MANDOKI SOULMATES - Ich möchte in der von Udo Lindenberg propagierten bunten Republik Deutschland leben, ohne die Farbe Braun


Er war der Kopf der Siebziger Jahre-Pop-Gruppe Dschinghis Khan. Er ist aus Ungarn geflüchtet und kam nach Deutschland. Er gab mitunter den Startschuss für das „Branded Entertainment“ und war Musical Director für Audi und der Volkswagen AG. Er arbeitete mit namhaften Größen jeglicher Coleur wie Jennifer Rush und Phil Collins, und später produzierte er die Wahlkampfsongs der CDU. Im Laufe seiner Karriere gründete Leslie die Mandoki Soulmates, eiine internationale Truppe von Weltstars, die 1993 gegründet wurde. Intellektuelle Rockmusik und Jazz fusionieren mit politischen Themen, die Mister Mandoki seit seiner Flucht bewegen, gepaart mit aktuellen Missständen. Genug Gesprächsstoff für ein Interview.

logoSteve: Kannst Du mal die groben Stationen der Soulmates zusammenfassen?

Leslie: Als mir 1975 nach unserer abenteuerlichen Flucht aus der Diktatur im Zentrallager für Asylbewerber in Zinsendorf die Frage gestellt wurde, was ich denn hier machen möchte, antwortete ich, dass ich in den Westen gekommen bin, um mit meinen Idolen und musikalischen Heroes, wie zum Beispiel Ian Anderson von Jethro Tull und Jack Bruce von Cream, gemeinsam zu musizieren. Mit dem Projekt ManDoki Soulmates konnte ich mir diesen Traum wahrhaft erfüllen. Seit nunmehr fast drei Jahrzehnten spielen wir nun gemeinsam mit rund zwanzig legendenbildenden Ikonen des Jazz und Rock unsere Songs in zahllosen Konzerten weltweit, von Shanghai bis New York, von Sao Paulo bis Moskau und in europäischen Metropolen von London bis Paris. Aber es sind vor allem tiefe Freundschaften entstanden. Wenn wir zusammenkommen, dann wohnen, kochen und diskutieren miteinander wie in einer Musiker-WG. Da gibt es keinen Austausch von Narrativen, sondern einen echten Diskurs über die Zukunft. 

Steve: Worin liegt der Unterschied im künstlerischen Anspruch zu den Kompositionen für andere Musiker, als mit den Soulmates für einen selbst und einem ganzen Team von Gästen?

Leslie: Kompositionen für andere richten sich naturgemäß nach dem jeweiligen Kontext – das kann ja ganz unterschiedlich sein. Ich genieße das ehrenvolle Privileg, mit vielen großartigen Künstler immer wieder völlig neue Musik kreieren zu dürfen. Sicherlich sind das magische Momente, wenn ich mit Lionel Richie Songs schreibe und wir am Klavier etwas entstehen lassen oder wenn ich mit Phil Collins in unseren Studios zusammen Schlagzeug spiele. Mit den Soulmates leben wir mit künstlerischer Leidenschaft den kreativen Geist der Siebziger Jahre, mit dem Idealismus und dem Streben nach uneingeschränkter Freiheit und Individualität. Wir wollen die Musik dahin zurück bringen, wo sie hin gehört: in den Idealismus, zur Rebellion, zur Unangepasstheit.​ Gerade in Zeiten wie diesen fühlen wir Künstler und idealistische Freidenker uns auf den Plan gerufen, uns so laut wie möglich dazu zu äußern, in unserem Fall von der Bühne oder vom Studio aus. 

Steve: Ich habe Bobby Kimball ein paar Mal live gesehen. Zuletzt bei „Bonfire meets Friends". Seine Stimme ist ja manchmal zwischen gut und böse. In Oberhausen klappte mit Bonfire gar nichts. Wie richtet Ihr Euch auf so eine Situation ein?

Leslie: Bobby ist einer der größten Stimmen, die die Rockmusik hervorgebracht hat. Er ist ein Weltstar. Er ist als Gründungsmitglied der Soulmates von Anfang an dabei und ein ganz lieber Freund. Wir wünschen ihm das Allerbeste und hoffen, dass von allen Seiten respektvoll mit seiner Krankheit umgegangen wird.

mandoki soulmatesSteve: Gibt es ein Soulmate, das Du noch unbedingt integrieren möchtest?

Leslie: Dann rufe ich ihn an.

Steve: Die bisherigen Alben hatten ja alle eine etwas differenzierte Ausrichtung. Worauf wurde auf den aktuellen Rundling besonders wert gelegt?

