IN SOMNIA - Melodic Death Metal oder Metalcore? Weder noch und beides, um ehrlich zu sein!


In Somnia aus Österreich habe ich jetzt erst mit dem neuen, dritten Album „Harlequin" kennengelernt. Sie sind eine Band, die gerne in zwei Nischen gesteckt wird: Melodic Death Metal und Metalcore. So richtig festlegen wollen sie sich selbst nicht. Das hört man beim Hören des Albums zu jeder Sekunde. Ich sprach mit Leadgitarrist und Sänger Simon Andreas Brunner über den Werdegang der Band.

logoDaniel: Hi Simon! Erzähl uns doch zunächst, wie es 2013 zur Gründung von In Somnia kam!

Simon: Servus und vielen Dank für das uns entgegengebrachte Interesse! In Somnia ist eine Nachfolge-Band von Darkest Mile. Darkest Mile wurde 2009 von mir ins Leben gerufen. Nachdem die Band eine komplette Personalrochade hinter sich hatte und mit dem damaligen Schlagzeuger, Mattias Girstmair, sowas wie ein Neustart von Statten ging, haben wir die Band in In Somnia umbenannt und neu ausgerichtet. Jung und mit Scheuklappen agierend war uns damals nicht gewahr, dass eine erfolgreiche Band aus dem Norden einen nahezu identischen Namen trägt. Da zu dieser Zeit aber alle Drucksachen und Grafiken bereits vorhanden waren, haben wir uns für die Flucht nach vorne entschieden und den Namen dennoch behalten, lediglich die Schreibweise wurde verändert. 

Daniel: Hattet Ihr zuvor schon in anderen Bands gespielt?

Simon: Sowohl zuvor als auch derweil. Andi und ich sind bzw. waren Teil einer Rap-Formation, bei welcher er den Bass und ich die Gitarre übernahm. Andi macht das nach wie vor. Flo war bei einer Rock-Formation als Bassist tätig und Dominic in einer Metalcore-Band Schlagzeuger. Für die meisten von uns, da ja nun auch teilweise Kinder im Spiel sind, ist aber eine Band vom Stresspegel her absolut ausreichend.

Daniel: Bei Metal Archives steht, dass Ihr Melodic Death Metal spielt. Wie so häufig bei jungen Bands empfinde ich den Metalcore-Anteil aber als viel größer. Seht Ihr Euch eher als Melodic Death- oder als Metalcore-Band? Oder sind die Grenzen fließend?

Simon: Weder noch und beides, um ehrlich zu sein. Wir waren alle noch nie wirklich Freunde von diesem Schubladendenken, die PR- und Marketing-Maschinerie verlangt es aber. Wir haben mit Sicherheit Metalcore-Einflüsse, und da diese durch Synths unterstützt werden, kommt man daher wohl schnell auf diese zwei Schubladen. Wie auch auf „Harlequin“ zu hören, sind die Einflüsse mannigfaltig und sicher nicht darauf beschränkt. So haben es auch Symphonic-, Polka-, Black-, Death- und Djent-Elemente auf´s Album geschafft, und auch diese „Frechheiten“, die im Titeltrack und bei „Onomatopoesis“ zu vertreten und wohl keiner mir bekannten Richtung zuzuordnen sind.

Daniel: Welche Bands haben Euch beeinflusst?

Simon: Diese Liste ist wohl ausführlich, und ich kann das nur für mich beantworten. Das fängt vermutlich etwas verwunderlich bei der Austropop-Legende Gert Steinbäcker an, geht dann weiter in den Rock, wo vor allem AC/DC, Oopmh!, Korn und Rammstein für mich wichtig waren, und geht dann in die härtere Gangart wo Devildriver, In Flames, Children Of Bodom, Aitvaras, Sepultura und Trivium für mich als Einfluss gelten. Auch der Techno-„Schrott“ der Neunziger, Avril Lavigne, Nena, Bonnie Tyler und Green Day sowie Hans Zimmer und John Williams dürfen auf dieser Liste nicht fehlen. Geht es um die Tiefsinnigkeit von Texten, hat mich Steinbäcker wohl am meisten beeinflusst. Mein Gitarrensound basiert auf dem von Angus Young mit einem extra Tick Verzerrung und etwas weniger Bass. Wo ich mich stimmlich an Children Of Bodom und Sepultura orientierte, so waren es im Songwriting In Flames, Aitvaras und Devildriver – zumindest erkläre ich mir so das, was dabei herausgekommen ist.

Daniel: Worum geht es in Euren Texten? Gibt es so eine Art Kernaussage?

