FOOLS ERRANT - Von der Abi-Band zum überregionalen Hero


Jeder will Musiker werden, haha. Oder nicht? Weshalb ein mancher Erfolg hat oder der andere nicht, wird man wohl richtig deuten können. Fakt ist die Karrieren sind meist nicht von der Gunst des Hörers gekrönt. Die meisten Bands schaffen es nie nach oben. Wieder anderen legen einen Kick-Start hin und werden Ratzfatz als heißes Eisen gehandelt. Meist ist es jedoch wie bei der Ruhrpott-Formation Fools Errant, die jahrelang spielten, erst spät und nach etlichen Bühnen eine CD auf den Markt bringen und dann als Opener für größere Acts, in diesem Falle Steel Panther, agieren. Lassen wir mal die Jungs selbst zu Wort kommen, die sich zu einem Kaltgetränk in meinem Wohnzimmer eingefunden haben.

logoSteve: Die berühmten Worte zur Bandgeschichte bitte!

Raphael: Das fing an, als wir für die Abi-Band Stücke einstudierten. Danach wollten wir musikalisch am Ball bleiben. Unser damaliger Gitarrist bestellte sein Instrument aus dem Quelle-Katalog, haha. Nicos Eltern hatten in Duisburg einen Angelladen, und da probten wir immer im Keller. Eine Meter Fünfzig Deckenhöhe... sehr geil. Wir hatten Glück und bekamen alsbald die Gelegenheit für die ersten Auftritte. Jascha gewannen wir aus einer anderen Formation, in der er noch Bass spielte, und somit kam es für ihn zu ein oder zwei Soli als Gitarrist für unsere erste Veröffentlichung „Vindicated“ aus dem Jahr 2009.

Jascha: Privat habe ich überhaupt gar keine Bass gespielt. Als Musiker bin ich da so reingerutscht. Ich wollte immer lieber Gitarrist sein.

Raphael: Wir hatten das Glück, das unser Konzert damals im Parkhaus Meiderich in Duisburg ausverkauft war. Im Zuge dessen bekamen wir Kontakt zum Duisburger Kulturbüro. Wir bekamen einen Auftritt beim Euro-Rock Festival. Da spielt man mit Truppen aus den Partnerstädten, leiht sich gegenseitig Musiker aus und spielt Songs in gemischten Formationen. Das gibt Auftritte in verschiedenen Ländern, und so konnten wir unser Spektrum erweitern. Im gleichen Jahr durften wir Peter Bursch begleiten und einen Gig in Russland spielen. Wieder hatten wir Fortuna auf unserer Seite. Damals waren wir ohne Bassist, und der bekannte Musikproduzent Micki Meuser (Die Ärzte, Ideal, Silly), ebenfalls an Initiator des Euro Festivals, war vor Ort und half uns aus. Wir haben viele positive Erfahrungen gemacht, die andere Menschen vielleicht nicht so erleben, wenn sie im Verein sind oder was weiß ich.

Nico: Später kam der Martin an der Rhythmus-Gitarre dazu. Na ja, und am Bass hatten wir immer eine große Fluktuation. Auf jeden Fall haben wir sieben Mann verschlissen, bis im Jahr 2013 der Dirk zu uns stieß. Er ist sehr produktiv, versiert mit dem Songwriting. Er ist halt Progger und hat immer Ideen. Als ultiinstrumentalist hat er gleich alles fertig, wenn er im Proberaum aufschlägt. Richtig geil, aber manchmal auch „too much“. Da halt jeder so seine Art, in der Band zu funktionieren. Klar, nach der vierten Scheibe können wir von „unserem Ding“ reden.

Raphael: Tja und dann lief es erst mal: Olga-Rock, Extraschicht, und dann hatten wir das Social Media-Voting vom WDR gewonnen. Das brachte uns einen Gig vor circa 16.000 Zuschauer.

Steve: Wie kam es zum Gig vor Gotthard auf dem Duisburger Festival?

Nico: Das ist der Tag nach dem Haniel Klassik Open Air. Da rocken dann die Bands die Hütte. Das lief auch über das Kulturbüro. An dem Tag spielte ja auch die Peter Bursch All-Star Band.

Steve: Und wie seit Ihr zum Auftritt mit Steel Panther gekommen?

Nico: Wenn eine neue Scheibe rauskommt, steckst du halt mehr Geld ins Booking, klapperst die Agenturen ab und meist kommt eine Absage. Natürlich wäre uns eine ganze Tour lieber gewesen, aber Steel Panther waren nur für zwei Shows in Deutschland. Wir hatten dann einen Fuß in die Tür gekriegt, aber aufgrund dessen, dass ich nach einem sechzehn Stunden Flug erst am Freitag aus dem Urlaub wieder kam, wollten wir auf Nummer sicher gehen und entschieden uns, nur für Samstag zuzusagen. Die Fans waren begeistert. Ein mancher war an beiden Abenden in der
Essigfabrik in Köln und fand die Vorband von Freitag gut, aber wir hätten noch eine Schüppe draufgelegt. Das hört man gerne.