Leslie: Wenn man so viel Musik machen durfte im Leben wie ich, da sollte man sich davor hüten, „just another record“ zu machen. Auch in den vergangenen zehn Jahren haben wir mit den Soulmates Live-Alben, DVDs und Best Of-Alben veröffentlicht. Die Organisatoren der Grammy Awards haben uns Anfang 2018 eingeladen, im Beacon Theatre, in dem Regisseur Martin Scorsese den Film „Shine A Light“ über die Rolling Stones drehte, ein Konzert zu geben. Das Publikum war total begeistert, spendierte uns Standing Ovations, die New Yorker Presse hat uns gefeiert, und ich dachte mir: Was soll jetzt noch kommen? Ich habe gesagt, ich schreibe nur dann ein neues Studio-Album, wenn es auch mein bestes wird. Dieses neue Konzept-Doppel-Album ist unser bisher ambitioniertestes Werk, und ich bin überzeugt, die Welt braucht genau das! ein progressives Rockalbum, das unbequem ist.

Steve: „Young Rebels" nimmt wohl Bezug auf die „Fridays For  Future"-Bewegung. Ist der Text dazu nicht etwas stark ausgelegt? Inwieweit bewegt Dich das Thema? Und werden nicht einfach viele Schüler mitgerissen, nur um dabei zu sein oder aus Druck, nur um in der Klasse keine Häme zu erfahren?

Leslie: Die Idee zu dem Song  „Young Rebels“ hatte ich schon vor fast zwei Jahren. Wie schon so oft, hat uns auch hier das Leben eingeholt. Denn heute erleben wir mit den Freitagsdemonstrationen ein Szenario, wie ich es beim Schreiben des Songs erahnt hatte. Es ist eine Schande, dass unsere Kinder freitags auf die Straße gehen müssen, weil Europa es nicht schafft, selbst geschriebene Verträge einzuhalten. Wir als Soulmates geben ihnen etwas mit auf den Weg. So heißt es gleich zu Beginn des Songs: „Letter to the new kids fighting, takin' it out to the frontliving is a strange song playin', but the track is only playin’ once”. Die Sanduhr ist nicht umsonst Teil des Artworks unseres Doppel-Albums. Ich begreife es als Weckruf. Meine Generation hat versagt. Unsere Kinder haben dies jetzt bei der Klimaproblematik gemerkt und sind massiv auf die Straße gegangen – aber eines Tages werden sie auch fragen: Warum haben meine Eltern durch die Null-Zins-Politik der EZB ihre Altersversorgung verloren? Wie kann es sein, dass unsere Gesellschaft in einem unfassbaren Wohlstand lebt, die Bildungschancen aber immer noch abhängig von der sozioökonomischen Herkunft sind? Wie kann es sein, dass ein dreißigjähriger Lehrer und eine achtundzwanzigjährige Hebamme weder in München noch in Frankfurt in einer guten Lage eine Vier-Zimmer-Wohnung mieten können, um dort ihre zwei Kinder aufzuziehen? Wir haben ein soziales Ungleichgewicht geschaffen und eine Spaltung in der Gesellschaft entstehen lassen. Es wird bald nicht mehr reichen, freitags zu demonstrieren, es wird bald auch „Mondays For Future" gegen den Casino-Kapitalismus geben müssen. Freiheit darf nicht dazu führen, dass Gier über Achtsamkeit siegt! Wir müssen aufstehen für eine friedliche, freie Welt, und wir müssen die Fackel an die nächsten Generationen, die „Young Rebels", weitergeben. Denn es gibt viel zu tun für die jungen Rebellen, wegen unser aller Kollektiv-Versagen!​

mandoki soulmatesSteve: Welche Kriterien muss ein Teilnehmer erfüllen, um auf einem Album Part des Happenings zu sein?

Leslie: Wir sprechen hier nicht von Gästen oder Teilnehmern, sondern wir sind Soulmates, eine musikalische Wertegemeinschaft, ein Haufen idealistischer Rebellen mit unbändiger Spielfreude. Wir alle sind vom Schicksal reich beschenkt worden, die Soulmates sind unsere Art, etwas von diesem Glück zurück zu geben. Wir „alten“ musikalischen Rebellen haben das Gefühl, noch einmal etwas sagen zu müssen und aufzurütteln, insbesondere im Hinblick auf unser eigenes Generationsversagen.

Steve: Welches ist der gravierende Unterschied zwischen den beiden Werken "Living In The Gap" und "Hungarian Pictures"? Und wo ist der rote Verbindungfaden?

