KIRCHENBRAND - Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, der widerlichen Welt den Spiegel vorzuhalten!


Kirchenbrand bleiben kontrovers. Provoziere und Anecken gehören her zum Alltag, und dabei wird kein Blat vor den Mund genommen und schonungslos ausgeteilt. Mit dem neuen Album „Vermächtnis" gibt es zum fünfzehnjährigen Jubiläum der Ein-Mann-Band ein Konzept-Album über Serienmörder. Was in den letzten Jahren zwischen unseren beiden Interviews passiert ist, was es mit all den Provokationen auf sich hat und wie es demnächst mit Kirchenbrand weitergeht, erklärt Einzelkämpfer Christcrusher ausführlich.

logoDaniel: HELL-ö Christcrusher! Die komplette Bandgeschichte von Kirchenbrand hatten wir ja bereits bei unserem letzten Interview durchgekaut. Lass uns also bei dem weitermachen, was danach geschah, okay?

Christcrusher: Hallo Daniel! Sehr gerne und danke dafür, dass Du die Eier hast, mit der offenbar derzeit meistgehassten Band der Black Metal-Szene ein Interview zu führen.

Daniel: Nach „Gegenkultur“ kam zunächst die EP „Hundefutter“ im Stil einer Maxi-CD aus den Neunzigern. Welche Idee steckte hinter dieser Aufmachung?

Christcrusher: Das war die „Kein Herz Für Menschen“ EP. „Hundefutter“ gibt es nur als 7“-Vinyl-EP. Der Neunziger-Stil der Maxi ist eine Hommage an eine bessere Zeit, in der Musik noch gelebt und wertgeschätzt wurde. Früher sollten die Maxis die Leute auf ein Album anheizen. Diese EP sollte allerdings einen echten Mehrwert bieten. Die Idee mit alternativen Versionen vom damals kommenden Album „Antihumanismus“ entstand, da ich erstmals in einem Albumprozess von drei Liedern alternative Versionen hatte. Für die Fans ist es sicher interessant zu hören, wie ein Lied im Demostadium klingt. Daher hat Terror Records auch diese Lieder in der Form veröffentlicht.

Daniel: Du bist insbesondere mit zwei EPs in der Szene erheblich angeeckt, nämlich mit „Liebesgrüße aus Braunau“ (diese sogar in aneckender Vinyl-Farbkombination!) und „Böser Onkel“. Provokation schön und gut, aber hast Du Dich damit nicht in eine Ecke katapultiert, in die Du eigentlich nicht hingesteckt werden willst (Stichwort „Grauzone“ etc.)? Und geht es Dir nicht total auf den Sack, Dich deswegen ständig für alles rechtfertigen zu müssen?

Christcrusher: Seit wann ist es denn „Grauzone“, die gesamte Menschheit zu hassen? Und seit wann soll Black Metal nicht mehr provozieren? Klar ist der Titel plakativ und platt, aber ich komme nun einmal aus Braunau und mache daraus auch keinen Hehl. Die meisten hier sagen ja allen Ernstes, dass sie „aus der Nähe von Salzburg“ kommen, was ich komplett bescheuert finde. Jeder, der sich mit Kirchenbrand ernsthaft beschäftigt, wird sofort merken, dass die Band Nihilismus pur ist. Diese Band ist Gegenkultur und steht für sich alleine. Ich liebe die Natur über alles und verachte die Menschheit, die sie zerstört. Darauf baut alles auf, und ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, der widerlichen Welt den Spiegel vorzuhalten. Auch die Lieder der EP waren Kirchenbrand pur, und für die Farbkombination des Bundles war damals das Label verantwortlich. Standardmäßig gab es damals eine schwarze EP, in Anspielung auf Österreich sollte es auch zusätzlich eine rote und weiße geben. Ich verstehe das ganze Geschiss um Farben ohnehin nicht. Mir persönlich gefällt die bernsteinfarbene Version vom Schädelberg-Vinyl-Album am besten. Wer sich die EP angehört hat, weiß jedenfalls, dass auch sie - genau wie alles von Kirchenbrand - absolut unpolitisch ist, denn ich hasse die ganze Menschheit, und menschliche Politik geht mir gepflegt am Arsch vorbei! Die Onkelz-Sache war allerdings eine echte Herzensangelegenheit für mich, und ich werde mich dafür auch nicht rechtfertigen. Die haben wohl auch nichts mit Grauzone zu tun.

Daniel: Inwieweit haben Dich denn Böhse Onkelz musikalisch beeinflusst? Hin und wieder nimmt man bei Kirchenbrand ja schon einen starken Punk-/Oi!-Einschlag wahr.

