KARO - Auf die Barrikaden - Rebellion in Ketten!


So kommt eins zum anderen.Da schreibt man ein Classic Review über eine tolle Hardrock Platte (in diesem Fall Karo´s "Heavy Birthday") und während dem Schreiben kommen einem unzählige Fragen in den Sinn. Infos oder Interviews dieser Berliner Band sind eher rar gesät. So scheint es, als bliebe dieses kleine achtziger Jahre Juwel für alle Zeiten in den Tiefen einiger auserwählter Plattensammlungen verborgen. Anlässlich des dreißigjährigen Jubiläums dieser fast vergessenen Perle, habe ich mich auf die Suche nach Karo Sänger Lutz Salzwedel, alias Dan Lucas gemacht. Dieser stand mir freundlicherweise Rede und Antwort und hat uns einen wirklich aufschlussreichen Rückblick in die Vergangenheit gewährt.

Dirk: Gehen wir zunächst einmal zurück zu euren Anfängen. Namensgeber der Band war euer Keyboarder Karo Straub. Ich habe irgendwo gelesen, dass ihr vor dem "Heavy Birthday" Release im Jahr 1988 schon drei Jahre aktiv gewesen seid. Wie ist das damals alles ins Rollen gekommen und was ist in diesen Jahren, bis zur Veröffentlichung so passiert? 

Dan: Der Beginn unserer Zusammenarbeit beruhte auf einem einfachen Zufall: Nach meiner Flucht aus der DDR im Mai 1985 - ich hatte nachts während einer Tour meiner ehemaligen Band in der BRD das Hotel verlassen und mich bei der Polizeistation Wermelskirchen als DDR-Flüchtling gemeldet - arbeitete ich zwei Wochen in der Firma meines Onkels und nahm dann ein Flugzeug nach West-Berlin. Dort angekommen, setzte ich ein kostenloses Inserat in der "Zweite Hand", unter Musiker sucht Gruppe: "Professioneller Sänger - gerade angekommen - sucht Rockband". Allerdings fand ich zwei Tage vor Erscheinen meiner Anzeige im selben Blatt ein Inserat, dass mich interessierte. Ich rief an, besuchte Erich zu Hause und nach langer Unterhaltung und dem Anhören meines Schreis auf dem Album "Was kann ich tun" war ich der Sänger der Band Karo.Wir trafen uns regelmäßig im Proberaum in Kreuzberg am Paul-Lincke-Ufer und schrieben gemeinsam eine Unmenge von Songs. Wir waren sofort ein eingespieltes Team, Roy Dean Brown lieferte die Texte und bereits im September spielten wir im Vorprogramm von Nena in der Berliner Deutschlandhalle. Hier spielte allerdings der Umstand, dass Karo Straub Nenas Klavierlehrer war, eine nicht untergeordnete Rolle... -smile-. Ab 1986 bekamen wir die Möglichkeit, im Hotline Studio in Frankfurt am Main aufzunehmen. Unser Mentor und Produzent war Peter Hauke, bei dem auch Craaft, Tony Cary mit Planet P. und Supermax ihre Alben produzierten. Bei einer Aufnahmesession war der ex-Toto Sänger Fergie Frederikson anwesend, der noch ein paar Backing Vocals beisteuerte. Nachdem wir einen Plattenvertrag mit Teldec abgeschlossen hatten, gingen wir noch für ein paar Wochen ins Studio nach Surrey (England) und vervollständigten das Album dort mit dem Produzenten Tony Platt (AC/DC, Foreigner, Cheap Trick etc.). 

Karo -2Dirk: Euer Debüt-Album kam eigentlich zu einer Unzeit heraus. Die Lager der Fans hatten sich längst aufgespaltet. Da war auf der einen Seite die Speed- und Thrash- Metal Fraktion, mit denen ihr keineswegs etwas zu tun hattet; auf der anderen Seite die sogenannte Glam- und Poser- Abteilung. Aber auch hier habt ihr nicht so wirklich reingepasst. Welchen Weg wolltet ihr damals gehen? Was waren denn eure Ziele? 

Dan: Unser einziges Ziel war eigentlich, zusammen Musik zu machen und zu versuchen, unsere Ideen unter die Leute zu bringen. Nach irgendwelchen Trends im Musikbusiness haben wir nicht geschaut, das hat uns nicht interessiert. 