Simon: Es gibt definitiv keine Kernaussage, welche sich über Stücke hinwegsetzt. Der Prozess der lyrischen Aufarbeitung für „Harlequin“ (das Album) war eine echte Tortur. Über Monate hinweg habe ich mich in den Untiefen meines Seins herumgetrieben. Nicht selten hat mir dabei die ein oder andere Flasche den Weg dorthin gezeigt, und nicht selten endete der Schreibprozess in Verzweiflung, Sinneskrisen oder totaler Leere und Depression. Nie zuvor habe ich es gewagt, mich mit meinen Gedanken und mir selbst in dieser Intensität auseinanderzusetzten und das Resultat öffentlich zu präsentieren, wohlwissend, dass ich mich damit der potentiellen Häme im heimischen Talkessel aussetzte und damit auch jenen einen Einblick in meine Seele verschaffe, deren Horizont am Feierabendbier endet und die es sich zur Aufgabe gemacht haben, jedwede Abweichung von Norm und Etikette oder gar das Wesen eines Freigeistes mit Verachtung und Missgunst zu segnen. Genau dies ist auch die Kernaussage von „Guillotine“, auch wenn die Wortwahl etwas verschwommener und poetischer gestaltet ist. Der Titel ist  ein Vergleich des Hinrichtungs-Instrument mit der Gesellschaft, da doch beide in einer kopflosen und leblosen Biomasse resultieren. „Rollercoaster“ behandelt die Sucht und ihre Auswirkungen, das Auf, das Ab und die Konsequenz, während „The Void“ von einem alten Vorfall handelt, welcher mich nach wie vor von stillen Gewässern fernhält. „Ripping The Veil“, einer der düstersten Texte meiner Songwriter-Karriere, ist die Ausgeburt des Sterbens von Entwicklung und Lebendigkeit, die Flucht in den Konsum und die Verarbeitung eines Vaterkomplexes, welches als letztes Lied des Albums so den Kreis zu „Rollercoaster“ schließt. Der Titeltrack „Harlequin“ ist meinem Onkel gewidmet, welcher im November 2018 seiner Sucht erlag. Er war jemand, der nicht ins System passte, so fristete er seine Zeit am Bahnhof und beobachtete das vorbeiziehende Leben. Ich habe dies mit der historischen Figur des Harlekins gleichgesetzt, woraus sich auch der Titel für Song und Album ergaben, eben jemand, der nicht in die Gesellschaft passt und im Verborgenen, oft als Beobachter oder Spiegel, doch ein Teil davon ist. Im Prozess des Schreibens folgte darauf der Text zu „Something Ends, Something Begins“ als kausaler Schluss der Geburt eines Kindes (nicht mein eigenes) auf den vorangegangenen Verlust, wobei im Speziellen die Welt beschrieben wird, in welcher Kinder heranwachsen müssen. „Breathing Soil“ ist eine neuerliche gesellschaftskritische Hommage an den Zeitgeist und „Crossing Styx“ beschreibt in aller Kürze den Weg der Vergänglichkeit. „Onomatopoesis“ – ein Kunstwort angelehnt an die Onomatopoesie - ist rein auf Aggression aufgebaut und eher ein humorvoller Ausreiser aus der sonst so ernsten Tristesse des restlichen Albums.   

in somniaDaniel: Ihr habt bereits drei Studio-Alben veröffentlicht, „Harlequin“ ist aber das erste in Eigenregie. Warum? Gab es kein geeignetes Label, das an einer Veröffentlichung interessiert gewesen wäre? Oder hattet Ihr einfach keinen Bock darauf, dass das dritte Album beim dritten Label erscheint?

Simon: Wir sind für Labels einfach absolut uninteressant. Die Deals, die wir angeboten bekommen haben, dienen in der Regel nur dem Label auf Kosten des Künstlers und in Zeiten von Spin Up und Co in Kombination mit einem takten Promoter werden solche Deals auch schnell obsolet. Aus den Erfahrungswerten der letzten zwei Deals war die Entscheidung mit „Harlequin“, trotz mehrerer Angebote, ohne Plattenfirma ins Rennen zu gehen wohl eine obligatorische.   

Daniel: Wie lange hat es gedauert, die Songs für „Harlequin“ zu schreiben und aufzunehmen?

Simon: Ich habe im Oktober 2018 mit „Rollercoaster“ und „Guillotine“ begonnen, im November kam dann „Harlequin“ hinzu. Grundsätzlich schreiben wir die Musik zuerst, und ich würge dann, wenn ich die vollendete Stimmung des Songs erahnen kann, die Wörter in die Zeilen. Wie lange das alles gedauert hat, ist leider nicht mehr nachzuvollziehen. Erstens habe ich dreizehn Songs für die Scheibe geschrieben und dafür auch die Pre-Production erstellt. Zweitens musste das Studio, in dem wir aufnehmen würden, wortwörtlich erst gebaut werden. Drittens haben wir beschlossen, von der Stimmung der ersten zwei Alben (Drop-C) auf zu nächst Drop-A# und dann auf Drop-A zu wechseln, was neuerliche Aufnahmen zur Folge hatte, und viertens haben wir tatsächlich dieses Mal vor der Aufnahme geübt, zumindest soweit dies pandemietechnisch möglich war. Somit geht mit dem heutigen Release von „Harlequin“ eine dreijährige Periode zu Ende und hinterlässt Erleichterung sowie auch eine Leere.  Nebenbei haben wir auch einige Cover-Songs aufgenommen, welche wir zu gegebener Zeit präsentieren werden. 

