefel“ von Guido konnten mit Olli mehr als ausgefüllt werden. Mit der „Wheels Of Time“ waren wir bei einem belgischen Label, und auch an der Front gab es Ärger, also auch kein Label-Deal. Das war echt schon kurz vor Laden zumachen. Als wir dann mit den neuen Leuten genug gutes Material für ein Album zusammen hatten, sind wir mit einem kleinen, deutschen Label zusammen gekommen und haben quasi „Low Budget“ dieses „Forces Remain“-Album gemacht. Die Auflage war sicherlich kleiner als bei den Vorgänger-Alben, aber jetzt auch nicht unterirdisch klein (aus heutiger Sicht). Warum es die bei den üblichen Verdächtigen nicht gibt? Keine Ahnung, die will keiner abgeben? Zurecht, haha!

Daniel: „Forces Remain“ war auch das erste Album mit Olli Strasser am Gesang, der auch heute noch bei Custard singt. Er hatte zuvor nur ein Demo bei The Armada aus Baden-Württemberg eingesungen, die aus dem Stormwitch-Umfeld kamen (Original-Schlagzeuger Peter Langner hat dort genauso gespielt wie der spätere Gitarrist Damir Uzonovic, der von 1992 bis 1994 bei Stormwitch war). Hat Olli damals noch in Süddeutschland gelebt? Wie kam der Kontakt zustande? Kanntest Du The Armada überhaupt?

Chris: Ich weiß, dass Olli zuvor in einer Coverband (Drop Out?) gesungen hatte. Wie er an The Armada kam, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. In Süddeutschland hat er nicht gelebt. Ich kannte die Band persönlich nicht. Kann ich leider nicht viel zu sagen.

Daniel: Euer „neuestes“ Mitglied ist Zweitgitarrist Stefan Klampnauer, der zeitgleich auch noch bei Fairytale, Bestialis und Cerebral Invasion spielt. Olli hat 2016 das Album „Legions Of The Sun“ von Final Chapter eingesungen. Verfolgst Du die Projekte Deiner Mitmusiker eigentlich, oder wirkt sich dieser Tatendrang auch irgendwie positiv (Kreativität) oder negativ (Zeitmanagement) auf Custard aus?

Chris: Ja, speziell Stefan hat sich da eine ganze Menge zu tun zugelegt. Er hatte relativ viel Zeit durch Studium und Arbeit an der Uni. Jetzt hat er inzwischen seinen Doktor in Mathematik und arbeitet in der freien Wirtschaft; da ist die Zeit eher eng. Ich denke, dass da über kurz oder lang irgendwas wegfallen wird bei ihm; vielleicht ist es ja Custard, wer weiß? Ollis Beteiligung bei Final Chapter hatte eher Projekt-Charakter. Nur Studio, keine Live-Gigs, das war überschaubar und hat für Custard keine Auswirkungen gehabt. Generell mag ich es nicht sonderlich, wenn die Kollegen sich auch in anderen Bands engagieren, aber ich verstehe auch, dass Custard eventuell zu wenig Initiative bedarf, um ein Musikerleben komplett auszufüllen. Letztendlich haben alle von uns inzwischen fordernde Jobs, Haus und Hof, Familien usw. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen. Wir können nicht mehr jedes Wochenende an jeder Steckdose spielen oder ab und zu drei Wochen mit Band X auf Tour fahren. Das geht mal im Ausnahmefall, aber nicht permanent.

Daniel: Eure letzten beiden Alben, also „A Realm Of Tales“ (2017) und das neue Album „Imperium Rapax“, sind beide bei Pure Steel erschienen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit diesem Label?

Chris: Ich kannte die Jungs von Pure Steel schon vor unserer Beteiligung dort. Der Kontakt kam über Volker Raabe (jetzt FineArtsMerchandise) der früher auch das famose Swordbrothers Festival in Andernach gemacht hat. Hier war ich für Stage-Management und Technik zuständig. Nach der „Forces Remain“-Scheibe endete die Zusammenarbeit mit dem damaligen Label, und wir haben uns nach einem Deal umgeschaut. Das war quasi sehr naheliegend und einfach passend. Tatsächlich ist „Imperium Rapax“ nun schon das dritte Album für Pure Steel Records, Du hast „Infested By Anger“ völlig unter den Tisch fallen lassen, hehe! Das war jetzt das letzte Options-Album aus dem Vertrag, und wir müssen einen neuen Deal aushandeln, wenn es da weitergehen soll. Mal schauen, ob wir hier etwas Sinnvolles hinbekommen. Eigentlich fühlen wir uns recht wohl da; die drängen uns zu nix.

custardDaniel: Diese beiden Alben sind tatsächlich die einzigen Custard-Alben, die hintereinander weg in derselben Besetzung eingespielt wurden! Warum hat sich bei Custard das Besetzungskarussell so häufig gedreht?