Dirk: Der erste Kontakt mit deiner Band entstand für mich, als ich eines Tages in meinem Lieblings-Schallplattenladen euer “Stahl-Kuchen”-Cover erblickte. Meiner Meinung nach erweckt das Frontcover eher den Eindruck, dass sich hinter dieser LP Hülle feinste, aus purem Heavy Metal Stahl geschmiedete Musik versteckt. Ich finde das Artwork wirklich toll. Es erzeugt Aufmerksamkeit und Interesse. Aber hundertprozentig passend war dieser Anzug in Verbindung mit eurem doch eher sehr melodiösen Hardrock nicht, oder? 

Dan: Ja, das Album Cover ist wirklich einzigartig. Als wir das zum ersten Mal gesehen hatten, waren wir vollauf begeistert. Dass es nicht unbedingt zu unserem melodiösen Rock gepasst hat, war uns egal. Überraschungen gab es ja nicht, jeder konnte im Plattenladen reinhören und dann entscheiden, ob er es kauft oder nicht. Die meisten Alben haben wir direkt während der Tour mit Meat Loaf verkauft. Und da wussten die Leute ja, was wir für eine Art Musik spielen. Ich glaube, es waren um die 20.000 Stück. 

Dirk: Gutes Stichwort! Ihr durftet auf die angesprochene Tour mit Meat Loaf aufspringen. Das müsste euch doch kräftig Auftrieb gegeben haben, oder? Was für Erfahrungen und Erlebnisse habt ihr denn von dieser Tournee mitgenommen? 

Karo - 3Dan: Ja, die Tour mit Meat Loaf war wirklich cool. Die englische Crew erhielt von uns zunächst mal eine Flasche guten Whisky. Wir hatten ein super Verhältnis, dass darin mündete, dass wir während des Supports das volle Licht- und Sound-Programm erhielten. Bis eines Tages der Meister persönlich früher beim Konzert erschien und dafür sorgte, dass ein paar Poweramps und Licht "eingespart" wurden. Aber nach ein paar Gigs war alles wieder wie am Anfang -smile-. Auch, dass wir bereits während des Einlasses, also schon so um 19:30 Uhr auf kleinstem Raum spielen mussten, tat unserer Begeisterung keinen Abbruch. Während der Tour war ja außerdem die Veröffentlichung unseres Albums und so hatten wir ein paar Autogramm-Stunden und so weiter, zum Beispiel im Saturn. Hat alles viel Spaß gemacht und uns eng zusammengeschweißt. 

Dirk: Das Lied "Sister Sister" wurde als Single ausgekoppelt. Meiner Meinung nach eine sehr gute Wahl. Habt ihr das selbst entschieden und was sind eigentlich deine persönlichen Lieblingssongs auf diesem Album? 

Dan: Ich hätte als erstes eine Ballade ausgekoppelt, "Still Hate To Lose". Vielleicht, um auch im Radio mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber wir hatten das nicht zu entscheiden. Übrigens, der Schreibfehler (loose) ist bis heute nicht verschwunden -smile-. Keine Ahnung, wie der mal zustande gekommen ist. Zu meinen Lieblingssongs zählen "Ball Of Fire", "Call Of The Wild", "No Man´s Land" und "Out On The Line".

Dirk: Soweit ich weiß, wurde zu der Singleauskopplung aber leider kein Video gedreht. Gerade in den Achtzigern war es jedoch eine enorm wichtige Sache auf MTV gespielt zu werden. Gab es diesbezüglich nie Überlegungen? 

Dan: Ein Videodreh kostet Geld. Und das ist bei den Plattenfirmen immer schon ein Problem gewesen, vor allem bei Newcomern. Ich wollte auch bei meiner ersten Dan Lucas CD unbedingt ein Video drehen. Aber da kam die Antwort von der Plattenfirma: “Erstmal sehen wie es läuft”. Natürlich völlig verkehrt herum diese Aussage, aber was will man als Künstler machen?! 

Dirk: Trotz anständiger Verkaufszahlen von "Heavy Birthday" wurde euer Vertrag bei der Plattenfirma nicht mehr verlängert. Danach habt ihr leider ziemlich schnell das Handtuch geschmissen und es wurde nach nur einem einzigen Album das Ende der Band eingeläutet. Gab es damals keinerlei Anstrengungen vielleicht noch einmal woanders unterzukommen? 

Karo - 4Dan: Wir sind nach der Tour sofort zurück in den Proberaum und in ein Berliner Studio und haben weiter an Songs gebastelt. Aber wie das so ist - Teldec wurde von Warner übernommen, das Label Frontrow aufgelöst und für uns war kein Platz mehr. Wir sind dann nach Hamburg gefahren und haben uns im Foyer der Plattenfirma im Heussweg ans Treppengeländer angekettet und die Schlüssel der Vorhängeschlösser verschwinden lassen. Unsere Forderung: “Wir wollen den Chef sprechen”! Wir hatten zu dieser Zeit bereits circa vierzig neue Demos versendet und nur zur Antwort bekommen, dass die Option weiterer Alben leider nicht erfüllt werden kann. Ohne weitere Begründung. Irgendwie war dann die Luft raus, persönliche Probleme einzelner Bandmitglieder spielten ebenfalls eine Rolle. 

