Wenn eine Band, fast ein viertel Jahrhundert nach ihrem letzten Studioalbum, mit dem nächsten Output um Ecke kommt und dieser schon im Vorfeld von allen Seiten massiv abgefeiert wird, dann gehen bei mir erst einmal die Alarmglocken an! Viel zu oft musste ich anschließend enttäuscht feststellen, dass „Gevatter Hype“ mal wieder gnadenlos um sich geschlagen hatte. Psychotic Waltz gehören mit ihren vier bislang veröffentlichten Studioalben zweifellos in die erste Reihe der weltweit besten Progressive-Metal-Bands. Dennoch gelang es der Formation nie, über einen gewissen Kultstatus hinwegzukommen. Das könnte sich nun aber doch noch ändern, denn plötzlich finden in der Metal Szene erfreulicherweise sehr viele Leute Gefallen am neuen Release. Dabei machen die Musiker, die in kompletter Originalbesetzung agieren, gar nicht so viel anders als noch vor zwei Dekaden.

Eine vorhersehbare Truppe ist man nie gewesen. Anspruchsvolles Material wurde stets abgeliefert. Musikalisch war man immer über jeden Zweifel erhaben. Episch-dramatischer Songaufbau, traumhaft schöne doomige Bombast-Passagen, atmosphärische Klangwelten und melodische OHRgasmen sind alles Attribute, mit denen diese Pioniere auch auf dem neuen Album hantieren. Easy Listening Musik geht definitiv anders. Mit den Songs muss man sich auseinandersetzen. Dennoch haben die meisten Lieder auf einmal eine gewisse Leichtigkeit. Der für manchen Hörer vielleicht etwas zu sperrige Ballast aus alten Tagen wurde abgelegt. Voluminöse Refrains sorgen für ein gewisses Maß an Eingängigkeit. Den Gitarren werden wahlweise faszinierende Riff Gewitter, akustische Einlagen oder überaus packende, nachvollziehbare Melodielinien entlockt. Spärlich, aber überaus effektiv eingesetzte Keyboard- oder Flötentöne, untermalen die Songs an den exakt richtigen Stellen. Sänger Devon Graves, der übrigens dem ein oder anderen auch von der Formation Deadsoul Tribe bekannt sein dürfte, variiert wie immer überaus gekonnt mit seinem breit gefächertem Stimmvolumen.

Obwohl man den Fans nach wie vor die volle Aufmerksamkeit abverlangt und diese auch nach zahlreichen Durchläufen immer noch was Neues entdecken werden, präsentieren sich Psychotic Waltz im Jahr 2020 noch ein Quäntchen bestechender, als dies schon in der Vergangenheit der Fall war. Der ein oder andere Progressive-Metal Fetischist, welcher eher die sperrige Herausforderung sucht, wird dieses Statement so sicher nicht unterschreiben wollen. „Hitlastig“ ist in Bezug auf diese Band auch sicher das völlig falsche Wort, doch objektiv betrachtet, ist es exakt diese Eigenschaft, die nun den gewissen Unterschied ausmacht. Auf die letzten Jahre bezogen, konnte mich in dieser Musiksparte keine andere Band vergleichbar begeistern. Ein solches Monumentalwerk hätte allerdings ein großes Finale benötigt. Der Abschluss-Track „In The Silence“ fällt jedoch leider im Vergleich zum Rest des Albums leicht ab. Das ist aber auch schon der einzige Kritikpunkt, den ich auf „The God-Shaped Void“ vorfinden kann. Ansonsten agiert die Truppe hier ausnahmslos auf höchstem Niveau. Psychotic Waltz haben es wieder einmal geschafft sich selbst ein Stück weit neu zu erfinden. Dabei gelingt es dem Quintett, auch noch so viele Jahre später, absolut einzigartig und unvergleichbar zu klingen. Das bringt mich zu dem Fazit, dass ich mich bereitwillig in die lange Schlange derer einreihe, die das neue Album mit Lobhuldigungen anpreisen. Das fünfte Langeisen dieser Ausnahmekünstler wird man am Ende des Jahres in sehr vielen Bestenlisten vorfinden!

Note: 9.5 von 10 Punkten
Autor: Dirk Determann

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