THE DARK TENOR - Die Demaskierung eines Crossover-Stars


Ich habe das erste Mal von diesem Künstler gehört, als die Promotion-Firma die aktuelle Tour vorstellte. Meine Freundin war sofort begeistert und „Zack“, musste ich mir alle Videos auf YouTube ansehen, haha. Na ja, Pop oder Rock meets Classic, ist ja seit Jahren in der musikalischen Umlaufbahn. Mal mehr oder weniger spannend wollen alle vom Kuchen etwas abhaben. The Dark Tenor hat für sein aktuelles Album „Symphony Of Ghosts“ den klassischen Teil etwas ausgedünnt, aber live wollten wir dann doch noch ein Auge und Ohr werfen. Grund genug hinter den Kulissen, direkt vor Ort im FZW zu Dortmund ein Interview zu führen.

logoSteve: Du hast mit einer Vollmaskierung angefangen, dann schrumpfte das auf eine halbe Maske, dunkle Schminke und nun das pure Gesicht. Lag da eine bestimmte Absicht hinter?

TDT: Ich habe mich gefragt, wie man die klassische Musik, für Menschen die nichts damit zu tun haben, interessant inszenieren kann. Ich habe ja drei Jahre an der Oper (Dresdner Semperoper) gesungen und davor acht Jahre beim Dresdner Kreuzchor. Da haben wir natürlich ebenso unsere Kostüme gehabt, und das habe ich als Idee aus der Klassik mit rübergebracht. Das ist einfach etwas Know How aus dem Genre. Wir haben schließlich Geschichten erzählt. The Dark Tenor war eine Inszenierung dieser Figur mit Maske. Vorgestellt wird ein identitätsloser Künstler. Ich habe es ein bisschen von „Assassins Creed“, dem Computerspiel, abgewandelt. Das hat die Kids tatsächlich interessiert und es sorgte für so viel Erfolg, dass mein erstes Album „Symphony Of Light“ (2014) tatsächlich 150.000 Mal verkauft wurde.

Steve: Kannst Du vielleicht etwas mehr über Deine Karriere erzählen als die beiden Dinge, die Du gerade nanntest? Das Internet hüllt sich in Schweigen, bis auf einen kleinen Text bei Wikipedia.

TDT: Ich habe schon immer gesungen. Ich bin US-Amerikaner, aber geboren wurde ich in Graz in Österreich. Meine Eltern sind ebenfalls im Business. Mein Vater ist Dirigent und meine Mutter Violinistin. Ich hatte sechzehn Jahre Geigenunterricht bei meiner Mutter. Was…okay, sie hört ja jetzt nicht zu…nicht immer so geil war.

Steve: Sie liest ja auch wohl kaum unser Magazin, haha…also nur zu!

TDT: Die weitere Entwicklung war eigentlich immer gesanglich. Ich habe vier Jahre im Knabenchor Hannover gesungen. Dann kam die Zeit beim Kreuzchor. Das ist ein Profichor (mit Internat) mit Gastauftritten in Israel, Japan und Spanien. Es gibt da sogar noch Programmheftchen, wo mein Name…eh…egal. Auf jeden Fall, muss man nach der zwölften Klasse dort aussteigen. Danach hat man aber eine der intensivsten Gesangsausbildungen überhaupt. Das ganze Leben in der Zeit besteht aus täglicher Probe, Stimmübungen und Auftritten. Danach kam - wie erwähnt - die Zeit bei der Semperoper. Das war mir irgendwann zu langweilig. Ich wollte verschiedene Genre zusammen mixen. Ich habe den Produzenten Bernd Wendtland (Gotthard, Puhdys, Silbermond, Faun) in Berlin kennengelernt. Zwei Jahre haben wir an dem Debütwerk gearbeitet. RTL kam dazu, und wir haben gefragt, ob sie Lust hätten, das Ganze zu vermarkten. Bislang hatten alle Plattenfirmen „Nein“ gesagt.

Steve: Komisch...nee! Aber dann…

TDT: Komisch, genau. Danach wollten Sony und Universal plötzlich beide eine Unterschrift. Ich machte den Vertrag mit Universal Music. Wir haben innerhalb von vier Jahren drei Alben gemacht.

Steve: In unserer Redaktion bist Du erst jetzt angekommen, haha. Da kannte kaum jemand etwas, und wir waren erstaunt, dass - für den Teil-Namen „Tenor“ - Deine Stimme doch sehr pop-lastig ist. Vom Namen her dachte ich jetzt nach ein Sänger auf Luciano Pavarotti meets Unheilig. Aber nach dem Hören des doch recht balladeskem Albums sind wir davon ausgegangen, Du willst den Grafen beerben und holst sein „späteres“ Publikum ran.