Chris: Da ich das einzige Ur-Mitglied bin, wird es wohl an mir liegen, haha! Im Ernst: Es ist schon so, dass ich den Kahn in gewisser Weise lenke. Das muss man sich aber jetzt nicht übermäßig diktatorisch vorstellen; ich bin halt der Typ, der sich um den theoretischen Kram kümmert, somit einfach mehr Überblick hat und einigermaßen organisieren kann. Bandleader trifft es wohl am ehesten. So eine Band entwickelt sich ja nun permanent irgendwie; manchmal passt diese organische Entwicklung dann nicht zu den persönlichen Erwartungen von Musikern. Dann muss man schon mal die Notbremse ziehen und sich trennen. Bis auf ein-zwei Ausnahmen ist das aber immer fair und sauber abgelaufen. Mit beinahe allen Ex-Mitgliedern habe ich immer noch ein gutes Verhältnis; auch wenn ich meist der „Hiob“ war, der sie quasi rausgeschmissen hat.

Daniel: Interessant und ungewöhnlich ist auch, dass Du als Schlagzeuger der einzig Verbliebene aus der Urbesetzung bist! War für Dich immer klar, dass die Band unter dem Banner Custard weiterlaufen würde? Oder gab es auch mal Identitätskrisen?

Chris: Vor der „Forces Remain“ gab es da mal den einen oder anderen Moment… und wenn nicht in Form von Olli und Robert astreine Musiker um die Ecke gekommen wären, dann hätte ich das Ding wohl zu den Akten gelegt. Dann haben wir aber ein super Album an den Start gebracht, und das war einfach wieder Custard.

Daniel: Handelt es sich bei Custard für Dich – trotz der zahlreichen Besetzungswechsel – immer noch dieselbe Band?

Chris: Wenn neue Leute dazu kommen, dann ist die Custard-Musik ja quasi das, was sie machen wollen. Natürlich kommt mit jedem neuen Mitglied eine neue Farbe dazu, aber die Marschrichtung ist eigentlich klar. Hier gab es wenig Diskussion bisher. Wir haben nicht unbedingt Scheuklappen auf und ignorieren alle frischen Einflüsse. Es ergibt sich einfach von selbst.

Daniel: Segnest Du als einziges Gründungsmitglied der Band eigentlich auch alles ab? Kommt es vor, dass Du sagst, „Das Riff klingt mir nicht genug nach Custard“, oder „Das Buch fand ich Scheiße! Darüber bitte keinen Text schreiben“? Haha!

Chris: Ehrlich gesagt, lasse ich das gerne laufen. Die Riffs etc. kommen hauptsächlich über die Gitarren oder auch in Zusammenarbeit mit Olli zustande. Ich schreibe meine Drum-Lines gerne selbst und möchte auch nicht, dass ich die Idee dafür von den Kollegen vorgestellt bekomme. Ich gebe erstmal das ab, was ich mir dazu vorstelle; das ist auch gerne mal was komplett anderes als die ursprüngliche Idee, und die Kollegen gucken mich erstmal doof an. Anschließend höre ich mir aber auch gerne die Ideen der Kameraden an, und dann suchen wir gemeinsam das Passendste aus. Das Arrangieren der Songs ist auch erstmal meine Baustelle. Hier biete ich an, und dann checken wir gemeinsam, ob das alles passt.

Daniel: Lass uns dann mal über das neue Album „Imperium Rapax“ reden. Wenn ich mir das Artwork und die Songtitel ansehe, dann vermittelt es den Eindruck eines Konzept-Albums. Ist das so? Und wenn ja: Was bedeutet der Albumtitel, und worum geht es genau?

Chris: Diese Konzept-Geschichte gefällt uns recht gut. Damit haben wir bei „Infested By Anger“ zart angefangen, „A Realm Of Tales“ war dann konkret ein Märchen-Konzept, und jetzt bei „Imperium Rapax“ geht es halt um das Römische Reich. Hier gibt es dermaßen viele Stories, die perfekt in das power-metallische Bild passen! Wir hätten gleich drei Alben machen können. Mit dem Titel und dem Artwork wollen wir natürlich zeigen, was drin ist, klar, aber auch klarmachen, wie kontrovers die ganze Story ist. Geburt der Demokratie, Rechtssystem, Städtebau,… alles toll und wird in Geschichtsstunden zurecht als große Errungenschaft hingestellt. Trotzdem klebt an der Nummer ziemlich viel Blut. Daher heißt „Imperium Rapax“ quasi „räuberisches Weltreich“. Die Römer wollte man nicht zum Feind haben.