Christcrusher: Ursprünglich wollte ich nur „Nekrophil“ covern und als Bonus Track auf ein Album packen, aber dann entstand aus Spaß an der Freude auch noch „Stunde Des Siegers“, und die EP war der nächste logische Schritt. Wofür sollte ich mich denn rechtfertigen, wenn ich mit den Onkelz aufgewachsen bin und die alten Sachen immer noch gerne höre? Die Onkelz selbst spielen diese Lieder ja ebenfalls immer noch. Es mussten jedenfalls Lieder sein, die zu Kirchenbrand passen, also brutal und räudig klingen. Dass das manche Gestalten wieder „untrue“ finden, war mir völlig klar, aber ich mache generell nur das, worauf ich Bock habe, denn nur das erhält die Motivation, neue Tonträger zu veröffentlichen. Du hast übrigens vollkommen recht: Ich habe früher sehr viel Punk und Oi gehört und war schon immer jemand, der sowohl Vorkriegsjugend als auch die Onkelz hören konnte. Diesbezüglich habe ich keine Scheuklappen und schäme mich auch nicht dafür. Aktuell höre ich übrigens fast nur noch alten Hardrock, habe aber nicht die geringste Angst, dass das jemals auf Kirchenbrand abfärben wird.

Daniel: Lass uns mal über das neue Album „Vermächtnis“ reden! Die CD-Version ist mit der Aufschrift „15 Jahre Menschenhass“ etwas verwirrend, denn sie sieht aus wie eine Compilation zum Band-Jubiläum, die sie aber nicht ist…

Christcrusher: Das Jubiläum ist heuer mit der Veröffentlichung des neuen Albums „Vermächtnis“ zusammengefallen, daher wollten Label und Band es auch gebührend feiern. Die Jewelcase und alle anderen Versionen enthalten das 12-seitige Booklet, auf dem wieder die hübsche Xarah von den Vielenregen zu sehen ist. Konstanz ist schon wichtig. Die Aufschrift bzw. das Jubiläumslogo haben nur die streng limitierten Versionen bekommen, einfach um mit den treuen Fans 15 Jahre Kirchenbrand zu feiern. Es gibt davon übrigens auch einen Patch und ein Shirt.

Daniel: Die neue CD ist wieder streng limitiert. Es gibt hundert CDs als Standard-Version und je fünfzig als Holzbox und Metallbox. Gemessen an den Kosten: Rentieren sich solche Kleinstauflagen überhaupt? Es gab ja früher auch mal tausend Einheiten von Kirchenbrand-CDs…  

Christcrusher: Es gibt hundert Digipacks, aber dreihundert Jewelcases und somit eine Fünfhunderter Gesamtauflage. Terror Records und ich wollen Zeiten seelenloser Downloads den Leuten wirklich einen Mehrwert dafür bieten, wenn sie sich für das Original entscheiden. Daher gibt es das neue Album in vier schönen Versionen. Die edelste davon ist eine schwarze Holzbox mit eingefrästem Logo und Magnetverschluss inklusive fünf Postkarten. Darüber hinaus gibt es eine limitierte Blechbox mit abgestempelter Postkarte, einen handnummerierten Digipack mit alternativem Artwork und eben die Jewelcase-Version. Vinyl ist allerdings derzeit nicht geplant. Wahrscheinlich wird ohnehin das letzte Mal so extrem geklotzt, aber fünfzehn Jahre Band-Jubiläum wollen auch gefeiert werden.

Daniel: Bei „Vermächtnis“ handelt es sich – grob gesehen – um ein vages Konzept-Album über Massenmörder. Wenn man bei Wikipedia etwas dazu nachliest, dann sind die Details nicht immer genau geschrieben. Woher nimmst Du die Inspiration für diese direkten Texte? Hast Du irgendwelche Quellen?

Christcrusher: Ein Konzeptwerk ist es definitiv nicht geworden. Mein Anspruch an das aktuelle Werk war es, die Brücke von den Anfangstagen zur Gegenwart zu schlagen, und darum stehen nun neben aktueller Systemkritik auf „Ratte“ oder „Wolf Unter Schafen“ auch Serienmörder-Schlachtplatten wie „Blutdurst“ oder „Todestrieb“, die textlich auch gut auf die Frühwerke gepasst hätten. Es gibt mit „Abartig“ ja auch ein Lied über den perversen Marquis de Sade auf dem neuen Album. Die langjährigen Fans werden sich mit Sicherheit darüber freuen, dass es diesbezüglich wieder zu den Wurzeln zurückgeht.

kirchenbrand Daniel: Welche Faszination haben Massenmörder wie Albert Fish oder Ted Bundy für Dich? Ist es wie zum Beispiel das Anschauen eines Horrorfilms?