TDT: Ja klar. Ich bin mit Unheilig auf Tour gewesen - also mit der Band… Der Graf ist ja nicht mehr dabei - und haben Unheilig und The Dark Tenor auf Zeitreise gemacht. Es waren sechzehn Shows in angemessenen Hallen, für circa 2000 bis 3000 Zuschauer und wir hatten wirklich eine gute Zeit. Das Repertoire bestand aus Songs von Unheilig und meinen Eigenkompositionen. Da haben natürlich Fans von Unheilig später ebenso bei mir Platz gefunden. Den Grafen zu ersetzen, steht für mich als Tenor völlig außer Frage. Er liegt ja stimmlich zwischen Bariton und Bass. Es wurde auch von seitens der Fans gefragt, ob ich nach der Tour bei Unheilig einsteigen würde, aber ich sah dies als einmaliges Projekt. Wir wollten die alten Songs nur noch mal aufleben lassen. Aber ich bin nicht angetreten, um deutschen Schlager-Rock zu machen. Das ist nicht mein Ding.

Steve: Wie soll ich Dich im Interview nennen?

TDT: The Dark Tenor.

Steve: Und Du heißt eigentlich wie?

TDT: Haha…netter Versuch!

Steve: Na, dann schaue ich mal in ein altes Programmheft, haha. Warum singst Du denn heuer eher Pop-lastiger? Hast Du Angst, es könnte Zuhörer verscheuchen, wenn es komplexer wird?

TDT: Ich bin kein großer Opern-Tenor, sondern lyrischer Tenor. Die große breite Stimme kommt erst ab dem vierzigsten Lebensjahr. Das muss sich entwickeln. Meine Stimme habe ich bewusst poppiger trainiert, einfach aus dem Grunde, weil ich nicht glaube, das junge Menschen, Teenager, sich einen Tenor über drei Minuten lang mit einer Eigenkomposition anhören würden. Das ist einfach meine Meinung. Man muss die Leute mit dem gegensätzlichen Impuls fangen. Auf dem neuen Album ist der Beitrag „Parla Piu Piano“ mit dem klassischen Gesang bestückt, aber ich möchte die Zuhörer nicht abschrecken. Ich will ja nicht die Leute für Klassik begeistern, die den Stil bereits mögen. Ich will ein frisches Publikum. Dieses Hybrid-Projekt wie The Dark Tenor sollte man durchaus nutzen, um diese Gradwanderung zu vollführen.

Steve: Nach welchen Kriterien suchst Du Dir Fremdtitel aus: nach Popularitätsgrad im Mainstream oder nach Stimmlage? Du setzt ja jetzt mehr auf eigene Stücke, oder?

TDT: Also die ersten beiden Alben habe ich auch viele Eigenkompositionen eingesetzt, nur wenn es Fremdelemente waren, waren sie mehr klassischer Natur. Das ist jetzt auf „Symphony Of Ghosts“ etwas anders. Mittlerweile sind die Themen eher mehr aus dem Mainstream.

the dark tenorSteve: Ach so, ich hatte gelesen, dass Du alle Songs coverst, aber mit eigenen Texten bestückst.

TDT: Nein, nein. Ich nehme eine klassische Melodie, wie zum Beispiel Mozarts „Sinfonie Nr.40 in G-Moll“, packe da meinen eigenen Text drauf, schreibe aber noch neue Strophen dazu. Das heißt, ich habe partout schon mal eine Melodie, die jeder kennt, vielleicht auch auf den Sack geht, aber der Song steht. Und manchmal greife ich nur berühmte Einsprengsel im eigenen Song auf. So geschehen auf dem aktuellen Album, wo ich berühmte Klassik-Zitate ausgelassen habe, um selber welche zu schreiben; außer natürlich die Titelmelodie vom Film „Der Pate“. Das ist jetzt quasi voneinander getrennt.

Steve: Spiel mal „Das Orakel von Delphi" für mich… beziehungsweise für Dich…

TDT: Im November bin ich auf „Laut und Akustisch“-Tour; will heißen, es gibt eine Stunde lang ein akustisches Set mit Cello, Piano, Gitarre und Gesang. Hierauf gibt es eine viertelstündige Pause und anschließend der Auftritt mit der kompletten Band und Strom! Eine Wanderung von meinem ersten bis zum dritten Album.

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Autor: Steve Burdelak