Daniel: Mit „The Goddess Of Magic And Death“ gibt es ein Duett mit Crystal Viper-Sängerin Marta Gabriel. Wie kam es dazu? Und kannte sie Custard vorher schon?

Chris: Auch das ist wieder über Seilschaften entstanden. Ich kenne ihren Mann (Bart) schon lange Zeit, und irgendwann war mal angedacht, dass er für uns das Management macht. Ist aber nicht zustande gekommen, ich weiß gar nicht mehr warum. Nun haben wir überlegt, wer für dieses Duett passen würde, und haben uns viele Damen angehört. Olli und ich haben nach einer Recording-Session im Studio gesessen und bei einem Bier noch etwas YouTube laufen lassen; zufällig kam da etwas von Crystal Viper. Wir haben uns nur angeguckt und beide gesagt: „Cleopatra!“. Eben angefragt, Track rübergeschickt, fertig. Super unkompliziert und nett. Wir sind echt dankbar dafür.

Daniel: Wie lange habt Ihr gebraucht, um die Songs zu schreiben und aufzunehmen?

Chris: Schreiben ist ja ein permanenter Prozess bei uns. Da liegen dann schon mal etliche Fragmente ein paar Monate auf Halde. Wenn wir es dann anpacken und Songs daraus machen, dann sind wir aber auch noch mal sechs Monate damit beschäftigt. Beim Aufnehmen sind wir dann eigentlich relativ schnell, aber wir arbeiten ja nicht permanent daran. Wenn man nur 1x pro Woche zwei Stunden zum Aufnehmen hat, dann dauert das in Summe auch lange.

Daniel: Wo habt Ihr aufgenommen, und wer hat produziert?

Chris: Glücklicherweise habe ich schon zur „Wheels Of Time“ angefangen, mich mit Produktionszeug zu beschäftigen. Hier hatte ich auch die Möglichkeit, viele Dinge auszuprobieren und wirklich zu lernen. Der Studiobetreiber/ Recording Engineer damals hat mir vermutlich die Pestilenz an den Hals gewünscht. Ich kam jeden Tag mit Audio-Analysen und Vergleichsmessungen um die Ecke und wollte wirklich wissen, wo der Frosch die Locken hat. So haben wir jetzt die Möglichkeit, unser Zeug in astreiner Qualität aufzunehmen; zum einen, weil wir wissen, worauf es ankommt, und zum zweiten, weil wir in die entsprechende Technik investiert haben. Reamping, Mix und Mastering mache ich gemeinsam mit einem langjährigen Buddy, der jetzt in England lebt. Athanasios Karapanos heißt er. Er ist inzwischen schon fast zum sechsten Bandmitglied geworden, steuert seine Ideen bei, übernimmt mal eben irgendwelche Backings und ist mit dem gleichen Herzblut bei der Sache wie wir als Band.

custardDaniel: Das Artwork finde ich ziemlich gelungen! Von wem stammt es? Und wie seid Ihr mit dem Künstler in Kontakt gekommen?

Chris: Hier kam der Kontakt über Pure Steel Records zustande. Augusto Peixoto heißt der gute Mann. Der hat schon etliche Cover für verschiedene Bands gemacht, war uns aber bisher zu düster. Diesmal hat sein Stil aber perfekt zur gewünschten Atmosphäre gepasst. Die Zusammenarbeit war toll, kann ich nicht anders sagen. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich mit fast allen Artworks total zufrieden bin. Das vielgenannte „Forces Remain“-Album war, wie gesagt, eine ziemliche Low Budget-Geschichte, da wäre durchaus noch Luft nach oben gewesen, aber selbst dafür müssen wir uns nicht schämen, denke ich. Ich würde auch gern mal wieder mit Björn Lensig arbeiten. Er hat das Cover zum ersten Album „Kingdoms Of Your Life“ gezeichnet, und wir sind immer noch gelegentlich in Kontakt.

Daniel: Ich finde, das Artwork eignet sich perfekt für eine Vinyl-Version. Soweit ich weiß, hat es von Custard aber tatsächlich noch nie Vinyl gegeben! Wird sich das nun ändern?

Chris: Das ist eine Label-Entscheidung. Die müssen den Rotz ja verkaufen, haha! Hätten wir wohl auch gern gesehen, wird es aber auch zu diesem Album nicht geben, sagt das Label.

