DOCUMENT 6 - GRINDPA´S HOBBY


Label:CLABASSTER
Jahr:2020
Running Time:42:58
Kategorie: Neuerscheinung
 

Ich finde es immer etwas seltsam wenn (besonders bei recht unbekannten Bands) die Liste der ehemaligen Bandmitglieder weitaus länger ist, als die der Veröffentlichungen. Bei Dokument 6 aus Aachen ist Drummer Rolf die einzige Konstante seit acht Jahren, aber vielleicht hat sich ja nun endlich ein passendes Line-Up gefunden. Mit „Grindpa´s Hobby“ legen sie nun ihr drittes Wer vor, es handelt sich, wie sehr aufmerksame Leser anhand des Albumtitels sicherlich erraten konnten, um Grindcore. Das erste, was mir auffällt, ist die für ein Grindcore-Release beinahe epische Länge von über vierzig Minuten, die neuralgische Zeit, bei der man auf einem Grind-Festival die ersten drei Bands bereits verpasst hat. Das zweite, was bei Ansicht des Booklets (in dem alle Texte abgedruckt sind) auffällt, ist, dass es sich um politischen Grind handelt, der, zwar unter Nutzung der szeneüblichen Klischees und übertriebenen klamaukigen Splatterphantasien, über Texte verfügt, die an frühen achtziger Jahre Straßenpunk erinnern. Einen lyrischen Wert haben sie zwar nicht, transportieren dafür aber eine klare Sprache. In der knappen dreiviertel Stunde, die das Album dauert, werden alle Feindbilder, die nicht in das Weltbild der drei Rheinländer passen, durch den akustischen Fleischwolf gedreht, zum Teil mit sehr drastischen Vergleichen. Die CD kommt im Jewelcase mit achtseitigem Booklet, welches im Comicstil gehalten ist und nebst einem Layout, das jedem Designer nervöses Augenzucken bescheren dürfte, leider auch über einige Rechtschreibfehler verfügt.

Musikalisch ist es halt Grindcore. Wenn da nicht jeder Takt sitzt, sollte man kein Album veröffentlichen. So auch hier. Trommelschlumpf Rolf holt alles Menschenmögliche aus seiner Schießbude raus und ballert gnadenlos und absolut tight direkt in die Audienz. Die Gitarren sind meist ausschließlich rhythmusbetont, aufgelockert werden die zwanzig (!) Tracks durch zu den Songs passenden Samples. Der Gesang ist größtenteils gegrowlt (er wechselt sich mit allen anderen dem Grindcore eigenen Vocal-Typen ab), wirkt leider streckenweise ein wenig fern und kraftlos. Ob es an der etwas diffusen Produktion liegt, ist unklar, so bleibt der den Lyrics innewohnende Hass aber immer mal auf der Strecke.

Jemand, der gerne geschickt platzierte Melodien hört, die mit lieblichem Ohrwurmcharakter sich sofort einprägen, der... ...ist hier falsch. Auch wenn Grindcore vermutlich live immer besser funktioniert als von Platte, sticht dieses Werk aus dem Gros der Veröffentlichungen dieses Genres heraus. Es handelt sich nicht ausschließlich um stumpfes Hochgeschwindigkeits-Geblaste, sondern bieten manche Tracks durchaus Überraschungen (ja, sogar mit echten Melodien und beinahe balladeskem Klang). Wer also noch einen passenden Soundtrack sucht, um volltrunken mit seinem Stemmhammer irgendetwas einzureißen, oder einfach Freude an hasserfülltem Gänseblümchenpflücken hat, der kann hier getrost zuschlagen.

Note: 6.5 von 10 Punkten
Autor: Andreas Sprack


zurück zur Übersicht