Steve: Ja ich war überrascht, wie gut das Publikum abging. Vorher hätte ich da keine fünfzig Cent drauf gewettet, weil Steel Panther echt speziell sind.

Raphael. Wir hatten unser Programm genau auf den Abend zugeschnitten. Das war perfekt und fing gleich an mit einem Knall; sofort fette Gitarre.

Steve: Also Jascha, da muss ich Dir mal ein ganz großes Lob aussprechen. Ich habe Euch jetzt drei Mal live gesehen, und Du machst eigentlich einen sehr unscheinbaren Eindruck, aber wenn Du Gitarre spielst... Du hast das Gefühl der ganz, ganz Großen.

Jascha: Das hört man gerne... Danke!

Raphael: Ja, wir haben ihm auch nahe gelegt zu posen, aber er hat einfach Narrenfreiheit, zieht sein Ding durch und fertig, haha. Diesen ganzen Erfahrungen stecken auch im Albumtitel „Decade“, wenn ich mal den Kreis schließen soll, obschon wir mittlerweile über eine Dekade hinaus sind. Aber es ist ein Lebensabschnitt mit wertvollen Erfahrungen und das Ergebnis dieser Formation.

Steve: Und der Name Fools Errant? Da hätte ich schon eher an eine Progressive-Band wie Marillion gedacht.

Nico: Ein Wörterbuch und eine Flasche Weinbrand brachten uns zum Ziel, obschon man Errand ja mit „T“ schreibt. Der Name ist halt doppeldeutig. Zum einen herumirrende Idioten mit „T“ und zum anderen quasi „die vergebliche Mühe“ mit „D“.
Raphael: Irgendwie passte Alles. Wir hatten nie wirklich einen Durchhänger, haben immer zusammengehalten. Es gibt keine Band in Duisburg, die älter ist als fünf Jahre. Wenn ich unsere Konzertplakate sehe, sind nur noch wir dabei. Alle anderen Bands sind weg vom Fenster.

Nico: Es ist ja auch hart. Wir haben mit studierten Profis vor fünf Mann gespielt. Wenn ich früher zu Core-Gigs ging, waren immer dreißig bis hundertfünfzig Mann da. Heuer geht niemand mehr auf kleine Gigs. Da gibt man lieber hunderte von Euros für große Namen aus.

fools errantSteve: Das war aber auch früher so, als ich noch Musiker in den Achtziger Jahren war. Das war im Ruhrgebiet nicht so einfach. Dazu war dein Status eher der eines Assi mit langen Haaren. Ich habe in den letzten Interviews, wo dieses Thema eigentlich immer zur Sprache kam, die Musiker gefragt, auf welches „kleine“ Konzert einer relativ unbekannten Band sie selber in letzter Zeit waren. Großes Achselzucken...

Raphael: Das ist bei uns schon anders. Wir haben vor Kurzem erst unsere Freunde von Echo Appartment im Grammatikoff angeschaut.

Steve: Wie habt Ihr jetzt die Corona-Zeit genutzt?

Nico: Erstmal war das ein Schlag ins Gesicht. Klar, wir hatten ein paar Gigs aufgetan, Festivals am Start, das Geld war eingeplant, und dann war plötzlich Feierabend.

Steve: Geld einplanen, das nicht in der Tasche ist? Schlechtes Konzept...

Raphael: Ja, es waren Gigs, die wir jedes Jahr spielen, und die Gage stand fest. Ich meine, wir müssen ja nicht von der Musik leben. Wir haben alle andere Eisen im Feuer.

Nico: Wir hatten ja große Ausgaben für Equipment und der CD Produktion. Klar, bei einem „Hobby“ zahlt man immer drauf, aber es ist schön, wenn auch wieder was reinkommt. Zudem konnten wir das Album nicht präsentieren. Schließlich wären ebenso viele neue Venues dabei gewesen. Orte im Münsterland und Süddeutschland, wo viele neue Zuhörer gekommen wären. Na ja... alles abgesagt. Es gab später zwar ein paar Angebote, wie Autokino oder Stradkorb-Gigs, jedoch so kurzzeitig angesetzt, dass wir beruflich nicht annehmen konnten. Ein bisschen Vorlauf brauchen wir auch.