Christcrusher: Sich mit tatsächlichen Grausamkeiten und Abgründen von diesen Menschen auseinanderzusetzen, hat eine ganz andere Qualität als ein fiktiver Horrorfilm. Alle beschriebenen Taten von Bundy, Fish der dem Marquis haben auch tatsächlich so stattgefunden und zeigen einmal mehr auf, dass der Mensch das mit Abstand gefährlichste und grausamste Wesen auf diesem Planeten ist. Im Grunde untermauern solche Dinge ja nur, was ich von der Menschheit denke. Ich habe mich in zahlreichen Büchern und Dokumentationen sehr genau mit den abartigen Taten dieser Leute beschäftigt und mich an die Fakten gehalten. Wenn das jemanden noch schockiert, empfehle ich einen Besuch im Schlachthof.

Daniel: Ich finde es faszinierend, dass alle Deine Texte in einem strikten Versmaß verfasst sind, was schon irgendwie einen Hauch von Kunst vermittelt. Wie lange dauert es bei Dir, bis Du mit einem Text völlig zufrieden bist?

Christcrusher: Vielen Dank! Die Texte sind tatsächlich schon vorher in meinem Schädel, und die Musik wird dann um die Textideen herum geschrieben, um ihnen einen entsprechenden Rahmen zu verpassen.

Daniel: Ich finde den Schlagzeug-Sound teilweise seltsam auf dem Album. Manchmal hört man alles gut raus, manchmal klingt es schwammig, und man hört die einzelnen Anschläge nicht raus. Pendelst Du zwischen realem Schlagzeug und Drumcomputer?

Christcrusher: Das gesamte Schlagzeug ist wieder programmiert. Ich arbeite seit „Abgang“ mit unterschiedlichen Sounds und bastle immer wieder rum, um mich nicht ständig zu wiederholen. Ist mir bislang definitiv nicht aufgefallen, und mir ist auch noch nicht berichtet worden, dass das zeitweise „schwammig“ klingen würde. Im Gegenteil: Ich glaube, dass noch kein Kirchenbrand-Album so einen guten Sound hatte wie dieses.

Daniel: Wo nimmst Du überhaupt auf? Hast Du ein Heimstudio?

Christcrusher: In der Tat nehme ich bei mir daheim am PC auf. Alle Instrumente außer dem Schlagzeug werden live eingespielt, und der Gesang wird sehr zum Leidwesen der Nachbarn auch lautstark in meiner Bude aufgenommen.

Daniel: In unserem letzten Interview hattest Du als Einflüsse unter anderem Bands wie Dissection, Emperor oder Satyricon genannt, alles Bands, die technisch sehr versiert sind. Wie kommt es dann, dass Kirchenbrand auf dem neuen Album immer noch so verdammt schrammelig klingt?

Christcrusher: Weil ich das genauso haben will. Kirchenbrand ist das Biest, das aus den Boxen springt, Dich am Nacken packt und kräftig durchschüttelt. Wenn Du hören willst, wie meine Musik mit Studioproduktion klingt, empfehle ich dir die beiden Thy Nemesis-Alben, die ich damals im CCP Studio aufgenommen habe. Dieser sterile Sound passt aber heute nicht mehr zu einer Band, die Dir räudig, brutal und unerbittlich aus den Boxen kotzt, wie beschissen doch die Menschheit ist. Genannte Bands finde ich übrigens immer noch geil. Ich habe mir gerade erst die Dissection-Tape-Box geholt.

Daniel: Lass uns mal über Dein misanthropisches Image reden. Ich finde, dass Deine Texte teilweise so sarkastisch und überzogen klingen, dass ich auch mal lachen muss! Wie viel Klischee und wie viel Überzeugung steckt wirklich in Deinen Texten?

Christcrusher: Ich gehe bestimmt nicht zum Lachen in den Keller und formuliere natürlich manches sehr überspitzt, was ja auch völlig legitim in der Kunst ist,  dennoch bin ich definitiv ein überzeugter Misanthrop, das ist kein Image. Keiner kann es sich offenbar vorstellen, aber in meiner Freizeit bin ich immer alleine in der Natur unterwegs, und ein wöchentlicher Einkauf ist mir mittlerweile ein Gräuel. Ich halte diese Ansammlungen von Vollidioten einfach nicht mehr aus. Wer viel mit Menschen zu tun hat, beginnt sie irgendwann zu hassen, und wer noch immer nicht sieht, dass wir uns alle gemeinsam mittlerweile in einer massiven Abwärtsspirale befinden, der hat den Schuss nicht gehört. Es gibt einfach viel zu viele von uns. Das ist das Problem.

Daniel: Bist Du wirklich der Misanthrop, der Du vorgibst zu sein? Hängst Du nur allein zu Hause rum, immer schlecht gelaunt, ohne lachen, ohne Freunde, ohne Partys, arbeitest Du mit anderen Menschen zusammen, hast Du eine Freundin? Was für ein Mensch ist Herr Christcrusher privat? Und inwieweit unterscheidet er sich von dem Musiker auf seinen Veröffentlichungen?