Dirk: Du hast danach unter dem Namen Dan Lucas einige gute Melodic-Rock Scheiben rausgehauen. Wo siehst du da (abgesehen von deiner tollen Stimme natürlich) noch Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten zu Karo? 

Dan: Alle Melodien bei Karo stammen von mir. Logisch, dass die Art zu schreiben auch weiterhin Einfluss auf meine späteren Songs genommen hat.

Dirk: Lange Zeit waren Karo dann in der Versenkung verschwunden, aber ich hatte mir dennoch in regelmäßigen Abständen immer mal wieder den Longplayer auf den Plattenteller gelegt. Ihr habt aber wohl nicht nur bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Nicht umsonst hatten MTM Classix im Jahr 2005 das Album neu auf CD veröffentlicht. Was waren deine Gedanken, als man dich diesbezüglich kontaktierte? 

Dan: Coole Sache, eine Neuauflage. Ich habe ja dann auch noch bei mir daheim die Ballade "Wanna Be Loved" umarrangiert und aufgenommen (als Bonus auf der Neuauflage zu finden). 

Dirk: Du machst auch heute noch Musik. Was treibt dich an immer weiter zu machen und was ist deine persönliche Meinung bezüglich der jetzt komplett veränderten, neuzeitlichen Musikwelt? 

Dan: Die Geschichte zeigt, dass sich die Musik immer irgendwie verändert und dem Zeitgeist angepasst hat. Und ich meine, dass jede Art von Musik seine Berechtigung hat. Da ja auch der persönliche Geschmack verschieden ist, kann jeder seine Lieblingsmusik finden und hören. Aber ich kann und will mich natürlich auch nicht verbiegen und jetzt plötzlich was ganz anderes machen. Ich mache, was ich am besten kann, und wenn es nicht so erfolgreich ist, dann eben nicht. Zum Glück muss ich mir selbst nichts mehr beweisen. 

Dirk: Völlig überraschend sind nun seit dem letzten Jahr unveröffentlichte Karo Songs unter dem Titel “Heavy Birthday II” im Netz zum kostenpflichtigem Download aufgetaucht. Erzähle uns bitte etwas darüber und besteht Hoffnung, dass dies in näherer Zukunft auch noch als CD oder sogar als LP an die Fans gebracht wird? 

Karo - 5Dan: Karo Straub hat ein bisschen im Archiv gebuddelt und die alten Studioaufnahmen zu Tage gebracht. Ich wusste, dass da noch was existiert, war aber selbst ebenso überrascht und wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Ein bisschen Mastering hätten die Songs sicher gebrauchen können, aber es ist gut, dass die Sachen existieren und erhalten geblieben sind. Wie der Zugriff auf die Songs im Netz ist, weiß ich nicht. Eine Veröffentlichung auf CD oder Vinyl kostet Geld. Ich glaube nicht, dass dies jemand in nächster Zeit in die Hand nehmen wird, aber man weiß ja nie... 

Dirk: Verfolgst du eigentlich noch das Tagesgeschehen im Hard ´n Heavy Bereich?

Dan: Ich höre beim Autofahren ausschließlich Rock Antenne. Natürlich wenn empfangbar. Da wird schon mal das eine oder andere neue Stück gespielt und natürlich Classic Rock, den ich ja mit Helter Skelter auch mache. 

Dirk: Es gibt viele alte Bands die sich für irgendwelche Festivals wieder zusammenraufen. Leider sind nicht mehr alle eure Band-Mitglieder am Leben. Hast du denn noch Kontakt zu anderen KARO Musikern und besteht die Aussicht, dass es euch irgendwann mal wieder “Live On Stage” geben könnte? 

Dan: Eine Reunion wird es wohl nicht geben. Karo ist musikalisch nicht mehr aktiv so weit ich weiß. Wir hatten jetzt mal wieder kurz Kontakt wegen Heavy Birthday II. Und Erich hat schon eine ganz besondere extravagante und coole Art gehabt, Gitarre zu spielen. Zumal er sich die Riffs und Soli selbst auf den Leib geschrieben hat. Ich habe auch nie erfahren, warum Ronny so früh verstorben ist. Traurige Geschichte. 

http://www.danlucas.eu

 



Autor: Dirk Determann