Steve: Und was macht Ihr mit den Medien, um aktiv zu bleiben? Ich habe nämlich festgestellt, dass, insbesondere von den Musikern, die ich privat kenne, nichts an mich herangetragen wird. Die meinen alle, ich sehe das von alleine und habe jeden Act vielleicht auf Facebook regelmäßig auf dem Schirm. Da passiert bei vielen Acts zu wenig oder gar nichts. Früher hätten wir uns über das Internet sehr gefreut. Ich entdecke beinahe schon eine gewisse Arroganz, so unter dem Motto: „Hallo... Wir sind wer... Man kann uns hinterherlaufen“. Da seid Ihr
ganz anders...

Nico: Also von den letzten sechzehn Monaten haben wir in dem ersten Jahr fast jeden Tag, allein schon, um die CD anzukündigen, Posts in die Welt geschickt. Tja, und dann kam Corona. Wir hatten uns circa über zwei Monate nicht zum Proben getroffen, und dann geht langsam der Stoff aus. Wir haben uns erst mal an die Corona-Verordnungen gehalten, bis alles wieder gelockert wurde. Wir teilen und danken gerne für die Arbeit die andere für uns gemacht haben. Oder Menschen wie Du, die sich Zeit nehmen, ein Interview zu machen. Keine Ahnung, warum sich viele Bands da schwer tun. Klar muss nicht alles perfekt sein, wenn einer seine Meinung äußert, aber wenn jemand zum Konzert kommt, Fotos macht und einen Bericht schreibt, hat er es verdient, erwähnt zu werden.

Raphael: Anfänglich habe ich auch gedacht, super kreativ zu sein. Aber es passiert halt nichts, und irgendeinen Corona-Song wollten wir auch nicht komponieren.

Steve: Und textlich? Du sagst, Du schreibst keinen Corona-Song, dann
gibt es lyrisch auch keinen erhobenen Zeigefinger?

Raphael: Nein, einfach entweder „frei Schnauze“ oder Dinge, die einen persönlich betreffen; allerdings nicht zu privat, sondern eher etwas abstrakt dargestellt. Mit Abstand und immer im Blick, dass wir keine politische Band sind. Wir wollen die Leute nicht belehren, eher einfach nur gute Rockmusik machen. Manchmal juckt es natürlich in den Fingern, aber der Text ist immer das Letzte, was bei uns zustande
kommt. Jeder gibt Textvorschläge, aber ich denke, wir sind da nicht so ganz fokussiert wie bei der Musik. Wir sind eben nicht darauf fokussiert, den Zuhörern eine Message zu liefern. Dabei sind wir sehr selbstkritisch und schauen nochmal mit dem Blick von außen auf die Sache. Und das gilt für alle Aspekte unserer Musik, aber wir wollen eher Spaß an der Sache haben.

Nico: Ich sehe mich halt nicht als den großen Aufklärer, der die Plattform Musik nutzen muss. Jeder soll so leben, wie er möchte. Wir haben die Meinungsfreiheit, und ich möchte den Leuten nicht vorschreiben.

Raphael: Natürlich sind wir uns darüber im klaren, dass wenn wir hierzulande finanziell erfolgreich sein wollen, so etwas wie eine Message haben müssen. Du musst entweder polarisieren, bekloppt sein oder ein Lebensgefühl vermitteln wollen oder einfach eine kranke, abgefahrene Message haben. Oder wie Eskimo Callboy in Tierkostümen auf die Bühne huschen. So entstehen halt Fan-Gemeinden.

Steve: Also das Image sehe ich in Deutschland nicht ganz so wie Ihr. Die erfolgreichen Bands, die ich kenne haben diese Version nicht am Start.

Raphael: Wen meinst Du jetzt?

Steve: Pink Cream 69.

Raphael: Kenne ich nicht.

fools errantSteve: Blind Guardian, Helloween, Silbermond, haha.

Raphael: Marius Müller Westernhagen hat mal gesagt: „Die Leute wollen nicht emotional oder intellektuell bespaßt werden. Sobald ein Solo im Radio ansetzt, wird der Song ausgeblendet. Geht er länger als 2:30 Minuten, wird er ausgeblendet.“ Genauso ist es.
Nico: Es bleibt die Frage, was man machen muss... abgesehen von der Musik. Für mich ist es crazy, wenn einer für Joe Bonamassa einhundfünfzig Euro für eine Karte bezahlt, nur um anderthalb Stunden lang Blues zu hören. Genauso wie Wacken. Es geht nicht mehr um die Musik, sondern nur noch um den Namen der Band oder um den Namen des Events. Die sollte wollen sich darstellen und andere neidisch machen
mit dem, was sie gesehen haben oder wo sie Abends waren. Wir feiern einfach unsere Musik.

http://www.foolserrant.de/

https://de-de.facebook.com/Musik.FoolsErrant/



Autor: Steve Burdelak