Christcrusher: Wie gesagt: Humor ist mir definitiv wichtig, aber dazu brauche ich keine anderen Leute. Ich bin tatsächlich meist alleine daheim, aber nicht einsam dabei. Ich bin froh, meine Ruhe zu haben und nutze diese Zeit für gute Musik, ein gutes Buch oder einen Film. Ein Partytiger war ich noch nie. Das Thema Beziehungen hat sich für mich auch nicht bewährt. Natürlich hatte ich früher etliche Freundinnen, aber heute beschränke ich mich aufs „Wesentliche“, und wer ein Glas Milch will, stellt sich auch keine Kuh in die Küche, oder? Der private Christcrusher ist ein naturbezogener Einzelgänger, der für die Musik lebt und das liebt, was er macht. Auch wenn meine Feinde das nicht akzeptieren können oder wollen: Ich liebe, was ich mache, und ich mache es aus Überzeugung. Die einzige Zusammenarbeit, die gut klappt, ist die mit Terror Records. Ich bin immer noch mehr als zufrieden mit meinem Label und dankbar für die hohe Qualität, in der meine Veröffentlichungen erscheinen können.

Daniel: Mal etwas anderes: Die Progressive Death Metal-Band Scargod hat 2019 ein Album namens „Krankheit Mensch“ veröffentlicht. Dass Kirchenbrand ebenfalls 2010 ein Album mit diesem Titel hatten, und beide Bands auch aus Österreich kommen, ist doch sicherlich kein Zufall, oder? Kennst Du das Album? Und was denkst Du über diese Sache?

Christcrusher: Ich war auf dem Debüt-Album dieser Band sogar noch als Gastsänger zu hören! Deren Bandkopf Martin kennt natürlich alle meine Sachen, daher war ich natürlich angepisst, als er sich den Titel einfach gekrallt hat, aber hey, dafür dass Kirchenbrand doch so eine verhasste Band ist, holen sich doch viele Leute Inspiration bei mir. Fällt mir immer wieder auf.

kirchenbrand Daniel: Eine weitere Sache hat kürzlich für Aufregung gesorgt: Bei Metal Archives wurde eine Kirchenbrand/Kanonenfutter Split-CD eingestellt, die wohl nicht offiziell ist. Was hatte es damit auf sich? Worum ging es da genau?

Christcrusher: Es ging darum, seitens der Konkurrenz beiden bei der „Szenepolizei“ offenbar gleichermaßen verhassten Bands massiv zu schaden. An deren seltsamen Elite-Gehabe beteilige ich mich nicht, zumal ich Kanonenfieber selbst richtig gut finde und das Album in zwei Versionen daheim habe. Darüber hinaus hat es eine andere Band offenbar nötig, mit einem „Anti-Kirchenbrand-Shirt“ um die Ecke zu kommen, um die eigene Bekanntheit dadurch zu steigern. Parallel dazu werden nun sogar Label und Shop mit Boykottaufrufen und Dreck überschüttet. Es geht gerade nur noch um Neid und Missgunst und darum, die Konkurrenz zu erledigen. Der Zusammenhalt von einst hat sich in dieser Szene lange erledigt. Ich habe mich noch nie an der ganzen Kacke beteiligt und lasse lieber meine Musik für sich selbst sprechen. Das ganze kindische Theater hat mittlerweile schon wahrlich Hip Hop-Niveau erreicht. Darum bin ich stolz darauf, Gegenkultur dazu zu sein.

Daniel: Was steht in Zukunft noch bei Kirchenbrand an? Hast Du schon wieder konkrete Pläne?

Christcrusher: Nein, denn ich habe mich das ganze Jahr ausschließlich um „Vermächtnis“ gekümmert. In dem Album steckt all mein Herzblut und die Essenz von Kirchenbrand. Ich freue mich darauf, wenn es die Kirchenbrand-Armee endlich in die heimische Anlagen wirft und die Nachbarschaft damit nervt. Die Zukunft liegt wie immer in der Hand der treuen Fans. Nur wer Originale kauft, unterstützt den Untergrund. Ihr habt es in der Hand! Ich danke allen, die diese Band auf ihrem steinigen Weg unterstützt haben und trotz all der massiven Hetze weiterhin unterstützen!

Daniel: Na gut, Christcrusher! Dann gebührt Dir noch das Schlusswort!

Christcrusher: Kirchenbrand bleibt im Gedächtnis und nur mein Hass bleibt mein Vermächtnis!

https://www.facebook.com/Kirchenbrand/



Autor: Daniel Müller