Daniel: Mir ist übrigens etwas Witziges aufgefallen, nämlich, dass – seit Olli dabei ist – ausgerechnet Eure Titelsongs alle ziemlich kurz geraten sind; eher wie Intros („Forces Remain“ 2:05 Min, „Infested By Anger“ 1:41 Min und „Imperium Rapax“ 1:48 Min). Eigentlich erwartet man da doch eher einen epischen Longtrack, oder? Ist das tatsächlich Zufall?

Chris: Bei unseren Album-Titeln geht es uns in erster Linie darum, einen Strich drunter zu machen, oder das Große und Ganze zu beschreiben. So wäre es bei dem Album jetzt mit dem Song „Quo Vadis“ geschehen. Stell Dir vor, wir hätten das Album jetzt „Quo Vadis“ genannt. Platter geht´s nicht, oder ? Also haben wir dem Intro den passenden Namen verpasst.

Daniel: Ich weiß, dass die Live-Situation momentan ziemlich bescheiden aussieht. Aber habt Ihr für 2022 schon irgendwas geplant?

Chris: Wir hatten eigentlich für Ende Januar eine Art Release-Party/Gig/Festival in Planung, aber aktuell kann keiner auch nur drei Wochen voraus planen. Das ist echt ärgerlich, und wenn ich mir vorstelle, wir müssten von der Kohle leben, die wir mit Gigs, Merch usw. verdienen, dann wäre das der Hammer. So geht es um ein Hobby; das läuft im Moment nicht so wie wir wollen, doof, aber, hey, scheiß drauf! Mir tun die Profi-Kollegen echt leid aktuell.

Daniel: Ich finde Eure mittelalterlichen Gewandungen auf der Bühne ziemlich geil. Wann und wie kam es zu dieser Idee, und wer hat sie entworfen und angefertigt?

Chris: Haha, damit haben wir beim „A Realm Of Tales“-Album angefangen. Das ist ganz klar nicht jedermanns Sache, und ich kann verstehen, wenn das jemand eher doof findet. Für uns ist es mittlerweile so, dass wir ja bei Gigs nicht nur dafür bezahlt werden, dass wir den Leuten unsere Musik vorspielen. Stell Dir vor, wir singen über heroische Schlachten und tragen dabei einen Adidas-Hoodie, haha! Das passt einfach nicht zusammen. Da sind wir mit unseren Kostümen schon besser aufgestellt. Die Idee kam über Olli und Oscar. Die laufen auch gerne mal „gewandet“ auf Mittelalter-Märkten rum; ich eher nicht so. Die Dinger basteln wir selbst, oder lassen anfertigen (je nach handwerklichen Fähigkeiten). Gerne kaufen wir uns auch irgendwas Fertiges und peppen dann entsprechend auf, oder bauen um.

Daniel: Was steht in naher Zukunft bei Custard an?

Chris: Wir hoffen, dass wir endlich wieder auf die Bühne können, und wir stricken grade am Programm. Wir haben ja nun etliches an Material. Prinzipiell könnten wir drei Stunden Shows machen, aber wir müssen halt oft 45-60 Minuten Sets liefern, da muss man aussortieren. Zudem haben wir jetzt auf dem „Imperium Rapax“-Album viele fette Chöre und Shouts. Die muss man live auch erst mal umgesetzt bekommen. Da müssen wir viel mit technischer Hilfe agieren; das haben wir bisher auch nicht gebraucht. Aber eine Legion aus fünf Mann ist halt eher mager, haha!

custardDaniel: Na gut, Chris! Du bist endlich von dem Marathon erlöst, haha! Dir gebührt das Schlusswort!

Chris: Ein vergleichsweise langes Interview, aber mit wirklich guten Fragen und hervorragendem Hintergrundwissen über Custard! Dafür danke ich! Das Schlusswort will ich diesmal für die oben genannten Profi-Kollegen sprechen. Die stehen momentan echt mit dem Arsch an der Wand. Sobald es die Umstände wieder zulassen, dann geht bitte zu den Konzerten und kauft - sofern ihr könnt - etwas mehr Merchandise als sonst. Durch Spotify & Co. ist eh schon eine fette Einnahmequelle abhandengekommen. Dafür bekommt der Künstler fast nix, das weiß jeder. Kartenverkäufe für Liveshows und Merchandise sind die einzigen Bereiche, wo noch einigermaßen Kohle hängenbleibt. Kauft T-Shirts und auch mal ein völlig überteuertes Tour-Plakat für die Garage, und seht es als Spende. Die Kollegen brauchen Euch jetzt! Danach könnt Ihr dann wieder auf unsere Gigs kommen und uns reich machen, haha!

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Autor: Daniel Müller