Die Idee zu „Hungarian Pictures“ wurde in einem Gespräch mit Greg Lake und Jon Lord geboren. Bei den Proben zu der Arena-TV-Show von „50 Jahre Rock“, bei der die Soulmates die Hausband von Thomas Gottschalk waren, sprachen wir über das Musikverständnis von Bela Bartok, über die unbändige Lust, Neues zu entdecken und Brücken zu schlagen zwischen unterschiedlichen musikalischen Stilrichtungen. Bartók mischte Klänge und traditionelle Melodien aus unterschiedlichsten Regionen der Karpatentiefebene, um durch die völkerverbindenden Aspekte in der Musik ein Zeichen gegen die aufkeimende Bedrohung des Nationalsozialismus zu setzen. Dieser Gedanke des Verbindenden inspirierte  Jon Lord, Greg Lake und mich. Es ist ein uns Künstlern immanenter Wunsch, das Verbindende herauszuarbeiten und darauf den Fokus zu legen. Greg, Jon und ich teilten gemeinsam den Traum, an Werken von Bela Bartok zu arbeiten und die Vision von „Hungarian Pictures“ zu verwirklichen. Leider verstarb mein lieber Freund Greg wie auch Jon Lord viel zu früh, aber ich versprach, unser gemeinsames Vorhaben umzusetzen. Mit Bartok wollen wir mit unserer Musik der „Idee der Verbrüderung souveräner Völker“ dienen. Gerade wenn wie heute zu viel Trennendes im Vordergrund steht, ist es unsere Aufgabe, die Gemeinsamkeiten zu suchen und aufzuzeigen.​​ Letztes Jahr schrieben wir gemeinsam mit meiner Tochter Julia drei neue Songs, die die Verbindung beider Alben verdeutlicht. Das Doppel-Album ist vom Titelsong „Living In The Gap" bis hin zu „The Torch" ein zweistündiges progressives Gesamtwerk.

Steve: Zitat: "As A Refugee, I came to Germany, to be free to disagree". Wie sollte man Deiner Meinung nach mit einer Partei wie zum Beispiel der AfD umgehen, die das gleiche Recht einfordert... zumindest den letzten Teil der Aussage betreffend? Gibst Du mit Deinen Texten Anstöße, oder gibt es auch den erhobenen Zeigefinger?

mandoki soulmatesLeslie: Meine letzte Verhaftung fand zu Zeiten der Diktatur statt, weil ein befreundeter Journalist eingesperrt wurde und ich dagegen protestiert habe. Ich war in Ungarn insgesamt siebzehn Mal im Knast, bis ich unter Schießbefehl in den Westen geflohen bin. Ich kämpfte gegen die Zensur und war gegen Reglementierung und für Reisefreiheit. Wir haben in Deutschland ein Wertesystem, dass nicht verwässert werden darf, indem man Intoleranz akzeptiert. Ich möchte in der von Udo Lindenberg propagierten bunten Republik Deutschland leben, ohne die Farbe Braun. In Zeiten, in denen Narrative einen fairen politischen Diskurs ersetzen, in denen wir alle spüren, dass etwas gewaltig verrutscht ist, werden Erklärungen und Halt gesucht, Antworten auf die Phänomene unserer Zeit. Wenn wir unsere Komfortzone verlassen, finden wir diskutable Erklärungsmuster für das Erstarken des Rechtspopulismus. Die Gesellschaft kann sich nur nach vorne bewegen, wenn sie von Menschen gestaltet wird, die mit sich reden lassen. Wir müssen diese Spaltung überwinden. Ich möchte, dass wir alle wieder miteinander reden, uns gegenseitig zuhören. Ich möchte eine menschliche Gesellschaft mit Achtsamkeit, Toleranz, Ehrlichkeit und Integrität, ohne Ausgrenzung. Ich will die Menschen nicht verlieren, die anders denken, ich will sie überzeugen und gewinnen. Es ist auch wichtig, dass wir nicht Angst vor der Zukunft haben, sondern diese Kreativität zurückbekommen. Wir müssen aufstehen und was tun. Für vieles, das in der Vergangenheit als alternativlos eingestuft wurde, hätte es eine Alternative gegeben. Aber für Wiederherstellung des politischen Diskurses in der Mitte unserer Gesellschaft gibt es schlichtweg keine Alternative. Deswegen versucht unser monothematische Doppel-Konzept-Album, die Verantwortung des Künstlers wahrzunehmen, dessen wahrhaftige Daseinsberechtigung darin liegt, ein Stachel im Fleisch der Gesellschaft zu sein.

Steve: Was ist für die nächsten Monate geplant?

Leslie: Wenn ich nach einem vierstündigen Konzert von der Bühne komme, könnte ich von vorne anfangen. Nach dem großen Erfolg unserer Album-Vorstellungskonzerte planen wir nun eine größere und längere Tour. Näheres in Kürze.

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Autor: Steve Burdelak