Daniel: Wo habt Ihr aufgenommen, und wer hat produziert?

Simon: Ich habe ein altes Haus gekauft und den Keller wie auch den Wintergarten zur Nutzung durch ein Tonstudio okkupiert, wobei die gesamte Band plus Crew in den Umbau involviert war. Das Album wurde dort von uns in Eigenregie aufgenommen und produziert und von meinem langjährigen Freund Mattias Girstmair (Echopolis Productions) in Wien gemischt und gemastert. Wir hatten sogar die Möglichkeit, ein Live-Drumset zu verwenden und es über vierzehn Lewitt Mics zu tracken, was auch dem einzigartigen Sound des Albums zuträglich war.

Daniel: Wurde der Aufnahme-Prozess durch Corona beschleunigt, da Live-Auftritte in dieser Zeit nicht stattgefunden haben?

Simon: Leider war das Gegenteil der Fall. Die Krise hat uns im Studiobau und auch in den Aufnahmeprozessen gehemmt. In Tirol gab es gar das Verbot, das eigene Gemeindegebiet zu verlassen – gepaart mit nächtlicher Ausgangssperre war das ein perfekter Cocktail, der uns so manches vereitelt hat. Trotzdem konnten wir das Release-Datum halten, das mit nichten zufällig gewählt ist und auch lange im Voraus geplant war. Das einzige, was ich dieser Krise „abgewinnen“ konnte ist, dass der erhöhte seelische Druck durch den Ausfall persönlicher Kontakte immens anstieg, was sich auch auf die Atmosphäre des Albums niedergeschlagen hat.

Daniel: Apropos Live-Auftritte: Ist da in naher Zukunft wieder etwas geplant?

Simon: Die Anstrengungen der vergangenen Jahre dürsten jetzt nach dem Release nach Urlaub. Andi ist gerade erst wieder Vater geworden und auch Dominic, der unter der Woche fernab der Heimat arbeitet, hat ein kleines Kind zuhause, und meine Situation (Ich arbeite als Programmierer und schließe voraussichtlich im Juli 2022 meinen Bachelor in Wirtschaftsinformatik ab) lässt auch kaum zeitlichen Spielraum.  Mein persönliches Ziel wäre allerdings, bis September 2022 zumindest eine kleine Live-Produktion auf die Beine zu stellen und hoffentlich der Pandemie zum Trotz die ein oder andere Nummer von „Harlequin“ auch in Deutschland darbieten zu dürfen.

Daniel: Hattet Ihr in Eurer Heimat schon einmal die Möglichkeit, im Vorprogramm von größeren Bands zu spielen?

Simon: Irgendwo ist ja jede Band, die uns im Vorprogramm spielen lässt, eine größere Band als wir. Deez Nuts, We Blame The Empire und Bad Ass Sound Factory sowie unsere Freunde von Hard Excess, Calverine und Irdorath könnten wir hier nennen

Daniel: Was ist in Zukunft bei Euch noch so geplant?

Simon: Ich denke, „Harlequin“ wird das letzte Album von In Somnia sein. Alben verkaufen sich einfach nicht mehr, und durch das Veröffentlichen eines solchen schöpft man sein Potential nicht richtig aus, da inzwischen eh (österreichisch für ‚sowieso‘) zwei-drei der Songs oft gar nicht mehr angehört werden. Somit werden wir uns in Zukunft auf Single-Releases spezialisieren und auch im Anschluss an die „Harlequin“-Release-Periode (Es wird ja pro Monat ein Song via Streaming released) mit Singles wieder melden. Auch die bereits erwähnten Covers wird es zu gegebener Zeit zu hören geben.

in somniaDaniel: Na gut, Simon! Das Schlusswort gehört Dir!

Simon: Ich möchte mich bei allen Fans, Unterstützern und Mitarbeitern der Band herzlich bedanken! Mir ist bewusst, dass die eingeschlagene Richtung eine ganz Spezielle ist, eine Nische und Laune der Natur. Umso schöner ist es zu sehen, wenn man damit die Herzen von Menschen erreichen, sie teilweise durch Glück und Misere begleiten und bei Live-Shows in Rage versetzen kann. Die Unterstützung Freiwilliger vermag zu Tränen zu rühren, da jeder von ihnen in der Produktion alles gab, was er/sie hatte, ohne Aussicht auf finanzielle Kompensation und ohne Anspruch auf das Geleistete zum Besten meine Visionen verwirklichte. Wir sind die Summe unserer Teile, ein Netzwerk von Künstlern in einer Kleinstadt umringt von über 300 Gipfeln oberhalb 3000 Meter über Adria – diesen Menschen gilt nicht nur mein Dank, sondern auch mein zutiefst empfundener Respekt! In diesem Sinne und gemäß unserem Motto, wir sehen uns, wir kommen mit dem Tauernwind!

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Autor: Daniel Müller